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Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721.

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Cap. 5. Von der Macht
was die Unterthanen thun und laßen sollen
und alles zu thun, was zu Beförderung der
gemeinen Wohlfahrt und Sicherheit dien-
lich erfunden wird (§. 435). Wenn nun
jemand wieder diese Freyheit zu befehlen
und wieder ihre Anstalten etwas unterneh-
men wollte, dadurch er zu verstehen gä-
be, daß er sich an dieselbe nicht kehrete, o-
der auch ihr dieselbe nicht zugestünde, als
wenn er das öffentliche angeschlagene Edict
herunter risse und zerrisse, der handelte wie-
der die Gewalt des Landes-Herren und
beleidigte solcher Gestalt seine Majestät (§.
461). Dieweil hierdurch ein gefährliches
Exempel andern gegeben wird, so wird
auch dadurch Schaden im gemeinen We-
sen gestifftet, indem auf solche Weise nichts
könte zu stande gebracht werden, was die
gemeine Wohlfahrt und Sicherheit erfor-
dert, woferne man die Gewalt der hohen
Landes-Obrigkeit so freventlich beschimpf-
fen ließe. Nun ist aber das Exempel gefähr-
licher, je grösser die Verwegenheit desjeni-
gen befunden wird, der den Frevel ausü-
bet, und also sind verschiedene Grade die-
ses Verbrechens (§. 462). Z. E. Wenn
einer das Edict nicht bloß abreisset, son-
dern auch in kleine Stücke zerreisset; der
begehet mehr Frevel als der andere, der
es bloß herunter risse. Wer das Edict
nicht bloß abreißet und in Stücken zerreis-

set,

Cap. 5. Von der Macht
was die Unterthanen thun und laßen ſollen
und alles zu thun, was zu Befoͤrderung der
gemeinen Wohlfahrt und Sicherheit dien-
lich erfunden wird (§. 435). Wenn nun
jemand wieder dieſe Freyheit zu befehlen
und wieder ihre Anſtalten etwas unterneh-
men wollte, dadurch er zu verſtehen gaͤ-
be, daß er ſich an dieſelbe nicht kehrete, o-
der auch ihr dieſelbe nicht zugeſtuͤnde, als
wenn er das oͤffentliche angeſchlagene Edict
herunter riſſe und zerriſſe, der handelte wie-
der die Gewalt des Landes-Herren und
beleidigte ſolcher Geſtalt ſeine Majeſtaͤt (§.
461). Dieweil hierdurch ein gefaͤhrliches
Exempel andern gegeben wird, ſo wird
auch dadurch Schaden im gemeinen We-
ſen geſtifftet, indem auf ſolche Weiſe nichts
koͤnte zu ſtande gebracht werden, was die
gemeine Wohlfahrt und Sicherheit erfor-
dert, woferne man die Gewalt der hohen
Landes-Obrigkeit ſo freventlich beſchimpf-
fen ließe. Nun iſt aber das Exempel gefaͤhr-
licher, je groͤſſer die Verwegenheit desjeni-
gen befunden wird, der den Frevel ausuͤ-
bet, und alſo ſind verſchiedene Grade die-
ſes Verbrechens (§. 462). Z. E. Wenn
einer das Edict nicht bloß abreiſſet, ſon-
dern auch in kleine Stuͤcke zerreiſſet; der
begehet mehr Frevel als der andere, der
es bloß herunter riſſe. Wer das Edict
nicht bloß abreißet und in Stuͤcken zerreiſ-

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[492/0510] Cap. 5. Von der Macht was die Unterthanen thun und laßen ſollen und alles zu thun, was zu Befoͤrderung der gemeinen Wohlfahrt und Sicherheit dien- lich erfunden wird (§. 435). Wenn nun jemand wieder dieſe Freyheit zu befehlen und wieder ihre Anſtalten etwas unterneh- men wollte, dadurch er zu verſtehen gaͤ- be, daß er ſich an dieſelbe nicht kehrete, o- der auch ihr dieſelbe nicht zugeſtuͤnde, als wenn er das oͤffentliche angeſchlagene Edict herunter riſſe und zerriſſe, der handelte wie- der die Gewalt des Landes-Herren und beleidigte ſolcher Geſtalt ſeine Majeſtaͤt (§. 461). Dieweil hierdurch ein gefaͤhrliches Exempel andern gegeben wird, ſo wird auch dadurch Schaden im gemeinen We- ſen geſtifftet, indem auf ſolche Weiſe nichts koͤnte zu ſtande gebracht werden, was die gemeine Wohlfahrt und Sicherheit erfor- dert, woferne man die Gewalt der hohen Landes-Obrigkeit ſo freventlich beſchimpf- fen ließe. Nun iſt aber das Exempel gefaͤhr- licher, je groͤſſer die Verwegenheit desjeni- gen befunden wird, der den Frevel ausuͤ- bet, und alſo ſind verſchiedene Grade die- ſes Verbrechens (§. 462). Z. E. Wenn einer das Edict nicht bloß abreiſſet, ſon- dern auch in kleine Stuͤcke zerreiſſet; der begehet mehr Frevel als der andere, der es bloß herunter riſſe. Wer das Edict nicht bloß abreißet und in Stuͤcken zerreiſ- ſet,

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Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721, S. 492. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_gesellschaftlichesleben_1721/510>, abgerufen am 01.09.2024.