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Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721.

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Arten des gemeinen Wesens.
Beweis ist aus dem vorhergehenden zu neh-
men, und würde es überflüßig seyn, wenn
ich ihn hierher setzen wolte. Unterdessen sie-
het man, daß eine Politie sich am besten für
polirte Völcker schicket, wo man um Ver-
stand uud Tugend sich bemühet.

§. 253.

Hingegen siehet man leicht, daßWoher
die De-
mocratie
kommet.

dieser heilsame Endzweck nicht erreichet wer-
den kan, wenn alle insgesammt, und also
der gantze Pöbel in dasjenige, was beschlos-
sen wird, mit einstimmen sol. Denn da
der gemeine Mann weder Verstand genung
hat zu urtheilen, was dienlich oder schäd-
lich ist, weil er nicht weit genung hinaus-
siehet, noch auch in der Tugend und Liebe
gegen andere so fest gesetzet ist, daß er seinen
vermeinten besonderen Nutzen in sich ereig-
nenden Fällen dem gemeinen Besten nach-
setzet: so kan man leicht erachten, daß es
in dergleichen Fällen nicht wohl ablauffen
kan, und man daher an stat der Politie,
die man verlanget, ein Democratie erhal-
ten wird (§. 236).

§. 254.

Wer sowohl die Erklärungen,Für was
für Art
der Völ-
cker sich
jede Re-
giezungs-
Forme
am besten
schicket.

die wir von den verschiedenen Regierungs-
Formen gegeben (§. 234 & seq.), als auch
dasjenige, was von Beförderung des ge-
meinen Bestens in einer jeden unter ihnen
umständlich ausgeführet worden (§. 247 &
seq.
), zur Gnüge erweget; wird auch oh-
ne viele Mühe vor sich herausbringen kön-

nen
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Arten des gemeinen Weſens.
Beweis iſt aus dem vorhergehenden zu neh-
men, und wuͤrde es uͤberfluͤßig ſeyn, wenn
ich ihn hierher ſetzen wolte. Unterdeſſen ſie-
het man, daß eine Politie ſich am beſten fuͤr
polirte Voͤlcker ſchicket, wo man um Ver-
ſtand uud Tugend ſich bemuͤhet.

§. 253.

Hingegen ſiehet man leicht, daßWoher
die De-
mocꝛatie
kommet.

dieſer heilſame Endzweck nicht erreichet wer-
den kan, wenn alle insgeſammt, und alſo
der gantze Poͤbel in dasjenige, was beſchloſ-
ſen wird, mit einſtimmen ſol. Denn da
der gemeine Mann weder Verſtand genung
hat zu urtheilen, was dienlich oder ſchaͤd-
lich iſt, weil er nicht weit genung hinaus-
ſiehet, noch auch in der Tugend und Liebe
gegen andere ſo feſt geſetzet iſt, daß er ſeinen
vermeinten beſonderen Nutzen in ſich ereig-
nenden Faͤllen dem gemeinen Beſten nach-
ſetzet: ſo kan man leicht erachten, daß es
in dergleichen Faͤllen nicht wohl ablauffen
kan, und man daher an ſtat der Politie,
die man verlanget, ein Democratie erhal-
ten wird (§. 236).

§. 254.

Wer ſowohl die Erklaͤrungen,Fuͤr was
fuͤr Art
der Voͤl-
cker ſich
jede Re-
giezungs-
Forme
am beſten
ſchicket.

die wir von den verſchiedenen Regierungs-
Formen gegeben (§. 234 & ſeq.), als auch
dasjenige, was von Befoͤrderung des ge-
meinen Beſtens in einer jeden unter ihnen
umſtaͤndlich ausgefuͤhret worden (§. 247 &
ſeq.
), zur Gnuͤge erweget; wird auch oh-
ne viele Muͤhe vor ſich herausbringen koͤn-

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[185/0203] Arten des gemeinen Weſens. Beweis iſt aus dem vorhergehenden zu neh- men, und wuͤrde es uͤberfluͤßig ſeyn, wenn ich ihn hierher ſetzen wolte. Unterdeſſen ſie- het man, daß eine Politie ſich am beſten fuͤr polirte Voͤlcker ſchicket, wo man um Ver- ſtand uud Tugend ſich bemuͤhet. §. 253.Hingegen ſiehet man leicht, daß dieſer heilſame Endzweck nicht erreichet wer- den kan, wenn alle insgeſammt, und alſo der gantze Poͤbel in dasjenige, was beſchloſ- ſen wird, mit einſtimmen ſol. Denn da der gemeine Mann weder Verſtand genung hat zu urtheilen, was dienlich oder ſchaͤd- lich iſt, weil er nicht weit genung hinaus- ſiehet, noch auch in der Tugend und Liebe gegen andere ſo feſt geſetzet iſt, daß er ſeinen vermeinten beſonderen Nutzen in ſich ereig- nenden Faͤllen dem gemeinen Beſten nach- ſetzet: ſo kan man leicht erachten, daß es in dergleichen Faͤllen nicht wohl ablauffen kan, und man daher an ſtat der Politie, die man verlanget, ein Democratie erhal- ten wird (§. 236). Woher die De- mocꝛatie kommet. §. 254.Wer ſowohl die Erklaͤrungen, die wir von den verſchiedenen Regierungs- Formen gegeben (§. 234 & ſeq.), als auch dasjenige, was von Befoͤrderung des ge- meinen Beſtens in einer jeden unter ihnen umſtaͤndlich ausgefuͤhret worden (§. 247 & ſeq.), zur Gnuͤge erweget; wird auch oh- ne viele Muͤhe vor ſich herausbringen koͤn- nen Fuͤr was fuͤr Art der Voͤl- cker ſich jede Re- giezungs- Forme am beſten ſchicket. M 5

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Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721, S. 185. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_gesellschaftlichesleben_1721/203>, abgerufen am 21.11.2024.