ben und daher mehrere Uberlegung erfor- dern. Aus diesem allem erhellet, daß man sich in Beurtheilung der Regierung nicht übereilen muß, absonderlich da noch dieser Umbstand dazu kommet, daß wir die Ur- sachen nicht allzeit wissen, warumb eine hohe Obrigkeit dieses und jenes verordnet oder gethan, und öffters es selbst würde gethan haben, wenn wir in ihrer Stelle gewesen wären und die Sache so wie sie eingesehen hätten. Man hat sich aber für dergleichen Urtheilen umb so viel mehr in acht zu nehmen, weil man ohne Noth die Gemüther der Unterthanen wieder die O- brigkeit erbittert, wenn man ihre Regie- rung tadelt und für gefährlich ausschreyet.
Was bey dem Ge- setzgeben zu thun ist.
§. 468.
Da nun die Obrigkeit Vermö- ge ihrer Gewalt zu befehlen hat, was die Unterthanen thun und lassen sollen (§. 435) die Handlungen der Unterthanen aber durch die Bürgerliche Gesetze determini- ret werden (§. 401); so hat sie für allen Dingen hinlängliche Gesetze zugeben, und wo sie findet, daß es noch an Gesetze feh- let, diesem Mangel durch neue Gesetze ab- zuhelffen. Wollte man fragen, woraus man erkenne, ob die Gesetze, die bereits vorhanden, hinlänglich sind, oder ob es noch an einigen fehle; so darf man an stat der Antwort nur dasjenige nachlesen, was von den Ursachen umbständlich (§. 401) an-
ge-
Cap. 6. Von der Regierung
ben und daher mehrere Uberlegung erfor- dern. Aus dieſem allem erhellet, daß man ſich in Beurtheilung der Regierung nicht uͤbereilen muß, abſonderlich da noch dieſer Umbſtand dazu kommet, daß wir die Ur- ſachen nicht allzeit wiſſen, warumb eine hohe Obrigkeit dieſes und jenes verordnet oder gethan, und oͤffters es ſelbſt wuͤrde gethan haben, wenn wir in ihrer Stelle geweſen waͤren und die Sache ſo wie ſie eingeſehen haͤtten. Man hat ſich aber fuͤr dergleichen Urtheilen umb ſo viel mehr in acht zu nehmen, weil man ohne Noth die Gemuͤther der Unterthanen wieder die O- brigkeit erbittert, wenn man ihre Regie- rung tadelt und fuͤr gefaͤhrlich ausſchreyet.
Was bey dem Ge- ſetzgeben zu thun iſt.
§. 468.
Da nun die Obrigkeit Vermoͤ- ge ihrer Gewalt zu befehlen hat, was die Unterthanen thun und laſſen ſollen (§. 435) die Handlungen der Unterthanen aber durch die Buͤrgerliche Geſetze determini- ret werden (§. 401); ſo hat ſie fuͤr allen Dingen hinlaͤngliche Geſetze zugeben, und wo ſie findet, daß es noch an Geſetze feh- let, dieſem Mangel durch neue Geſetze ab- zuhelffen. Wollte man fragen, woraus man erkenne, ob die Geſetze, die bereits vorhanden, hinlaͤnglich ſind, oder ob es noch an einigen fehle; ſo darf man an ſtat der Antwort nur dasjenige nachleſen, was von den Urſachen umbſtaͤndlich (§. 401) an-
ge-
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Cap. 6. Von der Regierung
ben und daher mehrere Uberlegung erfor-
dern. Aus dieſem allem erhellet, daß man
ſich in Beurtheilung der Regierung nicht
uͤbereilen muß, abſonderlich da noch dieſer
Umbſtand dazu kommet, daß wir die Ur-
ſachen nicht allzeit wiſſen, warumb eine
hohe Obrigkeit dieſes und jenes verordnet
oder gethan, und oͤffters es ſelbſt wuͤrde
gethan haben, wenn wir in ihrer Stelle
geweſen waͤren und die Sache ſo wie ſie
eingeſehen haͤtten. Man hat ſich aber fuͤr
dergleichen Urtheilen umb ſo viel mehr in
acht zu nehmen, weil man ohne Noth die
Gemuͤther der Unterthanen wieder die O-
brigkeit erbittert, wenn man ihre Regie-
rung tadelt und fuͤr gefaͤhrlich ausſchreyet.
§. 468.Da nun die Obrigkeit Vermoͤ-
ge ihrer Gewalt zu befehlen hat, was die
Unterthanen thun und laſſen ſollen (§. 435)
die Handlungen der Unterthanen aber
durch die Buͤrgerliche Geſetze determini-
ret werden (§. 401); ſo hat ſie fuͤr allen
Dingen hinlaͤngliche Geſetze zugeben, und
wo ſie findet, daß es noch an Geſetze feh-
let, dieſem Mangel durch neue Geſetze ab-
zuhelffen. Wollte man fragen, woraus
man erkenne, ob die Geſetze, die bereits
vorhanden, hinlaͤnglich ſind, oder ob es
noch an einigen fehle; ſo darf man an ſtat
der Antwort nur dasjenige nachleſen, was
von den Urſachen umbſtaͤndlich (§. 401) an-
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Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721, S. 504. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_gesellschaftlichesleben_1721/522>, abgerufen am 25.11.2024.
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