Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721.

Bild:
<< vorherige Seite

und Gewalt der Obrigkeit.
nach theiliges für die gemeine Wohlfahrtbrigkeit
vergerin-
gert.

und Sicherheit erfolgen kan (§. 202), und
also ist ihr diese Verfassung in keinem
Stücke zuwieder. GOTT, der höchste
Monarche, der die allerhöchste Macht und
Gewalt hat (§. 1025. Met.), handelt nicht
bloß nach seiner Allmacht (§. 1023. Met.),
sondern auch nach seiner Weisheit (§. 1041.
Met.) und die Weisheit setzet seiner All-
macht freywillig Schrancken, daß er nicht
thun will, was er nicht für gut befindet,
ob er es gleich thun könnte. Wie nun
ihm dieses nicht zum Nachtheile, sondern
vielmehr zu seinem grossen Ruhme gerei-
chet, daß er nicht thut, was er kan, sondern
was seiner Weisheit gemäß ist; also kan
auch dieses keiner hohen Obrigkeit zum
Nachtheil gereichen, daß ihre Macht und
Gewalt durch die Weisheit eingeschrän-
cket wird, damit die gemeine Wohlfahrt,
die sie einzig und allein für Augen hat, am
wenigsten Gefahr lauffet. Vielmehr ist
dieses ein Mittel ihr Ansehen bey den Un-
terthanen zu erhalten, indem sie in wie-
drigen Fällen, da sie nicht können gescho-
net werden, die Schuld nicht auf sich ha-
ben, sondern vielmehr auf denen ruhen
lassen, die mit einwilligen müssen. Z. E.
Wenn außerordentliche Auflagen gemacht
werden, sind insgemein die Unterthanen
sehr empfindlich darüber. Thut es die

Lan-

und Gewalt der Obrigkeit.
nach theiliges fuͤr die gemeine Wohlfahrtbrigkeit
vergerin-
gert.

und Sicherheit erfolgen kan (§. 202), und
alſo iſt ihr dieſe Verfaſſung in keinem
Stuͤcke zuwieder. GOTT, der hoͤchſte
Monarche, der die allerhoͤchſte Macht und
Gewalt hat (§. 1025. Met.), handelt nicht
bloß nach ſeiner Allmacht (§. 1023. Met.),
ſondern auch nach ſeiner Weisheit (§. 1041.
Met.) und die Weisheit ſetzet ſeiner All-
macht freywillig Schrancken, daß er nicht
thun will, was er nicht fuͤr gut befindet,
ob er es gleich thun koͤnnte. Wie nun
ihm dieſes nicht zum Nachtheile, ſondern
vielmehr zu ſeinem groſſen Ruhme gerei-
chet, daß er nicht thut, was er kan, ſondern
was ſeiner Weisheit gemaͤß iſt; alſo kan
auch dieſes keiner hohen Obrigkeit zum
Nachtheil gereichen, daß ihre Macht und
Gewalt durch die Weisheit eingeſchraͤn-
cket wird, damit die gemeine Wohlfahrt,
die ſie einzig und allein fuͤr Augen hat, am
wenigſten Gefahr lauffet. Vielmehr iſt
dieſes ein Mittel ihr Anſehen bey den Un-
terthanen zu erhalten, indem ſie in wie-
drigen Faͤllen, da ſie nicht koͤnnen geſcho-
net werden, die Schuld nicht auf ſich ha-
ben, ſondern vielmehr auf denen ruhen
laſſen, die mit einwilligen muͤſſen. Z. E.
Wenn außerordentliche Auflagen gemacht
werden, ſind insgemein die Unterthanen
ſehr empfindlich daruͤber. Thut es die

Lan-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0495" n="477"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">und Gewalt der Obrigkeit.</hi></fw><lb/>
nach theiliges fu&#x0364;r die gemeine Wohlfahrt<note xml:id="b475" prev="#a475" place="right">brigkeit<lb/>
vergerin-<lb/>
gert.</note><lb/>
und Sicherheit erfolgen kan (§. 202), und<lb/>
al&#x017F;o i&#x017F;t ihr die&#x017F;e Verfa&#x017F;&#x017F;ung in keinem<lb/>
Stu&#x0364;cke zuwieder. GOTT, der ho&#x0364;ch&#x017F;te<lb/>
Monarche, der die allerho&#x0364;ch&#x017F;te Macht und<lb/>
Gewalt hat (§. 1025. <hi rendition="#aq">Met.</hi>), handelt nicht<lb/>
bloß nach &#x017F;einer Allmacht (§. 1023. <hi rendition="#aq">Met.</hi>),<lb/>
&#x017F;ondern auch nach &#x017F;einer Weisheit (§. 1041.<lb/><hi rendition="#aq">Met.</hi>) und die Weisheit &#x017F;etzet &#x017F;einer All-<lb/>
macht freywillig Schrancken, daß er nicht<lb/>
thun will, was er nicht fu&#x0364;r gut befindet,<lb/>
ob er es gleich thun ko&#x0364;nnte. Wie nun<lb/>
ihm die&#x017F;es nicht zum Nachtheile, &#x017F;ondern<lb/>
vielmehr zu &#x017F;einem gro&#x017F;&#x017F;en Ruhme gerei-<lb/>
chet, daß er nicht thut, was er kan, &#x017F;ondern<lb/>
was &#x017F;einer Weisheit gema&#x0364;ß i&#x017F;t; al&#x017F;o kan<lb/>
auch die&#x017F;es keiner hohen Obrigkeit zum<lb/>
Nachtheil gereichen, daß ihre Macht und<lb/>
Gewalt durch die Weisheit einge&#x017F;chra&#x0364;n-<lb/>
cket wird, damit die gemeine Wohlfahrt,<lb/>
die &#x017F;ie einzig und allein fu&#x0364;r Augen hat, am<lb/>
wenig&#x017F;ten Gefahr lauffet. Vielmehr i&#x017F;t<lb/>
die&#x017F;es ein Mittel ihr An&#x017F;ehen bey den Un-<lb/>
terthanen zu erhalten, indem &#x017F;ie in wie-<lb/>
drigen Fa&#x0364;llen, da &#x017F;ie nicht ko&#x0364;nnen ge&#x017F;cho-<lb/>
net werden, die Schuld nicht auf &#x017F;ich ha-<lb/>
ben, &#x017F;ondern vielmehr auf denen ruhen<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en, die mit einwilligen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en. Z. E.<lb/>
Wenn außerordentliche Auflagen gemacht<lb/>
werden, &#x017F;ind insgemein die Unterthanen<lb/>
&#x017F;ehr empfindlich daru&#x0364;ber. Thut es die<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Lan-</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[477/0495] und Gewalt der Obrigkeit. nach theiliges fuͤr die gemeine Wohlfahrt und Sicherheit erfolgen kan (§. 202), und alſo iſt ihr dieſe Verfaſſung in keinem Stuͤcke zuwieder. GOTT, der hoͤchſte Monarche, der die allerhoͤchſte Macht und Gewalt hat (§. 1025. Met.), handelt nicht bloß nach ſeiner Allmacht (§. 1023. Met.), ſondern auch nach ſeiner Weisheit (§. 1041. Met.) und die Weisheit ſetzet ſeiner All- macht freywillig Schrancken, daß er nicht thun will, was er nicht fuͤr gut befindet, ob er es gleich thun koͤnnte. Wie nun ihm dieſes nicht zum Nachtheile, ſondern vielmehr zu ſeinem groſſen Ruhme gerei- chet, daß er nicht thut, was er kan, ſondern was ſeiner Weisheit gemaͤß iſt; alſo kan auch dieſes keiner hohen Obrigkeit zum Nachtheil gereichen, daß ihre Macht und Gewalt durch die Weisheit eingeſchraͤn- cket wird, damit die gemeine Wohlfahrt, die ſie einzig und allein fuͤr Augen hat, am wenigſten Gefahr lauffet. Vielmehr iſt dieſes ein Mittel ihr Anſehen bey den Un- terthanen zu erhalten, indem ſie in wie- drigen Faͤllen, da ſie nicht koͤnnen geſcho- net werden, die Schuld nicht auf ſich ha- ben, ſondern vielmehr auf denen ruhen laſſen, die mit einwilligen muͤſſen. Z. E. Wenn außerordentliche Auflagen gemacht werden, ſind insgemein die Unterthanen ſehr empfindlich daruͤber. Thut es die Lan- brigkeit vergerin- gert.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_gesellschaftlichesleben_1721
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_gesellschaftlichesleben_1721/495
Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721, S. 477. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_gesellschaftlichesleben_1721/495>, abgerufen am 27.07.2024.