Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721.

Bild:
<< vorherige Seite

Cap. 5. Von der Macht
terdessen siehet man, daß diese Gewalt nicht
weiter gehet, als in so weit es die gemeine
Wohlfahrt und Sicherheit erfordert einen
wegen seines Verbrechens am Leben zustraf-
fen (§. 215. 346). Keines weges aber hat
die Obrigkeit, wenn sie auch gleich die
höchste Gewalt hat, Gewalt einen nach
ihrem Gefallen umb bringen zu lassen, aus
was für Absichten es auch immer gesche-
hen mag.

Macht
der O-
brigkeit.
§. 443.

Wiederumb weil die Obrig-
reit in dem Stande seyn muß die gesetzte
Straffe an den Verbrechern zu vollstrecken
(§. 345), auch diejenigen, welche nicht gut-
willig thun wollen, was sie befiehlet, durch
äusserlichen Zwang dazu zubringen (§.
342); ja überhaupt alles auszuführen, was
sie für die gemeine Wohlfahrt und Si-
cherheit vortheilhafft befindet (§. 230.
232): so muß sie auch Macht haben: denn
die Macht ist nichts anders als die Mög-
lichkeit auszurichten, oder zu vollführen,
was man beschlossen. Es hat eine Obrigkeit
Macht, wenn es möglich ist, daß sie thun kan,
was sie wil, als diejenigen bestraffen, denen
sie Straffe gedrohet; die belohnen, denen sie
Belohnungen versprochen; diejenigen, welche
nicht thun wollen, was sie wil, zwingen, daß
sie es thun müssen, und was dergleichen mehr
ist. Die Macht muß mit der Gewalt verge-
sellschafftet werden, weil sie dadurch erst

Nach-

Cap. 5. Von der Macht
terdeſſen ſiehet man, daß dieſe Gewalt nicht
weiter gehet, als in ſo weit es die gemeine
Wohlfahrt und Sicherheit erfordert einen
wegen ſeines Verbrechens am Leben zuſtraf-
fen (§. 215. 346). Keines weges aber hat
die Obrigkeit, wenn ſie auch gleich die
hoͤchſte Gewalt hat, Gewalt einen nach
ihrem Gefallen umb bringen zu laſſen, aus
was fuͤr Abſichten es auch immer geſche-
hen mag.

Macht
der O-
brigkeit.
§. 443.

Wiederumb weil die Obrig-
reit in dem Stande ſeyn muß die geſetzte
Straffe an den Verbrechern zu vollſtrecken
(§. 345), auch diejenigen, welche nicht gut-
willig thun wollen, was ſie befiehlet, durch
aͤuſſerlichen Zwang dazu zubringen (§.
342); ja uͤberhaupt alles auszufuͤhren, was
ſie fuͤr die gemeine Wohlfahrt und Si-
cherheit vortheilhafft befindet (§. 230.
232): ſo muß ſie auch Macht haben: denn
die Macht iſt nichts anders als die Moͤg-
lichkeit auszurichten, oder zu vollfuͤhren,
was man beſchloſſen. Es hat eine Obrigkeit
Macht, wenn es moͤglich iſt, daß ſie thun kan,
was ſie wil, als diejenigen beſtraffen, denen
ſie Straffe gedrohet; die belohnen, denen ſie
Belohnungen verſprochen; diejenigen, welche
nicht thun wollen, was ſie wil, zwingen, daß
ſie es thun muͤſſen, und was dergleichen mehr
iſt. Die Macht muß mit der Gewalt verge-
ſellſchafftet werden, weil ſie dadurch erſt

Nach-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0488" n="470"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Cap. 5. Von der Macht</hi></fw><lb/>
terde&#x017F;&#x017F;en &#x017F;iehet man, daß die&#x017F;e Gewalt nicht<lb/>
weiter gehet, als in &#x017F;o weit es die gemeine<lb/>
Wohlfahrt und Sicherheit erfordert einen<lb/>
wegen &#x017F;eines Verbrechens am Leben zu&#x017F;traf-<lb/>
fen (§. 215. 346). Keines weges aber hat<lb/>
die Obrigkeit, wenn &#x017F;ie auch gleich die<lb/>
ho&#x0364;ch&#x017F;te Gewalt hat, Gewalt einen nach<lb/>
ihrem Gefallen umb bringen zu la&#x017F;&#x017F;en, aus<lb/>
was fu&#x0364;r Ab&#x017F;ichten es auch immer ge&#x017F;che-<lb/>
hen mag.</p><lb/>
              <note place="left">Macht<lb/>
der O-<lb/>
brigkeit.</note>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>§. 443.</head>
              <p>Wiederumb weil die Obrig-<lb/>
reit in dem Stande &#x017F;eyn muß die ge&#x017F;etzte<lb/>
Straffe an den Verbrechern zu voll&#x017F;trecken<lb/>
(§. 345), auch diejenigen, welche nicht gut-<lb/>
willig thun wollen, was &#x017F;ie befiehlet, durch<lb/>
a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;erlichen Zwang dazu zubringen (§.<lb/>
342); ja u&#x0364;berhaupt alles auszufu&#x0364;hren, was<lb/>
&#x017F;ie fu&#x0364;r die gemeine Wohlfahrt und Si-<lb/>
cherheit vortheilhafft befindet (§. 230.<lb/>
232): &#x017F;o muß &#x017F;ie auch <hi rendition="#fr">Macht</hi> haben: denn<lb/>
die Macht i&#x017F;t nichts anders als die Mo&#x0364;g-<lb/>
lichkeit auszurichten, oder zu vollfu&#x0364;hren,<lb/>
was man be&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en. Es hat eine Obrigkeit<lb/>
Macht, wenn es mo&#x0364;glich i&#x017F;t, daß &#x017F;ie thun kan,<lb/>
was &#x017F;ie wil, als diejenigen be&#x017F;traffen, denen<lb/>
&#x017F;ie Straffe gedrohet; die belohnen, denen &#x017F;ie<lb/>
Belohnungen ver&#x017F;prochen; diejenigen, welche<lb/>
nicht thun wollen, was &#x017F;ie wil, zwingen, daß<lb/>
&#x017F;ie es thun mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en, und was dergleichen mehr<lb/>
i&#x017F;t. Die Macht muß mit der Gewalt verge-<lb/>
&#x017F;ell&#x017F;chafftet werden, weil &#x017F;ie dadurch er&#x017F;t<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Nach-</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[470/0488] Cap. 5. Von der Macht terdeſſen ſiehet man, daß dieſe Gewalt nicht weiter gehet, als in ſo weit es die gemeine Wohlfahrt und Sicherheit erfordert einen wegen ſeines Verbrechens am Leben zuſtraf- fen (§. 215. 346). Keines weges aber hat die Obrigkeit, wenn ſie auch gleich die hoͤchſte Gewalt hat, Gewalt einen nach ihrem Gefallen umb bringen zu laſſen, aus was fuͤr Abſichten es auch immer geſche- hen mag. §. 443.Wiederumb weil die Obrig- reit in dem Stande ſeyn muß die geſetzte Straffe an den Verbrechern zu vollſtrecken (§. 345), auch diejenigen, welche nicht gut- willig thun wollen, was ſie befiehlet, durch aͤuſſerlichen Zwang dazu zubringen (§. 342); ja uͤberhaupt alles auszufuͤhren, was ſie fuͤr die gemeine Wohlfahrt und Si- cherheit vortheilhafft befindet (§. 230. 232): ſo muß ſie auch Macht haben: denn die Macht iſt nichts anders als die Moͤg- lichkeit auszurichten, oder zu vollfuͤhren, was man beſchloſſen. Es hat eine Obrigkeit Macht, wenn es moͤglich iſt, daß ſie thun kan, was ſie wil, als diejenigen beſtraffen, denen ſie Straffe gedrohet; die belohnen, denen ſie Belohnungen verſprochen; diejenigen, welche nicht thun wollen, was ſie wil, zwingen, daß ſie es thun muͤſſen, und was dergleichen mehr iſt. Die Macht muß mit der Gewalt verge- ſellſchafftet werden, weil ſie dadurch erſt Nach-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_gesellschaftlichesleben_1721
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_gesellschaftlichesleben_1721/488
Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721, S. 470. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_gesellschaftlichesleben_1721/488>, abgerufen am 19.05.2024.