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Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721.

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Das 3. Cap. Von der
an die Hand gehen können, der hat es sei-
ner Aufführung mehr zu zuschreiben, daß
er etwas worden, und sich aus dem Stau-
be empor erhoben als ein anderer, der von
seinen Eltern allen nöthigen Vorschub be-
kommen, auch in Ansehung ihrer befördert
worden. Zwar kan man nicht leugnen,
daß unverständige und Feinde darauf
nicht sehen, und dannenhero die geringe
Ankunfft öffters brauchen den andern zu-
lästern, allein es ist nichts Gutes unter der
Sonnen, welches nicht von Unverständi-
gen und Feinden könnte verkehret, und
einen unschuldig zu lästern angewendet
werden. Wer sich demnach davor scheu-
en wolte, der müste alles Gute unterlassen,
und denn verfiele er mit Recht in das
Urtheil der Verständigen, und wäre ihm
eine wahre Schande, die er nimmermehr
tilgen könnte, da man hingegen ungegrün-
dete Auflagen gar leicht von sich ablehnen
kan. Wer demnach dieses vernünfftig
überleget, wird keiue Ursache finden sich
seiner Eltern zuschämen, absonderlich wenn
sie sich in ihrem schlechten Stande ehrlich
und tugendhafft aufgeführet.

Wie die
Eltern in
ihrem
Tode für
die Kin-
der zusorgen.
§. 142.

Eltern sind verbunden ihre Kin-
der so weit zu bringen, daß sie sich selbst ver-
sorgen und regieren können (§. 81). De-
rowegen wenn sie sterben, ehe es mit ihnen
bis dahin kommen; so haben sie nicht allein

von

Das 3. Cap. Von der
an die Hand gehen koͤnnen, der hat es ſei-
ner Auffuͤhrung mehr zu zuſchreiben, daß
er etwas worden, und ſich aus dem Stau-
be empor erhoben als ein anderer, der von
ſeinen Eltern allen noͤthigen Vorſchub be-
kommen, auch in Anſehung ihrer befoͤrdert
worden. Zwar kan man nicht leugnen,
daß unverſtaͤndige und Feinde darauf
nicht ſehen, und dannenhero die geringe
Ankunfft oͤffters brauchen den andern zu-
laͤſtern, allein es iſt nichts Gutes unter der
Sonnen, welches nicht von Unverſtaͤndi-
gen und Feinden koͤnnte verkehret, und
einen unſchuldig zu laͤſtern angewendet
werden. Wer ſich demnach davor ſcheu-
en wolte, der muͤſte alles Gute unterlaſſen,
und denn verfiele er mit Recht in das
Urtheil der Verſtaͤndigen, und waͤre ihm
eine wahre Schande, die er nimmermehr
tilgen koͤnnte, da man hingegen ungegruͤn-
dete Auflagen gar leicht von ſich ablehnen
kan. Wer demnach dieſes vernuͤnfftig
uͤberleget, wird keiue Urſache finden ſich
ſeiner Eltern zuſchaͤmen, abſonderlich wenn
ſie ſich in ihrem ſchlechten Stande ehrlich
und tugendhafft aufgefuͤhret.

Wie die
Eltern in
ihrem
Tode fuͤr
die Kin-
der zuſorgen.
§. 142.

Eltern ſind verbunden ihre Kin-
der ſo weit zu bringen, daß ſie ſich ſelbſt ver-
ſorgen und regieren koͤnnen (§. 81). De-
rowegen wenn ſie ſterben, ehe es mit ihnen
bis dahin kommen; ſo haben ſie nicht allein

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[102/0120] Das 3. Cap. Von der an die Hand gehen koͤnnen, der hat es ſei- ner Auffuͤhrung mehr zu zuſchreiben, daß er etwas worden, und ſich aus dem Stau- be empor erhoben als ein anderer, der von ſeinen Eltern allen noͤthigen Vorſchub be- kommen, auch in Anſehung ihrer befoͤrdert worden. Zwar kan man nicht leugnen, daß unverſtaͤndige und Feinde darauf nicht ſehen, und dannenhero die geringe Ankunfft oͤffters brauchen den andern zu- laͤſtern, allein es iſt nichts Gutes unter der Sonnen, welches nicht von Unverſtaͤndi- gen und Feinden koͤnnte verkehret, und einen unſchuldig zu laͤſtern angewendet werden. Wer ſich demnach davor ſcheu- en wolte, der muͤſte alles Gute unterlaſſen, und denn verfiele er mit Recht in das Urtheil der Verſtaͤndigen, und waͤre ihm eine wahre Schande, die er nimmermehr tilgen koͤnnte, da man hingegen ungegruͤn- dete Auflagen gar leicht von ſich ablehnen kan. Wer demnach dieſes vernuͤnfftig uͤberleget, wird keiue Urſache finden ſich ſeiner Eltern zuſchaͤmen, abſonderlich wenn ſie ſich in ihrem ſchlechten Stande ehrlich und tugendhafft aufgefuͤhret. §. 142.Eltern ſind verbunden ihre Kin- der ſo weit zu bringen, daß ſie ſich ſelbſt ver- ſorgen und regieren koͤnnen (§. 81). De- rowegen wenn ſie ſterben, ehe es mit ihnen bis dahin kommen; ſo haben ſie nicht allein von

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Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_gesellschaftlichesleben_1721/120>, abgerufen am 25.04.2024.