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Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721.

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Cap. 5. Von der Macht
denen Collegiis die Freyheit zu erthei-
len gewisse Personen, von deren Tüchtigkeit
sie genungsame Proben haben, dazu vorzu-
schlagen, aus welchen nach diesem die ho-
he Landes-Obrigkeit nach ihrem Gefallen
einen erwehlet. Wo niemand vorgeschla-
gen wird, sondern ein jeglicher lauffet vor
sich und bemühet sich einen Patron zu er-
halten, durch den er befördert wird; so ge-
het es gemeiniglich nur bloß nach Gunst
und werden öffters die geschicktesten Leute
nachgesetzet, hingegen die ungeschicktesten
tragen die Beförderung davon. Weil
nun die untüchtigen nicht geschickt sind das
gemeine Beste, wie sie sollen, zu befördern; so
leidet darunter die gemeine Wohlfahrt.
Derowegen ist sonderlich nöthig, daß in
solchen Bedienungen darauf gesehen wird,
wo man viel versehen kan, wo untüchtige
dazu gezogen werden. Diese Freyheit ge-
wisse Personen zu den Aembtern vorzu-
schlagen, pfleget man das Recht zu de-
nominiren
zu nennen. Man siehet dem-
nach aus dem, was jetzt gesaget worden,
daß dieses Recht wohl gegründet ist.

Ob Ein-
schrän-
ckung
der
Macht
und Ge-
walt das
Ansehen
der Lan-
des-O-
§. 449.

Aus dieser Einschränckung der
Macht und Gewalt erwächset der hohen
Landes-Obrigkeit kein Nachtheil und kan
ihr Ansehen keines weges vergeringern.
Denn wenn sie vernünfftig ist, schräncket
sie ihre Macht und Gewalt selbst auf ei-
ne solche Weise ein, daß dadurch nichts

nach-

Cap. 5. Von der Macht
denen Collegiis die Freyheit zu erthei-
len gewiſſe Perſonen, von deren Tuͤchtigkeit
ſie genungſame Proben haben, dazu vorzu-
ſchlagen, aus welchen nach dieſem die ho-
he Landes-Obrigkeit nach ihrem Gefallen
einen erwehlet. Wo niemand vorgeſchla-
gen wird, ſondern ein jeglicher lauffet vor
ſich und bemuͤhet ſich einen Patron zu er-
halten, durch den er befoͤrdert wird; ſo ge-
het es gemeiniglich nur bloß nach Gunſt
und werden oͤffters die geſchickteſten Leute
nachgeſetzet, hingegen die ungeſchickteſten
tragen die Befoͤrderung davon. Weil
nun die untuͤchtigen nicht geſchickt ſind das
gemeine Beſte, wie ſie ſollen, zu befoͤrdern; ſo
leidet darunter die gemeine Wohlfahrt.
Derowegen iſt ſonderlich noͤthig, daß in
ſolchen Bedienungen darauf geſehen wird,
wo man viel verſehen kan, wo untuͤchtige
dazu gezogen werden. Dieſe Freyheit ge-
wiſſe Perſonen zu den Aembtern vorzu-
ſchlagen, pfleget man das Recht zu de-
nominiren
zu nennen. Man ſiehet dem-
nach aus dem, was jetzt geſaget worden,
daß dieſes Recht wohl gegruͤndet iſt.

Ob Ein-
ſchraͤn-
ckung
der
Macht
und Ge-
walt das
Anſehen
der Lan-
des-O-
§. 449.

Aus dieſer Einſchraͤnckung der
Macht und Gewalt erwaͤchſet der hohen
Landes-Obrigkeit kein Nachtheil und kan
ihr Anſehen keines weges vergeringern.
Denn wenn ſie vernuͤnfftig iſt, ſchraͤncket
ſie ihre Macht und Gewalt ſelbſt auf ei-
ne ſolche Weiſe ein, daß dadurch nichts

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[476/0494] Cap. 5. Von der Macht denen Collegiis die Freyheit zu erthei- len gewiſſe Perſonen, von deren Tuͤchtigkeit ſie genungſame Proben haben, dazu vorzu- ſchlagen, aus welchen nach dieſem die ho- he Landes-Obrigkeit nach ihrem Gefallen einen erwehlet. Wo niemand vorgeſchla- gen wird, ſondern ein jeglicher lauffet vor ſich und bemuͤhet ſich einen Patron zu er- halten, durch den er befoͤrdert wird; ſo ge- het es gemeiniglich nur bloß nach Gunſt und werden oͤffters die geſchickteſten Leute nachgeſetzet, hingegen die ungeſchickteſten tragen die Befoͤrderung davon. Weil nun die untuͤchtigen nicht geſchickt ſind das gemeine Beſte, wie ſie ſollen, zu befoͤrdern; ſo leidet darunter die gemeine Wohlfahrt. Derowegen iſt ſonderlich noͤthig, daß in ſolchen Bedienungen darauf geſehen wird, wo man viel verſehen kan, wo untuͤchtige dazu gezogen werden. Dieſe Freyheit ge- wiſſe Perſonen zu den Aembtern vorzu- ſchlagen, pfleget man das Recht zu de- nominiren zu nennen. Man ſiehet dem- nach aus dem, was jetzt geſaget worden, daß dieſes Recht wohl gegruͤndet iſt. §. 449.Aus dieſer Einſchraͤnckung der Macht und Gewalt erwaͤchſet der hohen Landes-Obrigkeit kein Nachtheil und kan ihr Anſehen keines weges vergeringern. Denn wenn ſie vernuͤnfftig iſt, ſchraͤncket ſie ihre Macht und Gewalt ſelbſt auf ei- ne ſolche Weiſe ein, daß dadurch nichts nach-

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Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721, S. 476. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_gesellschaftlichesleben_1721/494>, abgerufen am 25.11.2024.