Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721.Das 3. Cap. Von der darauf zu sehen, ob sie sich lieber mit gu-ten, als mit harten Worten; mehr mit Bedrohungen, als mit Schlägen ziehen lassen, und was dergleichen mehr ist. Wir finden es auch bey erwachsenen, daß man nichts ausrichtet, wenn man es auf die un- rechte Art angreiffet. Jedoch hat man hierbey auch wohl mit darauf acht zu ge- ben, daß die natürlichen Neigungen zum bösen dadurch nicht gestärcket werden. Z.E. Wer von Natur zur Wollust geneiget, dessen Neigung dazu wird gestärcket, wenn man ihm leckerhaffte Sachen giebet, wo- ferne er thut, was man haben will: hinge- gen brauchet man diese Neigung zu eben dem Ende, wenn man ihn darben lässet, oder auch unschmackhafftere Speise giebet, wenn er nicht thun will, was ihm befohlen wird. Es ist in der That hier mehr Be- hutsamkeit nöthig, als man vermeinen sol- te. Derowegen da es bey den meisten Menschen auf das Glück ankommet, wie sie äuferzogen werden; so ist kein Wun- der, daß auch viele und öffters die meisten nicht gerathen. Jngleichen da nicht alle einerley natürliche Neigungen haben; so kan es nicht seyn, daß alle Kinder gleich ge- rathen, wenn sie auf einerley Weise tracti- ret werden. Man mag entweder wieder die natürliche Neigung verfahren, oder sie zum Nachtheile des Guten stärcken; so ist eines
Das 3. Cap. Von der darauf zu ſehen, ob ſie ſich lieber mit gu-ten, als mit harten Worten; mehr mit Bedrohungen, als mit Schlaͤgen ziehen laſſen, und was dergleichen mehr iſt. Wir finden es auch bey erwachſenen, daß man nichts ausrichtet, wenn man es auf die un- rechte Art angreiffet. Jedoch hat man hierbey auch wohl mit darauf acht zu ge- ben, daß die natuͤrlichen Neigungen zum boͤſen dadurch nicht geſtaͤrcket werden. Z.E. Wer von Natur zur Wolluſt geneiget, deſſen Neigung dazu wird geſtaͤrcket, wenn man ihm leckerhaffte Sachen giebet, wo- ferne er thut, was man haben will: hinge- gen brauchet man dieſe Neigung zu eben dem Ende, wenn man ihn darben laͤſſet, oder auch unſchmackhafftere Speiſe giebet, wenn er nicht thun will, was ihm befohlen wird. Es iſt in der That hier mehr Be- hutſamkeit noͤthig, als man vermeinen ſol- te. Derowegen da es bey den meiſten Menſchen auf das Gluͤck ankommet, wie ſie aͤuferzogen werden; ſo iſt kein Wun- der, daß auch viele und oͤffters die meiſten nicht gerathen. Jngleichen da nicht alle einerley natuͤrliche Neigungen haben; ſo kan es nicht ſeyn, daß alle Kinder gleich ge- rathen, wenn ſie auf einerley Weiſe tracti- ret werden. Man mag entweder wieder die natuͤrliche Neigung verfahren, oder ſie zum Nachtheile des Guten ſtaͤrcken; ſo iſt eines
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Das 3. Cap. Von der
darauf zu ſehen, ob ſie ſich lieber mit gu-
ten, als mit harten Worten; mehr mit
Bedrohungen, als mit Schlaͤgen ziehen
laſſen, und was dergleichen mehr iſt. Wir
finden es auch bey erwachſenen, daß man
nichts ausrichtet, wenn man es auf die un-
rechte Art angreiffet. Jedoch hat man
hierbey auch wohl mit darauf acht zu ge-
ben, daß die natuͤrlichen Neigungen zum
boͤſen dadurch nicht geſtaͤrcket werden. Z.E.
Wer von Natur zur Wolluſt geneiget,
deſſen Neigung dazu wird geſtaͤrcket, wenn
man ihm leckerhaffte Sachen giebet, wo-
ferne er thut, was man haben will: hinge-
gen brauchet man dieſe Neigung zu eben
dem Ende, wenn man ihn darben laͤſſet,
oder auch unſchmackhafftere Speiſe giebet,
wenn er nicht thun will, was ihm befohlen
wird. Es iſt in der That hier mehr Be-
hutſamkeit noͤthig, als man vermeinen ſol-
te. Derowegen da es bey den meiſten
Menſchen auf das Gluͤck ankommet, wie
ſie aͤuferzogen werden; ſo iſt kein Wun-
der, daß auch viele und oͤffters die meiſten
nicht gerathen. Jngleichen da nicht alle
einerley natuͤrliche Neigungen haben; ſo
kan es nicht ſeyn, daß alle Kinder gleich ge-
rathen, wenn ſie auf einerley Weiſe tracti-
ret werden. Man mag entweder wieder
die natuͤrliche Neigung verfahren, oder ſie
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