Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721.des gemeinen Wesens. gen verdienet ein Verführer eine doppelteStraffe, einmahl wegen des Verbre- chens, darnach wegen der Verführung. Eine doppelte Straffe aber zusammen ge- nommen ist grösser als eine einfache. Wie- derum wer sich in seiner gantzen Lebens- Art liederlich aufgeführet, der kan leich- ter Unglück anrichten als ein anderer, der sich wohl aufführet, und ist daher ein sehr gefährlicher Mensch. Da man nun im gemeinen Wesen alle Ubelthaten, so viel möglich, verhüten sol (§. 318): so muß man auch mit davor sorgen, daß ge- fährliche Leute sich für dergleichen in acht nehmen. Derowegen weil sie einen Denckzettel bekommen, wenn ihre Ver- brechen härter angesehen werden; so hat man dieses zu thun genungsamen Grund. Allein keines von beyden ist demjenigen zu wieder, was von den Straffen beyge- bracht worden; sondern stimmet vielmehr damit überein. Jch habe ja oben erwie- sen, daß man die Grösse der Straffe nach der Grösse der Boßheit der Verbrecher einrichten solle, nachdem sie es nemlich mit mehr Vorsatz gethan als andere (§. 343). Wer kan aber nicht begreiffen, daß der- jenige, welcher vor sich aus eigenem Trie- be etwas thut, oder noch gar dazu ande- re verführet, mehr Vorsatz hat als ein anderer, der sich verführen lässet, abson- der- (Politick) T
des gemeinen Weſens. gen verdienet ein Verfuͤhrer eine doppelteStraffe, einmahl wegen des Verbre- chens, darnach wegen der Verfuͤhrung. Eine doppelte Straffe aber zuſammen ge- nommen iſt groͤſſer als eine einfache. Wie- derum wer ſich in ſeiner gantzen Lebens- Art liederlich aufgefuͤhret, der kan leich- ter Ungluͤck anrichten als ein anderer, der ſich wohl auffuͤhret, und iſt daher ein ſehr gefaͤhrlicher Menſch. Da man nun im gemeinen Weſen alle Ubelthaten, ſo viel moͤglich, verhuͤten ſol (§. 318): ſo muß man auch mit davor ſorgen, daß ge- faͤhrliche Leute ſich fuͤr dergleichen in acht nehmen. Derowegen weil ſie einen Denckzettel bekommen, wenn ihre Ver- brechen haͤrter angeſehen werden; ſo hat man dieſes zu thun genungſamen Grund. Allein keines von beyden iſt demjenigen zu wieder, was von den Straffen beyge- bracht worden; ſondern ſtimmet vielmehr damit uͤberein. Jch habe ja oben erwie- ſen, daß man die Groͤſſe der Straffe nach der Groͤſſe der Boßheit der Verbrecher einrichten ſolle, nachdem ſie es nemlich mit mehr Vorſatz gethan als andere (§. 343). Wer kan aber nicht begreiffen, daß der- jenige, welcher vor ſich aus eigenem Trie- be etwas thut, oder noch gar dazu ande- re verfuͤhret, mehr Vorſatz hat als ein anderer, der ſich verfuͤhren laͤſſet, abſon- der- (Politick) T
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des gemeinen Weſens.
gen verdienet ein Verfuͤhrer eine doppelte
Straffe, einmahl wegen des Verbre-
chens, darnach wegen der Verfuͤhrung.
Eine doppelte Straffe aber zuſammen ge-
nommen iſt groͤſſer als eine einfache. Wie-
derum wer ſich in ſeiner gantzen Lebens-
Art liederlich aufgefuͤhret, der kan leich-
ter Ungluͤck anrichten als ein anderer, der
ſich wohl auffuͤhret, und iſt daher ein
ſehr gefaͤhrlicher Menſch. Da man nun
im gemeinen Weſen alle Ubelthaten, ſo
viel moͤglich, verhuͤten ſol (§. 318): ſo
muß man auch mit davor ſorgen, daß ge-
faͤhrliche Leute ſich fuͤr dergleichen in acht
nehmen. Derowegen weil ſie einen
Denckzettel bekommen, wenn ihre Ver-
brechen haͤrter angeſehen werden; ſo hat
man dieſes zu thun genungſamen Grund.
Allein keines von beyden iſt demjenigen zu
wieder, was von den Straffen beyge-
bracht worden; ſondern ſtimmet vielmehr
damit uͤberein. Jch habe ja oben erwie-
ſen, daß man die Groͤſſe der Straffe nach
der Groͤſſe der Boßheit der Verbrecher
einrichten ſolle, nachdem ſie es nemlich mit
mehr Vorſatz gethan als andere (§. 343).
Wer kan aber nicht begreiffen, daß der-
jenige, welcher vor ſich aus eigenem Trie-
be etwas thut, oder noch gar dazu ande-
re verfuͤhret, mehr Vorſatz hat als ein
anderer, der ſich verfuͤhren laͤſſet, abſon-
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