Landes-Obrigkeit allein vor sich, so mei- net jedermann, es geschehe ihm zuviel. Hin- gegen wenn es auch die Stände gut befun- den; so halten es zugleich die Unterthanen insgesammt für gut, oder, woferne sie es als eine Beschweerde ansehen, werffen sie die Schuld mehr auf die Stände, als auf den Landes-Herrn, wo die Stände etwas zu sprechen haben. Bey Auswärtigen dependiret das Ansehen der Landes-O- brigkeit nicht davon, ob ihre Macht und Gewalt uneingeschränckt ist, oder nicht, son- dern vielmehr von der Grösse der Macht. Wer viel Geld und Volck zusammen bringen kan, wenn es die Noth erfordert, der hat das gröste Ansehen. Nemlich bey Auswärtigen stehen der Landes-Herr und das Land zusammen für eines, und ist dem- nach gleich viel, ob jener alle Macht und Gewalt allein hat, oder ob davon etwas dem Lande zugehöret. Es stimmet auch die Erfahrung mit überein. Wer darauf acht hat, wird es finden, und ist keines- weges nöthig, daß ich auf Exempel gehe.
Nöthige Erinne- rung.
§. 450.
Damit aber dasjenige, was ich von der Einschränckung der Macht und Gewalt der hohen Obrigkeit beygebracht, nicht unrecht ausgeleget werde, so finde ich noch folgendes zu erinnern für nöthig. Jch habe hier bloß erwiesen, auf wie vie- lerley Art und Weise sich die Macht und
Ge-
Cap. 5. Von der Macht
Landes-Obrigkeit allein vor ſich, ſo mei- net jedermann, es geſchehe ihm zuviel. Hin- gegen wenn es auch die Staͤnde gut befun- den; ſo halten es zugleich die Unterthanen insgeſammt fuͤr gut, oder, woferne ſie es als eine Beſchweerde anſehen, werffen ſie die Schuld mehr auf die Staͤnde, als auf den Landes-Herrn, wo die Staͤnde etwas zu ſprechen haben. Bey Auswaͤrtigen dependiret das Anſehen der Landes-O- brigkeit nicht davon, ob ihre Macht und Gewalt uneingeſchraͤnckt iſt, oder nicht, ſon- dern vielmehr von der Groͤſſe der Macht. Wer viel Geld und Volck zuſammen bringen kan, wenn es die Noth erfordert, der hat das groͤſte Anſehen. Nemlich bey Auswaͤrtigen ſtehen der Landes-Herr und das Land zuſammen fuͤr eines, und iſt dem- nach gleich viel, ob jener alle Macht und Gewalt allein hat, oder ob davon etwas dem Lande zugehoͤret. Es ſtimmet auch die Erfahrung mit uͤberein. Wer darauf acht hat, wird es finden, und iſt keines- weges noͤthig, daß ich auf Exempel gehe.
Noͤthige Erinne- rung.
§. 450.
Damit aber dasjenige, was ich von der Einſchraͤnckung der Macht und Gewalt der hohen Obrigkeit beygebracht, nicht unrecht ausgeleget werde, ſo finde ich noch folgendes zu erinnern fuͤr noͤthig. Jch habe hier bloß erwieſen, auf wie vie- lerley Art und Weiſe ſich die Macht und
Ge-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0496"n="478"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Cap. 5. Von der Macht</hi></fw><lb/>
Landes-Obrigkeit allein vor ſich, ſo mei-<lb/>
net jedermann, es geſchehe ihm zuviel. Hin-<lb/>
gegen wenn es auch die Staͤnde gut befun-<lb/>
den; ſo halten es zugleich die Unterthanen<lb/>
insgeſammt fuͤr gut, oder, woferne ſie es<lb/>
als eine Beſchweerde anſehen, werffen ſie<lb/>
die Schuld mehr auf die Staͤnde, als auf<lb/>
den Landes-Herrn, wo die Staͤnde etwas<lb/>
zu ſprechen haben. Bey Auswaͤrtigen<lb/>
dependiret das Anſehen der Landes-O-<lb/>
brigkeit nicht davon, ob ihre Macht und<lb/>
Gewalt uneingeſchraͤnckt iſt, oder nicht, ſon-<lb/>
dern vielmehr von der Groͤſſe der Macht.<lb/>
Wer viel Geld und Volck zuſammen<lb/>
bringen kan, wenn es die Noth erfordert,<lb/>
der hat das groͤſte Anſehen. Nemlich bey<lb/>
Auswaͤrtigen ſtehen der Landes-Herr und<lb/>
das Land zuſammen fuͤr eines, und iſt dem-<lb/>
nach gleich viel, ob jener alle Macht und<lb/>
Gewalt allein hat, oder ob davon etwas<lb/>
dem Lande zugehoͤret. Es ſtimmet auch<lb/>
die Erfahrung mit uͤberein. Wer darauf<lb/>
acht hat, wird es finden, und iſt keines-<lb/>
weges noͤthig, daß ich auf Exempel gehe.</p><lb/><noteplace="left">Noͤthige<lb/>
Erinne-<lb/>
rung.</note></div><lb/><divn="4"><head>§. 450.</head><p>Damit aber dasjenige, was ich<lb/>
von der Einſchraͤnckung der Macht und<lb/>
Gewalt der hohen Obrigkeit beygebracht,<lb/>
nicht unrecht ausgeleget werde, ſo finde<lb/>
ich noch folgendes zu erinnern fuͤr noͤthig.<lb/>
Jch habe hier bloß erwieſen, auf wie vie-<lb/>
lerley Art und Weiſe ſich die Macht und<lb/><fwplace="bottom"type="catch">Ge-</fw><lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[478/0496]
Cap. 5. Von der Macht
Landes-Obrigkeit allein vor ſich, ſo mei-
net jedermann, es geſchehe ihm zuviel. Hin-
gegen wenn es auch die Staͤnde gut befun-
den; ſo halten es zugleich die Unterthanen
insgeſammt fuͤr gut, oder, woferne ſie es
als eine Beſchweerde anſehen, werffen ſie
die Schuld mehr auf die Staͤnde, als auf
den Landes-Herrn, wo die Staͤnde etwas
zu ſprechen haben. Bey Auswaͤrtigen
dependiret das Anſehen der Landes-O-
brigkeit nicht davon, ob ihre Macht und
Gewalt uneingeſchraͤnckt iſt, oder nicht, ſon-
dern vielmehr von der Groͤſſe der Macht.
Wer viel Geld und Volck zuſammen
bringen kan, wenn es die Noth erfordert,
der hat das groͤſte Anſehen. Nemlich bey
Auswaͤrtigen ſtehen der Landes-Herr und
das Land zuſammen fuͤr eines, und iſt dem-
nach gleich viel, ob jener alle Macht und
Gewalt allein hat, oder ob davon etwas
dem Lande zugehoͤret. Es ſtimmet auch
die Erfahrung mit uͤberein. Wer darauf
acht hat, wird es finden, und iſt keines-
weges noͤthig, daß ich auf Exempel gehe.
§. 450.Damit aber dasjenige, was ich
von der Einſchraͤnckung der Macht und
Gewalt der hohen Obrigkeit beygebracht,
nicht unrecht ausgeleget werde, ſo finde
ich noch folgendes zu erinnern fuͤr noͤthig.
Jch habe hier bloß erwieſen, auf wie vie-
lerley Art und Weiſe ſich die Macht und
Ge-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721, S. 478. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_gesellschaftlichesleben_1721/496>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.