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Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721.

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Art des gemeinen Wesens.
gemeine Wohlfahrt und Sicherheit durch
sie befördert werden soll (§. 242): so findet
sich doch in diesem Stücke zwischen der Mo-
narchie und Aristocratie ein grosser Unter-
scheid. Nemlich da in der Aristocratie viele
zugleich herrschen, so kan Verstand und Tu-
gend auf verschiedene Weise vertheilet seyn,
ohne daß es dem gemeinen Wesen zum Nach-
theile gereichet, auch dadurch mehr Ver-
stand und Tugend, und eine grössere Liebe
gegen die Unterthanen erhalten werden.
Der tugendhaffte kan den verständigen,
dem es an Tugend und Liebe zu den Unter-
thanen fehlet, zurücke halten, daß er seinen
Verstand nicht zum bösen mißbrauchet:
hingegen der verständige leitet den tugend-
hafften, der vor sich nicht Einsicht genung
hat, auf den rechten Weg, daß er nicht aus
einer guten Meinung denselben verfehlet.
Und demnach siehet man, daß in einer A-
ristocratie alle diejenigen müssen zum Re-
gimente gezogen werden, welche die ver-
ständigsten und tugendhafftesten sind, und
denen wegen ihrer besonderen Wohlfahrt
viel daran gelegen ist, daß alles im Lande
in einem guten Wohlstande erhalten wer-
de. Wil man dieses gegen dasjenige hal-
ten, was von der Monarchie (§. 248) ge-
saget worden; so wird sich bald zeigen, wie
weit in diesen Stücken beyde Regierungs-

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Art des gemeinen Weſens.
gemeine Wohlfahrt und Sicherheit durch
ſie befoͤrdert werden ſoll (§. 242): ſo findet
ſich doch in dieſem Stuͤcke zwiſchen der Mo-
narchie und Ariſtocratie ein groſſer Unter-
ſcheid. Nemlich da in der Ariſtocratie viele
zugleich herrſchen, ſo kan Verſtand und Tu-
gend auf verſchiedene Weiſe vertheilet ſeyn,
ohne daß es dem gemeinen Weſen zum Nach-
theile gereichet, auch dadurch mehr Ver-
ſtand und Tugend, und eine groͤſſere Liebe
gegen die Unterthanen erhalten werden.
Der tugendhaffte kan den verſtaͤndigen,
dem es an Tugend und Liebe zu den Unter-
thanen fehlet, zuruͤcke halten, daß er ſeinen
Verſtand nicht zum boͤſen mißbrauchet:
hingegen der verſtaͤndige leitet den tugend-
hafften, der vor ſich nicht Einſicht genung
hat, auf den rechten Weg, daß er nicht aus
einer guten Meinung denſelben verfehlet.
Und demnach ſiehet man, daß in einer A-
riſtocratie alle diejenigen muͤſſen zum Re-
gimente gezogen werden, welche die ver-
ſtaͤndigſten und tugendhaffteſten ſind, und
denen wegen ihrer beſonderen Wohlfahrt
viel daran gelegen iſt, daß alles im Lande
in einem guten Wohlſtande erhalten wer-
de. Wil man dieſes gegen dasjenige hal-
ten, was von der Monarchie (§. 248) ge-
ſaget worden; ſo wird ſich bald zeigen, wie
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[183/0201] Art des gemeinen Weſens. gemeine Wohlfahrt und Sicherheit durch ſie befoͤrdert werden ſoll (§. 242): ſo findet ſich doch in dieſem Stuͤcke zwiſchen der Mo- narchie und Ariſtocratie ein groſſer Unter- ſcheid. Nemlich da in der Ariſtocratie viele zugleich herrſchen, ſo kan Verſtand und Tu- gend auf verſchiedene Weiſe vertheilet ſeyn, ohne daß es dem gemeinen Weſen zum Nach- theile gereichet, auch dadurch mehr Ver- ſtand und Tugend, und eine groͤſſere Liebe gegen die Unterthanen erhalten werden. Der tugendhaffte kan den verſtaͤndigen, dem es an Tugend und Liebe zu den Unter- thanen fehlet, zuruͤcke halten, daß er ſeinen Verſtand nicht zum boͤſen mißbrauchet: hingegen der verſtaͤndige leitet den tugend- hafften, der vor ſich nicht Einſicht genung hat, auf den rechten Weg, daß er nicht aus einer guten Meinung denſelben verfehlet. Und demnach ſiehet man, daß in einer A- riſtocratie alle diejenigen muͤſſen zum Re- gimente gezogen werden, welche die ver- ſtaͤndigſten und tugendhaffteſten ſind, und denen wegen ihrer beſonderen Wohlfahrt viel daran gelegen iſt, daß alles im Lande in einem guten Wohlſtande erhalten wer- de. Wil man dieſes gegen dasjenige hal- ten, was von der Monarchie (§. 248) ge- ſaget worden; ſo wird ſich bald zeigen, wie weit in dieſen Stuͤcken beyde Regierungs- For- M 4

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Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721, S. 183. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_gesellschaftlichesleben_1721/201>, abgerufen am 28.03.2024.