Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721.

Bild:
<< vorherige Seite
Das 3. Capitel Von der
Bewe-
gungs-
Grund
dazu.
§. 139.

Es ist klar, daß die Liebe ein
zulängliches Mittel ist dieses ins Werck zu
stellen (§. 137), und man dannenhero kei-
ner anderen Vorstellungen von nöthen hat,
als wodurch die Liebe im Hertzen der Kin-
der angeflammet wird. Unterdessen da die
Liebe aus der Betrachtung der Wohltha-
ten erzeuget wird (§. 129): so hat man
hier absonderlich zu überlegen, wie lange
Eltern uns haben versorgen müssen; wie
schweer es sie damals ankommen; wie wir
durch ihre Hülffe in den Stand gesetzet wor-
den, darinnen wir uns befinden; wie sie
ihr Glück unserm willig aufgeopffert; wie
es uns eine Schande ist, wenn wir, son-
derlich bey unserm Uberflusse, unsere El-
tern darben lassen, und was dergleichen
Vorstellungen mehr sind, die nach eines je-
den besonderen Umständen, auch nach eines
jeden Zustande des Gemüthes einzurichten
sind. Man hat auch hier absonderlich die
Schändlichkeit des Undanckes zu erwegen.
(§. 837 Mor.)

Wie lan-
ge die
Pflicht
der Kin-
der gegen
ihre El-
tern dau-
ren sol-
len.
§. 140.

Da Liebe und Danck bahrkeit
allgemeine Pflichten sind, die alle Menschen
gegen jedermann beständig behalten sollen
(§. 774. 834 Mor.); so müssen auch Kin-
der ihre Eltern lieben und gegen sie sich
danckbahr erzeigen, so lange sie leben.
Derowegen alles, wozu einen die Liebe
antreibet, sind sie verbunden zuthun, auch

wenn
Das 3. Capitel Von der
Bewe-
gungs-
Grund
dazu.
§. 139.

Es iſt klar, daß die Liebe ein
zulaͤngliches Mittel iſt dieſes ins Werck zu
ſtellen (§. 137), und man dannenhero kei-
ner anderen Vorſtellungen von noͤthen hat,
als wodurch die Liebe im Hertzen der Kin-
der angeflammet wird. Unterdeſſen da die
Liebe aus der Betrachtung der Wohltha-
ten erzeuget wird (§. 129): ſo hat man
hier abſonderlich zu uͤberlegen, wie lange
Eltern uns haben verſorgen muͤſſen; wie
ſchweer es ſie damals ankommen; wie wir
durch ihre Huͤlffe in den Stand geſetzet wor-
den, darinnen wir uns befinden; wie ſie
ihr Gluͤck unſerm willig aufgeopffert; wie
es uns eine Schande iſt, wenn wir, ſon-
derlich bey unſerm Uberfluſſe, unſere El-
tern darben laſſen, und was dergleichen
Vorſtellungen mehr ſind, die nach eines je-
den beſonderen Umſtaͤnden, auch nach eines
jeden Zuſtande des Gemuͤthes einzurichten
ſind. Man hat auch hier abſonderlich die
Schaͤndlichkeit des Undanckes zu erwegen.
(§. 837 Mor.)

Wie lan-
ge die
Pflicht
der Kin-
der gegen
ihre El-
tern dau-
ꝛen ſol-
len.
§. 140.

Da Liebe und Danck bahrkeit
allgemeine Pflichten ſind, die alle Menſchen
gegen jedermann beſtaͤndig behalten ſollen
(§. 774. 834 Mor.); ſo muͤſſen auch Kin-
der ihre Eltern lieben und gegen ſie ſich
danckbahr erzeigen, ſo lange ſie leben.
Derowegen alles, wozu einen die Liebe
antreibet, ſind ſie verbunden zuthun, auch

wenn
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <pb facs="#f0118" n="100"/>
              <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Das 3. Capitel Von der</hi> </fw><lb/>
              <note place="left">Bewe-<lb/>
gungs-<lb/>
Grund<lb/>
dazu.</note>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>§. 139.</head>
              <p>Es i&#x017F;t klar, daß die Liebe ein<lb/>
zula&#x0364;ngliches Mittel i&#x017F;t die&#x017F;es ins Werck zu<lb/>
&#x017F;tellen (§. 137), und man dannenhero kei-<lb/>
ner anderen Vor&#x017F;tellungen von no&#x0364;then hat,<lb/>
als wodurch die Liebe im Hertzen der Kin-<lb/>
der angeflammet wird. Unterde&#x017F;&#x017F;en da die<lb/>
Liebe aus der Betrachtung der Wohltha-<lb/>
ten erzeuget wird (§. 129): &#x017F;o hat man<lb/>
hier ab&#x017F;onderlich zu u&#x0364;berlegen, wie lange<lb/>
Eltern uns haben ver&#x017F;orgen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en; wie<lb/>
&#x017F;chweer es &#x017F;ie damals ankommen; wie wir<lb/>
durch ihre Hu&#x0364;lffe in den Stand ge&#x017F;etzet wor-<lb/>
den, darinnen wir uns befinden; wie &#x017F;ie<lb/>
ihr Glu&#x0364;ck un&#x017F;erm willig aufgeopffert; wie<lb/>
es uns eine Schande i&#x017F;t, wenn wir, &#x017F;on-<lb/>
derlich bey un&#x017F;erm Uberflu&#x017F;&#x017F;e, un&#x017F;ere El-<lb/>
tern darben la&#x017F;&#x017F;en, und was dergleichen<lb/>
Vor&#x017F;tellungen mehr &#x017F;ind, die nach eines je-<lb/>
den be&#x017F;onderen Um&#x017F;ta&#x0364;nden, auch nach eines<lb/>
jeden Zu&#x017F;tande des Gemu&#x0364;thes einzurichten<lb/>
&#x017F;ind. Man hat auch hier ab&#x017F;onderlich die<lb/>
Scha&#x0364;ndlichkeit des Undanckes zu erwegen.<lb/>
(§. 837 <hi rendition="#aq">Mor.</hi>)</p><lb/>
              <note place="left">Wie lan-<lb/>
ge die<lb/>
Pflicht<lb/>
der Kin-<lb/>
der gegen<lb/>
ihre El-<lb/>
tern dau-<lb/>
&#xA75B;en &#x017F;ol-<lb/>
len.</note>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>§. 140.</head>
              <p>Da Liebe und Danck bahrkeit<lb/>
allgemeine Pflichten &#x017F;ind, die alle Men&#x017F;chen<lb/>
gegen jedermann be&#x017F;ta&#x0364;ndig behalten &#x017F;ollen<lb/>
(§. 774. 834 <hi rendition="#aq">Mor.</hi>); &#x017F;o mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en auch Kin-<lb/>
der ihre Eltern lieben und gegen &#x017F;ie &#x017F;ich<lb/>
danckbahr erzeigen, &#x017F;o lange &#x017F;ie leben.<lb/>
Derowegen alles, wozu einen die Liebe<lb/>
antreibet, &#x017F;ind &#x017F;ie verbunden zuthun, auch<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">wenn</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[100/0118] Das 3. Capitel Von der §. 139.Es iſt klar, daß die Liebe ein zulaͤngliches Mittel iſt dieſes ins Werck zu ſtellen (§. 137), und man dannenhero kei- ner anderen Vorſtellungen von noͤthen hat, als wodurch die Liebe im Hertzen der Kin- der angeflammet wird. Unterdeſſen da die Liebe aus der Betrachtung der Wohltha- ten erzeuget wird (§. 129): ſo hat man hier abſonderlich zu uͤberlegen, wie lange Eltern uns haben verſorgen muͤſſen; wie ſchweer es ſie damals ankommen; wie wir durch ihre Huͤlffe in den Stand geſetzet wor- den, darinnen wir uns befinden; wie ſie ihr Gluͤck unſerm willig aufgeopffert; wie es uns eine Schande iſt, wenn wir, ſon- derlich bey unſerm Uberfluſſe, unſere El- tern darben laſſen, und was dergleichen Vorſtellungen mehr ſind, die nach eines je- den beſonderen Umſtaͤnden, auch nach eines jeden Zuſtande des Gemuͤthes einzurichten ſind. Man hat auch hier abſonderlich die Schaͤndlichkeit des Undanckes zu erwegen. (§. 837 Mor.) §. 140.Da Liebe und Danck bahrkeit allgemeine Pflichten ſind, die alle Menſchen gegen jedermann beſtaͤndig behalten ſollen (§. 774. 834 Mor.); ſo muͤſſen auch Kin- der ihre Eltern lieben und gegen ſie ſich danckbahr erzeigen, ſo lange ſie leben. Derowegen alles, wozu einen die Liebe antreibet, ſind ſie verbunden zuthun, auch wenn

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_gesellschaftlichesleben_1721
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_gesellschaftlichesleben_1721/118
Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721, S. 100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_gesellschaftlichesleben_1721/118>, abgerufen am 26.04.2024.