Gewalt und sind souvrain. Unterdessen da im gemeinen Wesen doch nichts darf befohlen werden, als was die gemeine Wohlfahrt befördert und die gemeine Si- cherheit erhält (§. 215); so bleibet doch auch die höchste Gewalt von der Natur, fol- gends von GOtt (§. 29. Mor.) einge- schräncket. Und also haben alle Obrigkei- ten/ auch die Allerhöchsten, das ist, die- jenigen, welche die höchste Gewalt haben, doch noch GOtt über sich, nachdem sie sich richten müssen. Derowegen ob gleich kein Mensch sie zur Rede setzen kan, was sie thun; so dörffen sie doch nicht schlechter Dinges thun, was sie gelüstet, sondern sie haben so wohl als diejenigen, welche eine eingeschränckte Gewalt besitzen, allzeit auf die gemeine Wohlfahrt und Sicherheit zu- sehen, wo sie nicht Tyrannen werden wol- len (§. 234).
§. 442.
Weil man im gemeinen WesenGewalt zu straf- fen u. über Leben und Tod. die Unterthanen mit Straffen verbindet dasjenige zuthun, was man befiehlet (§. 341); so muß auch die Obrigkeit, welche Gewalt hat zu befehlen (§. 435.), auch Ge- walt haben Straffen zu setzen. Und da in einigen Fällen auch selbst Lebens-Straffen gesetzet werden müssen (§. 344); so hat die Obrigkeit, welche Gewalt hat dergleichen Straffen zu setzen, auch zugleich Gewalt über Leben und Tod der Unterthanen. Un-
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und Gewalt der Obrigkeit.
Gewalt und ſind ſouvrain. Unterdeſſen da im gemeinen Weſen doch nichts darf befohlen werden, als was die gemeine Wohlfahrt befoͤrdert und die gemeine Si- cherheit erhaͤlt (§. 215); ſo bleibet doch auch die hoͤchſte Gewalt von der Natur, fol- gends von GOtt (§. 29. Mor.) einge- ſchraͤncket. Und alſo haben alle Obrigkei- ten/ auch die Allerhoͤchſten, das iſt, die- jenigen, welche die hoͤchſte Gewalt haben, doch noch GOtt uͤber ſich, nachdem ſie ſich richten muͤſſen. Derowegen ob gleich kein Menſch ſie zur Rede ſetzen kan, was ſie thun; ſo doͤrffen ſie doch nicht ſchlechter Dinges thun, was ſie geluͤſtet, ſondern ſie haben ſo wohl als diejenigen, welche eine eingeſchraͤnckte Gewalt beſitzen, allzeit auf die gemeine Wohlfahrt und Sicherheit zu- ſehen, wo ſie nicht Tyrannen werden wol- len (§. 234).
§. 442.
Weil man im gemeinen WeſenGewalt zu ſtraf- fẽ u. uͤber Leben und Tod. die Unterthanen mit Straffen verbindet dasjenige zuthun, was man befiehlet (§. 341); ſo muß auch die Obrigkeit, welche Gewalt hat zu befehlen (§. 435.), auch Ge- walt haben Straffen zu ſetzen. Und da in einigen Faͤllen auch ſelbſt Lebens-Straffen geſetzet werden muͤſſen (§. 344); ſo hat die Obrigkeit, welche Gewalt hat dergleichen Straffen zu ſetzen, auch zugleich Gewalt uͤber Leben und Tod der Unterthanen. Un-
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und Gewalt der Obrigkeit.
Gewalt und ſind ſouvrain. Unterdeſſen
da im gemeinen Weſen doch nichts darf
befohlen werden, als was die gemeine
Wohlfahrt befoͤrdert und die gemeine Si-
cherheit erhaͤlt (§. 215); ſo bleibet doch auch
die hoͤchſte Gewalt von der Natur, fol-
gends von GOtt (§. 29. Mor.) einge-
ſchraͤncket. Und alſo haben alle Obrigkei-
ten/ auch die Allerhoͤchſten, das iſt, die-
jenigen, welche die hoͤchſte Gewalt haben,
doch noch GOtt uͤber ſich, nachdem ſie ſich
richten muͤſſen. Derowegen ob gleich kein
Menſch ſie zur Rede ſetzen kan, was ſie
thun; ſo doͤrffen ſie doch nicht ſchlechter
Dinges thun, was ſie geluͤſtet, ſondern ſie
haben ſo wohl als diejenigen, welche eine
eingeſchraͤnckte Gewalt beſitzen, allzeit auf
die gemeine Wohlfahrt und Sicherheit zu-
ſehen, wo ſie nicht Tyrannen werden wol-
len (§. 234).
§. 442.Weil man im gemeinen Weſen
die Unterthanen mit Straffen verbindet
dasjenige zuthun, was man befiehlet (§.
341); ſo muß auch die Obrigkeit, welche
Gewalt hat zu befehlen (§. 435.), auch Ge-
walt haben Straffen zu ſetzen. Und da in
einigen Faͤllen auch ſelbſt Lebens-Straffen
geſetzet werden muͤſſen (§. 344); ſo hat die
Obrigkeit, welche Gewalt hat dergleichen
Straffen zu ſetzen, auch zugleich Gewalt
uͤber Leben und Tod der Unterthanen. Un-
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zu ſtraf-
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Leben
und Tod.
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Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721, S. 469. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_gesellschaftlichesleben_1721/487>, abgerufen am 24.11.2024.
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