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Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721.

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der hohen Landes-Obrigkeit.
nach die hohe Obrigkeit alles befiehlet und
sonst veranstaltet, wodurch die gemeine
Wohlfahrt und Sicherheit befördert wird;
hingegen hintertreibet, was ihr einiger mas-
sen nachtheilig ist, so viel beydes in ihrem
Vermögen stehet: so regieret sie wohl und
kan niemand mit Grunde der Wahrheit
ihre Regierung tadeln. Hingegen wenn
sie befiehlet und sonst veranstaltet, wo-
durch die gemeine Wohlfahrt unterdrucket
und die Sicherheit gestöhret wird; so re-
gieret sie übel. Unterdessen wie man nie-
manden zu rechnen kan, was in seinem
Vermögen stehet; also kan man auch einer
Obrigkeit nicht übel deuten, wenn in sol-
chen Dingen etwas wiedriges geschiehet,
wo dieses zu verhüten nicht in ihrem Ver-
mögen gestanden. Wie Unwissenheit un-
terweilen einen jeden Menschen entschuldi-
get (§. 264. Mor.); so muß sie auch in eben
diesem Falle Obrigkeiten entschuldigen.
Und wie wir nicht alle Ubereilungen ei-
nem Menschen in seinen besonderen Ge-
schäfften gleich übel deuten können: so läs-
set sich dergleichen am wenigsten bey O-
brigkeiten thun, wo zu Ubereilungen mehr
Ursachen vorhanden, als bey andern Per-
sonen, theils weil sie mit vielen Geschäff-
ten auf einmahl überhäuffet werden, theils
weil die Regierungs-Geschäffte meisten-
theils ein weiteres Aussehen als andere ha-

ben
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der hohen Landes-Obrigkeit.
nach die hohe Obrigkeit alles befiehlet und
ſonſt veranſtaltet, wodurch die gemeine
Wohlfahrt und Sicherheit befoͤrdert wird;
hingegen hintertreibet, was ihr einiger maſ-
ſen nachtheilig iſt, ſo viel beydes in ihrem
Vermoͤgen ſtehet: ſo regieret ſie wohl und
kan niemand mit Grunde der Wahrheit
ihre Regierung tadeln. Hingegen wenn
ſie befiehlet und ſonſt veranſtaltet, wo-
durch die gemeine Wohlfahrt unterdrucket
und die Sicherheit geſtoͤhret wird; ſo re-
gieret ſie uͤbel. Unterdeſſen wie man nie-
manden zu rechnen kan, was in ſeinem
Vermoͤgen ſtehet; alſo kan man auch einer
Obrigkeit nicht uͤbel deuten, wenn in ſol-
chen Dingen etwas wiedriges geſchiehet,
wo dieſes zu verhuͤten nicht in ihrem Ver-
moͤgen geſtanden. Wie Unwiſſenheit un-
terweilen einen jeden Menſchen entſchuldi-
get (§. 264. Mor.); ſo muß ſie auch in eben
dieſem Falle Obrigkeiten entſchuldigen.
Und wie wir nicht alle Ubereilungen ei-
nem Menſchen in ſeinen beſonderen Ge-
ſchaͤfften gleich uͤbel deuten koͤnnen: ſo laͤſ-
ſet ſich dergleichen am wenigſten bey O-
brigkeiten thun, wo zu Ubereilungen mehr
Urſachen vorhanden, als bey andern Per-
ſonen, theils weil ſie mit vielen Geſchaͤff-
ten auf einmahl uͤberhaͤuffet werden, theils
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theils ein weiteres Ausſehen als andere ha-

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[503/0521] der hohen Landes-Obrigkeit. nach die hohe Obrigkeit alles befiehlet und ſonſt veranſtaltet, wodurch die gemeine Wohlfahrt und Sicherheit befoͤrdert wird; hingegen hintertreibet, was ihr einiger maſ- ſen nachtheilig iſt, ſo viel beydes in ihrem Vermoͤgen ſtehet: ſo regieret ſie wohl und kan niemand mit Grunde der Wahrheit ihre Regierung tadeln. Hingegen wenn ſie befiehlet und ſonſt veranſtaltet, wo- durch die gemeine Wohlfahrt unterdrucket und die Sicherheit geſtoͤhret wird; ſo re- gieret ſie uͤbel. Unterdeſſen wie man nie- manden zu rechnen kan, was in ſeinem Vermoͤgen ſtehet; alſo kan man auch einer Obrigkeit nicht uͤbel deuten, wenn in ſol- chen Dingen etwas wiedriges geſchiehet, wo dieſes zu verhuͤten nicht in ihrem Ver- moͤgen geſtanden. Wie Unwiſſenheit un- terweilen einen jeden Menſchen entſchuldi- get (§. 264. Mor.); ſo muß ſie auch in eben dieſem Falle Obrigkeiten entſchuldigen. Und wie wir nicht alle Ubereilungen ei- nem Menſchen in ſeinen beſonderen Ge- ſchaͤfften gleich uͤbel deuten koͤnnen: ſo laͤſ- ſet ſich dergleichen am wenigſten bey O- brigkeiten thun, wo zu Ubereilungen mehr Urſachen vorhanden, als bey andern Per- ſonen, theils weil ſie mit vielen Geſchaͤff- ten auf einmahl uͤberhaͤuffet werden, theils weil die Regierungs-Geſchaͤffte meiſten- theils ein weiteres Ausſehen als andere ha- ben J i 4

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Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721, S. 503. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_gesellschaftlichesleben_1721/521>, abgerufen am 27.06.2024.