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Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721.

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Cap. 3. Von der Einrichtung
nung, im Fall auch sein Verbrechen solte
kund werden, daß es doch nicht so scharf
werde geahndet werden, als die Bedro-
hung lautet. Kan man sich aber erst nur
in etwas mit einiger Ausnahme schmei-
cheln; so wird die Furcht vor der Straffe
wenig mehr ausrichten. Wir finden ja
täglich, und es kan auch nicht anders seyn
(§. 169 Mor.), daß, so bald man zweif-
felhafft wird, ob das Ubel aus unserer
Handlung erfolget, welches daraus dem
Vorgeben nach erfolgen sol, man aus
anderem Vortheile, den man darbey sie-
het, sich gar leicht verleiten lässet dasjeni-
ge zu thun, was man unterlassen solte.
Derowegen ist viel rathsamer gelindere
Straffen zu setzen, und sie bis auf das al-
lergeringste ohne alle Gnade und Barm-
hertzigkeit zu vollstrecken, als mit harten
Straffen drohen, und, wenn es ein Ernst
werden sol, sie entweder gantz erlassen, o-
der doch wenigstens mildern. Es kan
wohl seyn, daß einige Fälle sich ereignen,
da in Ansehung einiger besonderen Um-
stände die Straffe wo nicht zu erlassen,
doch zu mildern ist. Allein wenn dieses
geschiehet, so hat man auch davor zu sor-
gen, daß die besonderen Ursachen, war-
um die sonst gesetzte Straffe entweder er-
lassen, oder gemildert worden, männig-
lich kund werden, damit ein jeder begreif-

fe,

Cap. 3. Von der Einrichtung
nung, im Fall auch ſein Verbrechen ſolte
kund werden, daß es doch nicht ſo ſcharf
werde geahndet werden, als die Bedro-
hung lautet. Kan man ſich aber erſt nur
in etwas mit einiger Ausnahme ſchmei-
cheln; ſo wird die Furcht vor der Straffe
wenig mehr ausrichten. Wir finden ja
taͤglich, und es kan auch nicht anders ſeyn
(§. 169 Mor.), daß, ſo bald man zweif-
felhafft wird, ob das Ubel aus unſerer
Handlung erfolget, welches daraus dem
Vorgeben nach erfolgen ſol, man aus
anderem Vortheile, den man darbey ſie-
het, ſich gar leicht verleiten laͤſſet dasjeni-
ge zu thun, was man unterlaſſen ſolte.
Derowegen iſt viel rathſamer gelindere
Straffen zu ſetzen, und ſie bis auf das al-
lergeringſte ohne alle Gnade und Barm-
hertzigkeit zu vollſtrecken, als mit harten
Straffen drohen, und, wenn es ein Ernſt
werden ſol, ſie entweder gantz erlaſſen, o-
der doch wenigſtens mildern. Es kan
wohl ſeyn, daß einige Faͤlle ſich ereignen,
da in Anſehung einiger beſonderen Um-
ſtaͤnde die Straffe wo nicht zu erlaſſen,
doch zu mildern iſt. Allein wenn dieſes
geſchiehet, ſo hat man auch davor zu ſor-
gen, daß die beſonderen Urſachen, war-
um die ſonſt geſetzte Straffe entweder er-
laſſen, oder gemildert worden, maͤnnig-
lich kund werden, damit ein jeder begreif-

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[286/0304] Cap. 3. Von der Einrichtung nung, im Fall auch ſein Verbrechen ſolte kund werden, daß es doch nicht ſo ſcharf werde geahndet werden, als die Bedro- hung lautet. Kan man ſich aber erſt nur in etwas mit einiger Ausnahme ſchmei- cheln; ſo wird die Furcht vor der Straffe wenig mehr ausrichten. Wir finden ja taͤglich, und es kan auch nicht anders ſeyn (§. 169 Mor.), daß, ſo bald man zweif- felhafft wird, ob das Ubel aus unſerer Handlung erfolget, welches daraus dem Vorgeben nach erfolgen ſol, man aus anderem Vortheile, den man darbey ſie- het, ſich gar leicht verleiten laͤſſet dasjeni- ge zu thun, was man unterlaſſen ſolte. Derowegen iſt viel rathſamer gelindere Straffen zu ſetzen, und ſie bis auf das al- lergeringſte ohne alle Gnade und Barm- hertzigkeit zu vollſtrecken, als mit harten Straffen drohen, und, wenn es ein Ernſt werden ſol, ſie entweder gantz erlaſſen, o- der doch wenigſtens mildern. Es kan wohl ſeyn, daß einige Faͤlle ſich ereignen, da in Anſehung einiger beſonderen Um- ſtaͤnde die Straffe wo nicht zu erlaſſen, doch zu mildern iſt. Allein wenn dieſes geſchiehet, ſo hat man auch davor zu ſor- gen, daß die beſonderen Urſachen, war- um die ſonſt geſetzte Straffe entweder er- laſſen, oder gemildert worden, maͤnnig- lich kund werden, damit ein jeder begreif- fe,

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Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721, S. 286. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_gesellschaftlichesleben_1721/304>, abgerufen am 25.11.2024.