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Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721.

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Cap. 5. Von der Macht
Ständen vorbehalten, oder auch anderen
Personen, denen aus besonderen Ursachen
dieses zu besorgen aufgetragen wird, als
wenn man z. E. das Kirchen-Regiment ei-
ner besonderen Geistlichen Obrigkeit über-
giebet und von dem Weltlichen absonde-
ret. Weil man aber nicht vor die lange
Weile die Gewalt der Obrigkeit einschrän-
cken sol, indem alles, was man im gemei-
nen Wesen vornimmet, in der gemeinen
Wohlfahrt und Sicherheit muß gegründet
seyn (§. 215); so muß solches bloß in sol-
chen Fällen geschehen, wo man vermuthet,
daß sie ihre Gewalt leicht misbrauchen kön-
te, das ist, befehlen, was der gemeinen
Wohlfahrt und Sicherheit zu wieder ist,
und absonderlich in denen Fällen, wo durch
den Misbrauch der Gewalt grosser Scha-
de geschiehet.

Wer sou-
vrain
ist.
§. 441.

Eine gantz uneingeschränckte Ge-
walt wird die höchste Gewalt, oder Sou-
vr ainete
genennet und, wer diese besitzet,
eine Souvrainer Herr/ oder ein Herr, über
den niemand als GOtt zu gebieten hat.
Derowegen da in der Monarchie ein Mo-
narche eine unumbschränckte Gewalt hat (§.
436); so hat ein Monarche die höchste Ge-
walt und ist souvrain. Jngleichen weil in
der Aristocratie diejenigen, welche herrschen,
gleichfals eine unumbschränckte Gewalt be-
sitzen (§. 436.), so haben auch sie die höchste

Ge-

Cap. 5. Von der Macht
Staͤnden vorbehalten, oder auch anderen
Perſonen, denen aus beſonderen Urſachen
dieſes zu beſorgen aufgetragen wird, als
wenn man z. E. das Kirchen-Regiment ei-
ner beſonderen Geiſtlichen Obrigkeit uͤber-
giebet und von dem Weltlichen abſonde-
ret. Weil man aber nicht vor die lange
Weile die Gewalt der Obrigkeit einſchraͤn-
cken ſol, indem alles, was man im gemei-
nen Weſen vornimmet, in der gemeinen
Wohlfahrt und Sicherheit muß gegruͤndet
ſeyn (§. 215); ſo muß ſolches bloß in ſol-
chen Faͤllen geſchehen, wo man vermuthet,
daß ſie ihre Gewalt leicht misbrauchen koͤn-
te, das iſt, befehlen, was der gemeinen
Wohlfahrt und Sicherheit zu wieder iſt,
und abſonderlich in denen Faͤllen, wo durch
den Misbrauch der Gewalt groſſer Scha-
de geſchiehet.

Wer ſou-
vrain
iſt.
§. 441.

Eine gantz uneingeſchraͤnckte Ge-
walt wird die hoͤchſte Gewalt, oder Sou-
vr aineté
genennet und, wer dieſe beſitzet,
eine Souvrainer Herr/ oder ein Herr, uͤber
den niemand als GOtt zu gebieten hat.
Derowegen da in der Monarchie ein Mo-
narche eine unumbſchraͤnckte Gewalt hat (§.
436); ſo hat ein Monarche die hoͤchſte Ge-
walt und iſt ſouvrain. Jngleichen weil in
der Ariſtocratie diejenigen, welche herrſchen,
gleichfals eine unumbſchraͤnckte Gewalt be-
ſitzen (§. 436.), ſo haben auch ſie die hoͤchſte

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[468/0486] Cap. 5. Von der Macht Staͤnden vorbehalten, oder auch anderen Perſonen, denen aus beſonderen Urſachen dieſes zu beſorgen aufgetragen wird, als wenn man z. E. das Kirchen-Regiment ei- ner beſonderen Geiſtlichen Obrigkeit uͤber- giebet und von dem Weltlichen abſonde- ret. Weil man aber nicht vor die lange Weile die Gewalt der Obrigkeit einſchraͤn- cken ſol, indem alles, was man im gemei- nen Weſen vornimmet, in der gemeinen Wohlfahrt und Sicherheit muß gegruͤndet ſeyn (§. 215); ſo muß ſolches bloß in ſol- chen Faͤllen geſchehen, wo man vermuthet, daß ſie ihre Gewalt leicht misbrauchen koͤn- te, das iſt, befehlen, was der gemeinen Wohlfahrt und Sicherheit zu wieder iſt, und abſonderlich in denen Faͤllen, wo durch den Misbrauch der Gewalt groſſer Scha- de geſchiehet. §. 441.Eine gantz uneingeſchraͤnckte Ge- walt wird die hoͤchſte Gewalt, oder Sou- vr aineté genennet und, wer dieſe beſitzet, eine Souvrainer Herr/ oder ein Herr, uͤber den niemand als GOtt zu gebieten hat. Derowegen da in der Monarchie ein Mo- narche eine unumbſchraͤnckte Gewalt hat (§. 436); ſo hat ein Monarche die hoͤchſte Ge- walt und iſt ſouvrain. Jngleichen weil in der Ariſtocratie diejenigen, welche herrſchen, gleichfals eine unumbſchraͤnckte Gewalt be- ſitzen (§. 436.), ſo haben auch ſie die hoͤchſte Ge-

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Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721, S. 468. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_gesellschaftlichesleben_1721/486>, abgerufen am 24.11.2024.