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Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721.

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Cap. 2. Von den unterschiedenen
Formen unterschieden sind, und wie weit
sie mit einander übereinkommen.

Woher
die Oli-
garchie
entstehet.
§. 251.

Wenn in einer Aristocratie nicht
alle verständig und tugendhafft sind, son-
dern Verstand und Tugend auf verschiede-
ne Weise unter viele vertheilet ist, so müs-
sen entweder die tugendhafftesten am mei-
sten zu sagen haben, daß man, wo Ver-
stand ohne Tugend ist, sich scheuet ihn zu
misbrauchen, oder Verstand und Tugend
müssen einander dergestalt die Wage hal-
ten, daß weder jener gemißbrauchet wer-
den, noch diese aus Unbedacht auf Jrrwe-
ge leiten kan. Jn andern Fällen geschie-
het der gemeinen Wohlfahrt und Sicher-
heit Eintrag, viel oder wenig, nachdem es
die besonderen Umstände mit sich bringen,
und wird aus der Aristocratie eine Oligar-
chie (§. 235). Es ist aber in Beurtheilung
der Oligarchie gleichfalls zu mercken, was
vorhin von Beurtheilung der Monarchie er-
rinnert worden (§. 249).

Moglich-
keit der
Politi[c].
§. 252.

Endlich ist auch möglich, daß
in einer Politie die gemeine Wohlfahrt und
Sicherheit erhalten werde, wenn von al-
len Ständen im gemeinen Wefen, von dem
höchsten bis auf den niedrigsten, die ver-
ständigsten und tugendhafftesten ausgelesen
werden, die im Nahmen aller beschliessen,
was sie zur gemeinen Wohlfahrt und Si-
cherheit dienlich zu seyn erachten. Der

Be-

Cap. 2. Von den unterſchiedenen
Formen unterſchieden ſind, und wie weit
ſie mit einander uͤbereinkommen.

Woher
die Oli-
garchie
entſtehet.
§. 251.

Wenn in einer Ariſtocratie nicht
alle verſtaͤndig und tugendhafft ſind, ſon-
dern Verſtand und Tugend auf verſchiede-
ne Weiſe unter viele vertheilet iſt, ſo muͤſ-
ſen entweder die tugendhaffteſten am mei-
ſten zu ſagen haben, daß man, wo Ver-
ſtand ohne Tugend iſt, ſich ſcheuet ihn zu
misbrauchen, oder Verſtand und Tugend
muͤſſen einander dergeſtalt die Wage hal-
ten, daß weder jener gemißbrauchet wer-
den, noch dieſe aus Unbedacht auf Jrrwe-
ge leiten kan. Jn andern Faͤllen geſchie-
het der gemeinen Wohlfahrt und Sicher-
heit Eintrag, viel oder wenig, nachdem es
die beſonderen Umſtaͤnde mit ſich bringen,
und wird aus der Ariſtocratie eine Oligar-
chie (§. 235). Es iſt aber in Beurtheilung
der Oligarchie gleichfalls zu mercken, was
vorhin von Beurtheilung der Monarchie er-
rinnert worden (§. 249).

Moglich-
keit der
Politi[c].
§. 252.

Endlich iſt auch moͤglich, daß
in einer Politie die gemeine Wohlfahrt und
Sicherheit erhalten werde, wenn von al-
len Staͤnden im gemeinen Wefen, von dem
hoͤchſten bis auf den niedrigſten, die ver-
ſtaͤndigſten und tugendhaffteſten ausgeleſen
werden, die im Nahmen aller beſchlieſſen,
was ſie zur gemeinen Wohlfahrt und Si-
cherheit dienlich zu ſeyn erachten. Der

Be-
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[184/0202] Cap. 2. Von den unterſchiedenen Formen unterſchieden ſind, und wie weit ſie mit einander uͤbereinkommen. §. 251.Wenn in einer Ariſtocratie nicht alle verſtaͤndig und tugendhafft ſind, ſon- dern Verſtand und Tugend auf verſchiede- ne Weiſe unter viele vertheilet iſt, ſo muͤſ- ſen entweder die tugendhaffteſten am mei- ſten zu ſagen haben, daß man, wo Ver- ſtand ohne Tugend iſt, ſich ſcheuet ihn zu misbrauchen, oder Verſtand und Tugend muͤſſen einander dergeſtalt die Wage hal- ten, daß weder jener gemißbrauchet wer- den, noch dieſe aus Unbedacht auf Jrrwe- ge leiten kan. Jn andern Faͤllen geſchie- het der gemeinen Wohlfahrt und Sicher- heit Eintrag, viel oder wenig, nachdem es die beſonderen Umſtaͤnde mit ſich bringen, und wird aus der Ariſtocratie eine Oligar- chie (§. 235). Es iſt aber in Beurtheilung der Oligarchie gleichfalls zu mercken, was vorhin von Beurtheilung der Monarchie er- rinnert worden (§. 249). §. 252.Endlich iſt auch moͤglich, daß in einer Politie die gemeine Wohlfahrt und Sicherheit erhalten werde, wenn von al- len Staͤnden im gemeinen Wefen, von dem hoͤchſten bis auf den niedrigſten, die ver- ſtaͤndigſten und tugendhaffteſten ausgeleſen werden, die im Nahmen aller beſchlieſſen, was ſie zur gemeinen Wohlfahrt und Si- cherheit dienlich zu ſeyn erachten. Der Be-

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Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721, S. 184. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_gesellschaftlichesleben_1721/202>, abgerufen am 18.04.2024.