Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721.und Gewalt der Obrigkeit. derjenige willige ein, der nicht erscheinet/und doch kein unumbgängliches Hindernis anzugeben weiß. Es ist wohl wahr, daß man bloß setzen kan: wer nicht zugegen sey, der solle sein Recht etwas dagegen zu sagen verlieren, und also anzusehen seyn, als wenn er nicht mit unter die Stände gehö- rete, und man nach seiner Einwilligung nicht zufragen hätte. Allein da die Stän- de in denen Dingen, die ihnen nicht anste- hen, der Landes-Obrigkeit entgegen seyn können, (wo nemlich dergleichen Regi- ments-Forme einmahl eingeführet) und doch es allzeit nach den meisten gehen muß, wenn man fraget, was geschehen sol, indem ein jeder so viel Recht vor sich hat als der an- dere, und gleichwohl es nicht jederzeit da- hin zu bringen ist, daß alle insgesamt mit einander einig sind: so ist die Abwesenheit vieler in den meisten Fällen den Ständen nachtheiliger, wenn man die Abwesenden mit zu denen schläget, die einwilligen, als wenn man sie gar übergehet. Und dem- nach ist es ein kräfftigeres Mittel sie zuver- binden, daß sie kommen, wenn man das erstere für dem andern erwehlet. Es kön- nen über dieses die Grund-Gesetze eines Staates einige Sachen gar ausnehmen, darinnen die Landes-Obrigkeit keine Ge- walt haben soll zu befehlen, und, wenn darinnen etwas zu veranstallten ist, es den Stän- G g 2
und Gewalt der Obrigkeit. derjenige willige ein, der nicht erſcheinet/und doch kein unumbgaͤngliches Hindernis anzugeben weiß. Es iſt wohl wahr, daß man bloß ſetzen kan: wer nicht zugegen ſey, der ſolle ſein Recht etwas dagegen zu ſagen verlieren, und alſo anzuſehen ſeyn, als wenn er nicht mit unter die Staͤnde gehoͤ- rete, und man nach ſeiner Einwilligung nicht zufragen haͤtte. Allein da die Staͤn- de in denen Dingen, die ihnen nicht anſte- hen, der Landes-Obrigkeit entgegen ſeyn koͤnnen, (wo nemlich dergleichen Regi- ments-Forme einmahl eingefuͤhret) und doch es allzeit nach den meiſten gehen muß, wenn man fraget, was geſchehen ſol, indem ein jeder ſo viel Recht vor ſich hat als der an- dere, und gleichwohl es nicht jederzeit da- hin zu bringen iſt, daß alle insgeſamt mit einander einig ſind: ſo iſt die Abweſenheit vieler in den meiſten Faͤllen den Staͤnden nachtheiliger, wenn man die Abweſenden mit zu denen ſchlaͤget, die einwilligen, als wenn man ſie gar uͤbergehet. Und dem- nach iſt es ein kraͤfftigeres Mittel ſie zuver- binden, daß ſie kommen, wenn man das erſtere fuͤr dem andern erwehlet. Es koͤn- nen uͤber dieſes die Grund-Geſetze eines Staates einige Sachen gar ausnehmen, darinnen die Landes-Obrigkeit keine Ge- walt haben ſoll zu befehlen, und, wenn darinnen etwas zu veranſtallten iſt, es den Staͤn- G g 2
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und Gewalt der Obrigkeit.
derjenige willige ein, der nicht erſcheinet/
und doch kein unumbgaͤngliches Hindernis
anzugeben weiß. Es iſt wohl wahr, daß
man bloß ſetzen kan: wer nicht zugegen ſey,
der ſolle ſein Recht etwas dagegen zu ſagen
verlieren, und alſo anzuſehen ſeyn, als
wenn er nicht mit unter die Staͤnde gehoͤ-
rete, und man nach ſeiner Einwilligung
nicht zufragen haͤtte. Allein da die Staͤn-
de in denen Dingen, die ihnen nicht anſte-
hen, der Landes-Obrigkeit entgegen ſeyn
koͤnnen, (wo nemlich dergleichen Regi-
ments-Forme einmahl eingefuͤhret) und doch
es allzeit nach den meiſten gehen muß, wenn
man fraget, was geſchehen ſol, indem ein
jeder ſo viel Recht vor ſich hat als der an-
dere, und gleichwohl es nicht jederzeit da-
hin zu bringen iſt, daß alle insgeſamt mit
einander einig ſind: ſo iſt die Abweſenheit
vieler in den meiſten Faͤllen den Staͤnden
nachtheiliger, wenn man die Abweſenden
mit zu denen ſchlaͤget, die einwilligen, als
wenn man ſie gar uͤbergehet. Und dem-
nach iſt es ein kraͤfftigeres Mittel ſie zuver-
binden, daß ſie kommen, wenn man das
erſtere fuͤr dem andern erwehlet. Es koͤn-
nen uͤber dieſes die Grund-Geſetze eines
Staates einige Sachen gar ausnehmen,
darinnen die Landes-Obrigkeit keine Ge-
walt haben ſoll zu befehlen, und, wenn
darinnen etwas zu veranſtallten iſt, es den
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