Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken Von den Würckungen der Natur. Halle (Saale), 1723.Cap. VI. Von Thau, Reiff, Regen, die Lufft etwas gelinde ist; so werden diegefrornen Dünste weich, wie alles harte von der Wärme erst erweichet wird, ehe es flüßig werden kan (§. 64). Die weiche gefrorne Dünste fallen starck zusammen und daraus entstehen grosse Flocken. Wenn im Herb- ste der Erdboden und die Steine auf den Strassen noch warm sind und es fängt zeit- lich anzuschneyen; so zergehet der Schnee, sobald er auf die Erde fället. Denn die Wärme fähret aus dem Erdboden in den Schnee, der schon weich und zum schmeltzen aufgeleget ist (§. 76.), und deswegen schmeltzet er (§. 120 T. II. Exper.). Hin- gegen wenn der Erdboden kalt ist, so blei- bet der Schnee wie er ist: denn es ist keine Ursache vorhanden, warum er schmeltzen sollte. Jn kaltem Wetter ist der Schnee sehr subtile und werden keine grosse Flocken, wie aus dem vorhergehenden abzunehmen. Weil der Schnee eben wie der Regen aus den Wolcken kommet; so ist nicht nöthig den Zustand der Lufft, wenn es schneyen soll, genauer zubeschreiben: denn es ist eben so wie bey dem Regen, nur daß die Lufft hier kalt, dorten aber wärmer ist. Wenn es sehr kalt ist, und Schnee-Wolcken haben den gantzen Himmel überzogen; so will es doch nicht schneyen und man pfleget zu sagen: es sey zu kalt dazu. Die Kälte macht die Lufft sehr dichte (§. 133. T. I. Ex-
Cap. VI. Von Thau, Reiff, Regen, die Lufft etwas gelinde iſt; ſo werden diegefrornen Duͤnſte weich, wie alles harte von der Waͤrme erſt erweichet wird, ehe es fluͤßig werden kan (§. 64). Die weiche gefrorne Duͤnſte fallen ſtarck zuſammen und daraus entſtehen groſſe Flocken. Wenn im Herb- ſte der Erdboden und die Steine auf den Straſſen noch warm ſind und es faͤngt zeit- lich anzuſchneyen; ſo zergehet der Schnee, ſobald er auf die Erde faͤllet. Denn die Waͤrme faͤhret aus dem Erdboden in den Schnee, der ſchon weich und zum ſchmeltzen aufgeleget iſt (§. 76.), und deswegen ſchmeltzet er (§. 120 T. II. Exper.). Hin- gegen wenn der Erdboden kalt iſt, ſo blei- bet der Schnee wie er iſt: denn es iſt keine Urſache vorhanden, warum er ſchmeltzen ſollte. Jn kaltem Wetter iſt der Schnee ſehr ſubtile und werden keine groſſe Flocken, wie aus dem vorhergehenden abzunehmen. Weil der Schnee eben wie der Regen aus den Wolcken kommet; ſo iſt nicht noͤthig den Zuſtand der Lufft, wenn es ſchneyen ſoll, genauer zubeſchreiben: denn es iſt eben ſo wie bey dem Regen, nur daß die Lufft hier kalt, dorten aber waͤrmer iſt. Wenn es ſehr kalt iſt, und Schnee-Wolcken haben den gantzen Himmel uͤberzogen; ſo will es doch nicht ſchneyen und man pfleget zu ſagen: es ſey zu kalt dazu. Die Kaͤlte macht die Lufft ſehr dichte (§. 133. T. I. Ex-
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Cap. VI. Von Thau, Reiff, Regen,
die Lufft etwas gelinde iſt; ſo werden die
gefrornen Duͤnſte weich, wie alles harte von
der Waͤrme erſt erweichet wird, ehe es fluͤßig
werden kan (§. 64). Die weiche gefrorne
Duͤnſte fallen ſtarck zuſammen und daraus
entſtehen groſſe Flocken. Wenn im Herb-
ſte der Erdboden und die Steine auf den
Straſſen noch warm ſind und es faͤngt zeit-
lich anzuſchneyen; ſo zergehet der Schnee,
ſobald er auf die Erde faͤllet. Denn die
Waͤrme faͤhret aus dem Erdboden in den
Schnee, der ſchon weich und zum ſchmeltzen
aufgeleget iſt (§. 76.), und deswegen
ſchmeltzet er (§. 120 T. II. Exper.). Hin-
gegen wenn der Erdboden kalt iſt, ſo blei-
bet der Schnee wie er iſt: denn es iſt keine
Urſache vorhanden, warum er ſchmeltzen
ſollte. Jn kaltem Wetter iſt der Schnee
ſehr ſubtile und werden keine groſſe Flocken,
wie aus dem vorhergehenden abzunehmen.
Weil der Schnee eben wie der Regen aus
den Wolcken kommet; ſo iſt nicht noͤthig
den Zuſtand der Lufft, wenn es ſchneyen ſoll,
genauer zubeſchreiben: denn es iſt eben ſo
wie bey dem Regen, nur daß die Lufft hier
kalt, dorten aber waͤrmer iſt. Wenn es
ſehr kalt iſt, und Schnee-Wolcken haben
den gantzen Himmel uͤberzogen; ſo will es
doch nicht ſchneyen und man pfleget zu
ſagen: es ſey zu kalt dazu. Die Kaͤlte
macht die Lufft ſehr dichte (§. 133. T. I.
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