Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721.

Bild:
<< vorherige Seite

Cap. 6. Von der Regierung
ben und daher mehrere Uberlegung erfor-
dern. Aus diesem allem erhellet, daß man
sich in Beurtheilung der Regierung nicht
übereilen muß, absonderlich da noch dieser
Umbstand dazu kommet, daß wir die Ur-
sachen nicht allzeit wissen, warumb eine
hohe Obrigkeit dieses und jenes verordnet
oder gethan, und öffters es selbst würde
gethan haben, wenn wir in ihrer Stelle
gewesen wären und die Sache so wie sie
eingesehen hätten. Man hat sich aber für
dergleichen Urtheilen umb so viel mehr in
acht zu nehmen, weil man ohne Noth die
Gemüther der Unterthanen wieder die O-
brigkeit erbittert, wenn man ihre Regie-
rung tadelt und für gefährlich ausschreyet.

Was bey
dem Ge-
setzgeben
zu thun
ist.
§. 468.

Da nun die Obrigkeit Vermö-
ge ihrer Gewalt zu befehlen hat, was die
Unterthanen thun und lassen sollen (§. 435)
die Handlungen der Unterthanen aber
durch die Bürgerliche Gesetze determini-
r
et werden (§. 401); so hat sie für allen
Dingen hinlängliche Gesetze zugeben, und
wo sie findet, daß es noch an Gesetze feh-
let, diesem Mangel durch neue Gesetze ab-
zuhelffen. Wollte man fragen, woraus
man erkenne, ob die Gesetze, die bereits
vorhanden, hinlänglich sind, oder ob es
noch an einigen fehle; so darf man an stat
der Antwort nur dasjenige nachlesen, was
von den Ursachen umbständlich (§. 401) an-

ge-

Cap. 6. Von der Regierung
ben und daher mehrere Uberlegung erfor-
dern. Aus dieſem allem erhellet, daß man
ſich in Beurtheilung der Regierung nicht
uͤbereilen muß, abſonderlich da noch dieſer
Umbſtand dazu kommet, daß wir die Ur-
ſachen nicht allzeit wiſſen, warumb eine
hohe Obrigkeit dieſes und jenes verordnet
oder gethan, und oͤffters es ſelbſt wuͤrde
gethan haben, wenn wir in ihrer Stelle
geweſen waͤren und die Sache ſo wie ſie
eingeſehen haͤtten. Man hat ſich aber fuͤr
dergleichen Urtheilen umb ſo viel mehr in
acht zu nehmen, weil man ohne Noth die
Gemuͤther der Unterthanen wieder die O-
brigkeit erbittert, wenn man ihre Regie-
rung tadelt und fuͤr gefaͤhrlich ausſchreyet.

Was bey
dem Ge-
ſetzgeben
zu thun
iſt.
§. 468.

Da nun die Obrigkeit Vermoͤ-
ge ihrer Gewalt zu befehlen hat, was die
Unterthanen thun und laſſen ſollen (§. 435)
die Handlungen der Unterthanen aber
durch die Buͤrgerliche Geſetze determini-
r
et werden (§. 401); ſo hat ſie fuͤr allen
Dingen hinlaͤngliche Geſetze zugeben, und
wo ſie findet, daß es noch an Geſetze feh-
let, dieſem Mangel durch neue Geſetze ab-
zuhelffen. Wollte man fragen, woraus
man erkenne, ob die Geſetze, die bereits
vorhanden, hinlaͤnglich ſind, oder ob es
noch an einigen fehle; ſo darf man an ſtat
der Antwort nur dasjenige nachleſen, was
von den Urſachen umbſtaͤndlich (§. 401) an-

ge-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0522" n="504"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Cap. 6. Von der Regierung</hi></fw><lb/>
ben und daher mehrere Uberlegung erfor-<lb/>
dern. Aus die&#x017F;em allem erhellet, daß man<lb/>
&#x017F;ich in Beurtheilung der Regierung nicht<lb/>
u&#x0364;bereilen muß, ab&#x017F;onderlich da noch die&#x017F;er<lb/>
Umb&#x017F;tand dazu kommet, daß wir die Ur-<lb/>
&#x017F;achen nicht allzeit wi&#x017F;&#x017F;en, warumb eine<lb/>
hohe Obrigkeit die&#x017F;es und jenes verordnet<lb/>
oder gethan, und o&#x0364;ffters es &#x017F;elb&#x017F;t wu&#x0364;rde<lb/>
gethan haben, wenn wir in ihrer Stelle<lb/>
gewe&#x017F;en wa&#x0364;ren und die Sache &#x017F;o wie &#x017F;ie<lb/>
einge&#x017F;ehen ha&#x0364;tten. Man hat &#x017F;ich aber fu&#x0364;r<lb/>
dergleichen Urtheilen umb &#x017F;o viel mehr in<lb/>
acht zu nehmen, weil man ohne Noth die<lb/>
Gemu&#x0364;ther der Unterthanen wieder die O-<lb/>
brigkeit erbittert, wenn man ihre Regie-<lb/>
rung tadelt und fu&#x0364;r gefa&#x0364;hrlich aus&#x017F;chreyet.</p><lb/>
              <note place="left">Was bey<lb/>
dem Ge-<lb/>
&#x017F;etzgeben<lb/>
zu thun<lb/>
i&#x017F;t.</note>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>§. 468.</head>
              <p>Da nun die Obrigkeit Vermo&#x0364;-<lb/>
ge ihrer Gewalt zu befehlen hat, was die<lb/>
Unterthanen thun und la&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ollen (§. 435)<lb/>
die Handlungen der Unterthanen aber<lb/>
durch die Bu&#x0364;rgerliche Ge&#x017F;etze <hi rendition="#aq">determini-<lb/>
r</hi>et werden (§. 401); &#x017F;o hat &#x017F;ie fu&#x0364;r allen<lb/>
Dingen hinla&#x0364;ngliche Ge&#x017F;etze zugeben, und<lb/>
wo &#x017F;ie findet, daß es noch an Ge&#x017F;etze feh-<lb/>
let, die&#x017F;em Mangel durch neue Ge&#x017F;etze ab-<lb/>
zuhelffen. Wollte man fragen, woraus<lb/>
man erkenne, ob die Ge&#x017F;etze, die bereits<lb/>
vorhanden, hinla&#x0364;nglich &#x017F;ind, oder ob es<lb/>
noch an einigen fehle; &#x017F;o darf man an &#x017F;tat<lb/>
der Antwort nur dasjenige nachle&#x017F;en, was<lb/>
von den Ur&#x017F;achen umb&#x017F;ta&#x0364;ndlich (§. 401) an-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ge-</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[504/0522] Cap. 6. Von der Regierung ben und daher mehrere Uberlegung erfor- dern. Aus dieſem allem erhellet, daß man ſich in Beurtheilung der Regierung nicht uͤbereilen muß, abſonderlich da noch dieſer Umbſtand dazu kommet, daß wir die Ur- ſachen nicht allzeit wiſſen, warumb eine hohe Obrigkeit dieſes und jenes verordnet oder gethan, und oͤffters es ſelbſt wuͤrde gethan haben, wenn wir in ihrer Stelle geweſen waͤren und die Sache ſo wie ſie eingeſehen haͤtten. Man hat ſich aber fuͤr dergleichen Urtheilen umb ſo viel mehr in acht zu nehmen, weil man ohne Noth die Gemuͤther der Unterthanen wieder die O- brigkeit erbittert, wenn man ihre Regie- rung tadelt und fuͤr gefaͤhrlich ausſchreyet. §. 468.Da nun die Obrigkeit Vermoͤ- ge ihrer Gewalt zu befehlen hat, was die Unterthanen thun und laſſen ſollen (§. 435) die Handlungen der Unterthanen aber durch die Buͤrgerliche Geſetze determini- ret werden (§. 401); ſo hat ſie fuͤr allen Dingen hinlaͤngliche Geſetze zugeben, und wo ſie findet, daß es noch an Geſetze feh- let, dieſem Mangel durch neue Geſetze ab- zuhelffen. Wollte man fragen, woraus man erkenne, ob die Geſetze, die bereits vorhanden, hinlaͤnglich ſind, oder ob es noch an einigen fehle; ſo darf man an ſtat der Antwort nur dasjenige nachleſen, was von den Urſachen umbſtaͤndlich (§. 401) an- ge-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_gesellschaftlichesleben_1721
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_gesellschaftlichesleben_1721/522
Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721, S. 504. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_gesellschaftlichesleben_1721/522>, abgerufen am 01.09.2024.