Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721.der hohen Landes-Obrigkeit. geführet worden, warumb man ausser dennatürlichen noch bürgerliche Gesetze geben muß. Weil auch die bürgerlichen Gesetze sich nach und nach verbessern lassen (§. 412), so muß die hohe Obrigkeit auf diese Ver- besserung allezeit ein wachsames Auge ha- ben, woferne sie ihre Gewalt Gesetze zuge- ben wohl gebrauchen, folgends wohl regie- ren wil (§. 467). Mit einem Worte, sie muß alles sorgfältig beobachten, was oben (c. 4.) von den bürgerlichen Gesetzen aus- geführet worden. Und weil die Gesetze oh- ne Verbindlichkeit nicht bestehen können, in vielen Fällen aber die Verbindlichkeit durch die Straffen aufgerichtet wird (§. 341.); so muß er auch die Gesetze mit ge- nungsamen Straffen versehen und sie nach Beschaffenheit der Zeiten ändern (§. 412). Allein da die Straffen bloß dahin gehen: daß man von Ubertrettung des Gesetzes ab- gehalten wird (§. 355.); so muß sie für allen Dingen darauf sehen, daß sie in Bestraf- fung der Verbrechen nicht einige Rachgier blicken lasse, oder auch sonst einen Haß ge- gen den Verbrecher, indem dadurch die Unterthanen Anlaß nehmen sie als grausam anzusehen (§. 877. Mor.), welches die Liebe gegen sie in ihren Gemüthern auslöschet. Es ist absonderlich viel daran gelegen, daß man über Gesetzen feste hält (§. 409) und die darauf gesetzten Straffen an den Ver- bre- J i 5
der hohen Landes-Obrigkeit. gefuͤhret worden, warumb man auſſer dennatuͤrlichen noch buͤrgerliche Geſetze geben muß. Weil auch die buͤrgerlichen Geſetze ſich nach und nach verbeſſern laſſen (§. 412), ſo muß die hohe Obrigkeit auf dieſe Ver- beſſerung allezeit ein wachſames Auge ha- ben, woferne ſie ihre Gewalt Geſetze zuge- ben wohl gebrauchen, folgends wohl regie- ren wil (§. 467). Mit einem Worte, ſie muß alles ſorgfaͤltig beobachten, was oben (c. 4.) von den buͤrgerlichen Geſetzen aus- gefuͤhret worden. Und weil die Geſetze oh- ne Verbindlichkeit nicht beſtehen koͤnnen, in vielen Faͤllen aber die Verbindlichkeit durch die Straffen aufgerichtet wird (§. 341.); ſo muß er auch die Geſetze mit ge- nungſamen Straffen verſehen und ſie nach Beſchaffenheit der Zeiten aͤndern (§. 412). Allein da die Straffen bloß dahin gehen: daß man von Ubertrettung des Geſetzes ab- gehalten wird (§. 355.); ſo muß ſie fuͤr allen Dingen darauf ſehen, daß ſie in Beſtraf- fung der Verbrechen nicht einige Rachgier blicken laſſe, oder auch ſonſt einen Haß ge- gen den Verbrecher, indem dadurch die Unterthanen Anlaß nehmen ſie als grauſam anzuſehen (§. 877. Mor.), welches die Liebe gegen ſie in ihren Gemuͤthern ausloͤſchet. Es iſt abſonderlich viel daran gelegen, daß man uͤber Geſetzen feſte haͤlt (§. 409) und die darauf geſetzten Straffen an den Ver- bre- J i 5
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der hohen Landes-Obrigkeit.
gefuͤhret worden, warumb man auſſer den
natuͤrlichen noch buͤrgerliche Geſetze geben
muß. Weil auch die buͤrgerlichen Geſetze
ſich nach und nach verbeſſern laſſen (§. 412),
ſo muß die hohe Obrigkeit auf dieſe Ver-
beſſerung allezeit ein wachſames Auge ha-
ben, woferne ſie ihre Gewalt Geſetze zuge-
ben wohl gebrauchen, folgends wohl regie-
ren wil (§. 467). Mit einem Worte, ſie
muß alles ſorgfaͤltig beobachten, was oben
(c. 4.) von den buͤrgerlichen Geſetzen aus-
gefuͤhret worden. Und weil die Geſetze oh-
ne Verbindlichkeit nicht beſtehen koͤnnen,
in vielen Faͤllen aber die Verbindlichkeit
durch die Straffen aufgerichtet wird (§.
341.); ſo muß er auch die Geſetze mit ge-
nungſamen Straffen verſehen und ſie nach
Beſchaffenheit der Zeiten aͤndern (§. 412).
Allein da die Straffen bloß dahin gehen:
daß man von Ubertrettung des Geſetzes ab-
gehalten wird (§. 355.); ſo muß ſie fuͤr allen
Dingen darauf ſehen, daß ſie in Beſtraf-
fung der Verbrechen nicht einige Rachgier
blicken laſſe, oder auch ſonſt einen Haß ge-
gen den Verbrecher, indem dadurch die
Unterthanen Anlaß nehmen ſie als grauſam
anzuſehen (§. 877. Mor.), welches die Liebe
gegen ſie in ihren Gemuͤthern ausloͤſchet.
Es iſt abſonderlich viel daran gelegen, daß
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