Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken Von den Würckungen der Natur. Halle (Saale), 1723.

Bild:
<< vorherige Seite

Cap. III. Von dem Unterscheide
da gleichwohl nicht alle Materien von der
Wärme weich werden, noch schmeltzen;
so muß auch die Figur der kleinen Theile et-
was dazu beytragen. Wir haben Steine,
die fliessen in grosser Hitze und lassen sich in
Glaß verwandeln: andere hingegen fliessen
nicht, sondern werden bloß zu einem Kalcke.
Es muß demnach ein Unterscheid seyn unter
den Steinen, die schmeltzen, und unter de-
nen, die zu Kalck werden. Der Unterscheid
kan in nichts andern als in der Figur der
Theile gesucht werden, vermöge welcher
einige fester zusammen halten als andere,
die sich leichter von einander verschieben
lassen. Worinnen dieser Unterscheid be-
stehe, verlange ich nicht zu bestimmen. Die
Untersuchung möchte uns zu lange aufhal-
ten, und wir dörfften vielleicht doch nicht
völlig zu Ende kommen. Wir sehen übri-
gens, daß Cörper weich seyn können, weil
eine veränderliche oder fremde Materie zwi-
schen ihre kleine Theile hinein dringet und
zwar nicht gäntzlich, doch in etwas von
einander absondert, daß sie einander nicht
so viel berühren, als sonst geschehen wür-
de, wenn dieselbige Materie weg wäre.
Wie aber diese Materie eigentlich müsse be-
schaffen seyn, lässet sich noch nicht bestim-
men. Wenn man nun aber fraget, wo-
her es denn komme, daß einige Materien
nicht erst weich werden, ehe sie fliessen;

so

Cap. III. Von dem Unterſcheide
da gleichwohl nicht alle Materien von der
Waͤrme weich werden, noch ſchmeltzen;
ſo muß auch die Figur der kleinen Theile et-
was dazu beytragen. Wir haben Steine,
die flieſſen in groſſer Hitze und laſſen ſich in
Glaß verwandeln: andere hingegen flieſſen
nicht, ſondern werden bloß zu einem Kalcke.
Es muß demnach ein Unterſcheid ſeyn unter
den Steinen, die ſchmeltzen, und unter de-
nen, die zu Kalck werden. Der Unterſcheid
kan in nichts andern als in der Figur der
Theile geſucht werden, vermoͤge welcher
einige feſter zuſammen halten als andere,
die ſich leichter von einander verſchieben
laſſen. Worinnen dieſer Unterſcheid be-
ſtehe, verlange ich nicht zu beſtimmen. Die
Unterſuchung moͤchte uns zu lange aufhal-
ten, und wir doͤrfften vielleicht doch nicht
voͤllig zu Ende kommen. Wir ſehen uͤbri-
gens, daß Coͤrper weich ſeyn koͤnnen, weil
eine veraͤnderliche oder fremde Materie zwi-
ſchen ihre kleine Theile hinein dringet und
zwar nicht gaͤntzlich, doch in etwas von
einander abſondert, daß ſie einander nicht
ſo viel beruͤhren, als ſonſt geſchehen wuͤr-
de, wenn dieſelbige Materie weg waͤre.
Wie aber dieſe Materie eigentlich muͤſſe be-
ſchaffen ſeyn, laͤſſet ſich noch nicht beſtim-
men. Wenn man nun aber fraget, wo-
her es denn komme, daß einige Materien
nicht erſt weich werden, ehe ſie flieſſen;

ſo
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0130" n="94"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">Cap. III.</hi> Von dem Unter&#x017F;cheide</hi></fw><lb/>
da gleichwohl nicht alle Materien von der<lb/>
Wa&#x0364;rme weich werden, noch &#x017F;chmeltzen;<lb/>
&#x017F;o muß auch die Figur der kleinen Theile et-<lb/>
was dazu beytragen. Wir haben Steine,<lb/>
die flie&#x017F;&#x017F;en in gro&#x017F;&#x017F;er Hitze und la&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich in<lb/>
Glaß verwandeln: andere hingegen flie&#x017F;&#x017F;en<lb/>
nicht, &#x017F;ondern werden bloß zu einem Kalcke.<lb/>
Es muß demnach ein Unter&#x017F;cheid &#x017F;eyn unter<lb/>
den Steinen, die &#x017F;chmeltzen, und unter de-<lb/>
nen, die zu Kalck werden. Der Unter&#x017F;cheid<lb/>
kan in nichts andern als in der Figur der<lb/>
Theile ge&#x017F;ucht werden, vermo&#x0364;ge welcher<lb/>
einige fe&#x017F;ter zu&#x017F;ammen halten als andere,<lb/>
die &#x017F;ich leichter von einander ver&#x017F;chieben<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en. Worinnen die&#x017F;er Unter&#x017F;cheid be-<lb/>
&#x017F;tehe, verlange ich nicht zu be&#x017F;timmen. Die<lb/>
Unter&#x017F;uchung mo&#x0364;chte uns zu lange aufhal-<lb/>
ten, und wir do&#x0364;rfften vielleicht doch nicht<lb/>
vo&#x0364;llig zu Ende kommen. Wir &#x017F;ehen u&#x0364;bri-<lb/>
gens, daß Co&#x0364;rper weich &#x017F;eyn ko&#x0364;nnen, weil<lb/>
eine vera&#x0364;nderliche oder fremde Materie zwi-<lb/>
&#x017F;chen ihre kleine Theile hinein dringet und<lb/>
zwar nicht ga&#x0364;ntzlich, doch in etwas von<lb/>
einander ab&#x017F;ondert, daß &#x017F;ie einander nicht<lb/>
&#x017F;o viel beru&#x0364;hren, als &#x017F;on&#x017F;t ge&#x017F;chehen wu&#x0364;r-<lb/>
de, wenn die&#x017F;elbige Materie weg wa&#x0364;re.<lb/>
Wie aber die&#x017F;e Materie eigentlich mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e be-<lb/>
&#x017F;chaffen &#x017F;eyn, la&#x0364;&#x017F;&#x017F;et &#x017F;ich noch nicht be&#x017F;tim-<lb/>
men. Wenn man nun aber fraget, wo-<lb/>
her es denn komme, daß einige Materien<lb/>
nicht er&#x017F;t weich werden, ehe &#x017F;ie flie&#x017F;&#x017F;en;<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;o</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[94/0130] Cap. III. Von dem Unterſcheide da gleichwohl nicht alle Materien von der Waͤrme weich werden, noch ſchmeltzen; ſo muß auch die Figur der kleinen Theile et- was dazu beytragen. Wir haben Steine, die flieſſen in groſſer Hitze und laſſen ſich in Glaß verwandeln: andere hingegen flieſſen nicht, ſondern werden bloß zu einem Kalcke. Es muß demnach ein Unterſcheid ſeyn unter den Steinen, die ſchmeltzen, und unter de- nen, die zu Kalck werden. Der Unterſcheid kan in nichts andern als in der Figur der Theile geſucht werden, vermoͤge welcher einige feſter zuſammen halten als andere, die ſich leichter von einander verſchieben laſſen. Worinnen dieſer Unterſcheid be- ſtehe, verlange ich nicht zu beſtimmen. Die Unterſuchung moͤchte uns zu lange aufhal- ten, und wir doͤrfften vielleicht doch nicht voͤllig zu Ende kommen. Wir ſehen uͤbri- gens, daß Coͤrper weich ſeyn koͤnnen, weil eine veraͤnderliche oder fremde Materie zwi- ſchen ihre kleine Theile hinein dringet und zwar nicht gaͤntzlich, doch in etwas von einander abſondert, daß ſie einander nicht ſo viel beruͤhren, als ſonſt geſchehen wuͤr- de, wenn dieſelbige Materie weg waͤre. Wie aber dieſe Materie eigentlich muͤſſe be- ſchaffen ſeyn, laͤſſet ſich noch nicht beſtim- men. Wenn man nun aber fraget, wo- her es denn komme, daß einige Materien nicht erſt weich werden, ehe ſie flieſſen; ſo

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_naturwuerckungen_1723
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_naturwuerckungen_1723/130
Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken Von den Würckungen der Natur. Halle (Saale), 1723, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_naturwuerckungen_1723/130>, abgerufen am 28.04.2024.