Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721.Cap. 3. Von der Einrichtung derlich wenn er aus Einfalt und anderenUmständen den Verführungen nicht so leicht wiederstehen kan? Jch habe ferner gezeiget (§. 343), daß man die Grösse der Straffe darnach einrichten müsse, wenn man siehet, es könne eine Ubelthat leicht begangen werden Je gewisser die Ge- fahr ist, je mit grösserem Ernst muß man ihr begegnen. Wer siehet aber nicht, daß die Ubelthat von Leuten, die sich in ihrem gantzen Leben liederlich aufgeführet, eher zu befürchten ist als von anderen, die sich eines guten Wandels befleißigen? Die- sem allem ist keines weges zuwieder, was wir von dem Unterscheide der väterlichen Züchtigungen und der Bestraffung der U- belthaten im gemeinen Wesen (§. 347) beygebracht. Denn hier redet man nicht, wie die Grösse der Straffe einzurichten, sondern ob es rathsam sey, die nach denen vorhin vorgeschriebenen Regeln zuerkandte Straffe zu vollstrecken, oder sie in Anse- hung der Person, welche sie erdulden sol, zu milden. Uber dieses ist wohl zu mer- cken: wenn man fraget, wie die Grösse der Straffe einzurichten, die man einem zuerkennen sol, so geschiehet solches in Er- wegung des vergangenen Zustandes; fra- get man aber, ob die zuerkannte Straffe zu vollziehen sey, so geschiehet es in Er- wegung des zukünfftigen Zustandes. Wenn nun
Cap. 3. Von der Einrichtung derlich wenn er aus Einfalt und anderenUmſtaͤnden den Verfuͤhrungen nicht ſo leicht wiederſtehen kan? Jch habe ferner gezeiget (§. 343), daß man die Groͤſſe der Straffe darnach einrichten muͤſſe, wenn man ſiehet, es koͤnne eine Ubelthat leicht begangen werden Je gewiſſer die Ge- fahr iſt, je mit groͤſſerem Ernſt muß man ihr begegnen. Wer ſiehet aber nicht, daß die Ubelthat von Leuten, die ſich in ihrem gantzen Leben liederlich aufgefuͤhret, eher zu befuͤrchten iſt als von anderen, die ſich eines guten Wandels befleißigen? Die- ſem allem iſt keines weges zuwieder, was wir von dem Unterſcheide der vaͤterlichen Zuͤchtigungen und der Beſtraffung der U- belthaten im gemeinen Weſen (§. 347) beygebracht. Denn hier redet man nicht, wie die Groͤſſe der Straffe einzurichten, ſondern ob es rathſam ſey, die nach denen vorhin vorgeſchriebenen Regeln zuerkandte Straffe zu vollſtrecken, oder ſie in Anſe- hung der Perſon, welche ſie erdulden ſol, zu milden. Uber dieſes iſt wohl zu mer- cken: wenn man fraget, wie die Groͤſſe der Straffe einzurichten, die man einem zuerkennen ſol, ſo geſchiehet ſolches in Er- wegung des vergangenen Zuſtandes; fra- get man aber, ob die zuerkannte Straffe zu vollziehen ſey, ſo geſchiehet es in Er- wegung des zukuͤnfftigen Zuſtandes. Wenn nun
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Cap. 3. Von der Einrichtung
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Umſtaͤnden den Verfuͤhrungen nicht ſo
leicht wiederſtehen kan? Jch habe ferner
gezeiget (§. 343), daß man die Groͤſſe der
Straffe darnach einrichten muͤſſe, wenn
man ſiehet, es koͤnne eine Ubelthat leicht
begangen werden Je gewiſſer die Ge-
fahr iſt, je mit groͤſſerem Ernſt muß man
ihr begegnen. Wer ſiehet aber nicht, daß
die Ubelthat von Leuten, die ſich in ihrem
gantzen Leben liederlich aufgefuͤhret, eher
zu befuͤrchten iſt als von anderen, die ſich
eines guten Wandels befleißigen? Die-
ſem allem iſt keines weges zuwieder, was
wir von dem Unterſcheide der vaͤterlichen
Zuͤchtigungen und der Beſtraffung der U-
belthaten im gemeinen Weſen (§. 347)
beygebracht. Denn hier redet man nicht,
wie die Groͤſſe der Straffe einzurichten,
ſondern ob es rathſam ſey, die nach denen
vorhin vorgeſchriebenen Regeln zuerkandte
Straffe zu vollſtrecken, oder ſie in Anſe-
hung der Perſon, welche ſie erdulden ſol,
zu milden. Uber dieſes iſt wohl zu mer-
cken: wenn man fraget, wie die Groͤſſe
der Straffe einzurichten, die man einem
zuerkennen ſol, ſo geſchiehet ſolches in Er-
wegung des vergangenen Zuſtandes; fra-
get man aber, ob die zuerkannte Straffe
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