Wenn wir einen andern liebentKinder sollen ih- re Eltern nicht be- trüben. so schöpffen wir aus seiner Glückseeligkeit, so viel Vergnügen, als wir haben würden wenn es unser eigen wäre (§. 775 Mor.). Da nun Kinder ihre Eltern lieben sollen, so müssen sie auch aus der Glückseeligkeit der Eltern Vergnügen schöpffen und demnach der Eltern Vergnügen zu ihrem Vergnügen machen (§. 52 Mor.). Solcher gestalt kön- nen sie nichts vornehmen, dadurch ihre Eltern betrübet werden, vielweniger aber was ihnen Hertzeleid verursachet (§. 448. Met.). Weil dieses bald geschiehet, wo- ferne nur eine aufrichtge Liebe gegen die El- tern vorhanden ist, wie aus dem, was erst gesaget worden, erhellet; so brauchet es weiter nichts als diese in ihr Gemüthe fest einzupflantzen.Wie Kin- der das beste der Eltern befördern sollen.
§. 138.
Die Liebe treibet den Menschen an des andern feine Wohlfahrt zu beför- dern so viel ihm möglich ist (§. 776 Mor.). Derowegen da Kinder ihre Eltern lieben sollen (§. 129), so sind auch sie verbunden der Eltern Bestes zu befördern so viel an ih- nen ist. Und demnach sollen sie nicht allein treulich verrichten, was sie ihnen befehlen; sondern auch, wo sich eine Gelegenheit ereig- net, da sie ihnen dienen können, dieselben mit Freuden ergreiffen, auch wenn die El- tern schwach und unvermögend werden, in ihrem Alter wieder vor sie sorgen.
§. 139.
G 2
Vaͤterlichen Geſellſchafft.
§. 137.
Wenn wir einen andern liebentKinder ſollen ih- re Eltern nicht be- tꝛuͤben. ſo ſchoͤpffen wir aus ſeiner Gluͤckſeeligkeit, ſo viel Vergnuͤgen, als wir haben wuͤrden wenn es unſer eigen waͤre (§. 775 Mor.). Da nun Kinder ihre Eltern lieben ſollen, ſo muͤſſen ſie auch aus der Gluͤckſeeligkeit der Eltern Vergnuͤgen ſchoͤpffen und demnach der Eltern Vergnuͤgen zu ihrem Vergnuͤgen machen (§. 52 Mor.). Solcher geſtalt koͤn- nen ſie nichts vornehmen, dadurch ihre Eltern betruͤbet werden, vielweniger aber was ihnen Hertzeleid verurſachet (§. 448. Met.). Weil dieſes bald geſchiehet, wo- ferne nur eine aufrichtge Liebe gegen die El- tern vorhanden iſt, wie aus dem, was erſt geſaget worden, erhellet; ſo brauchet es weiter nichts als dieſe in ihr Gemuͤthe feſt einzupflantzen.Wie Kin- der das beſte der Eltern befoͤrdeꝛn ſollen.
§. 138.
Die Liebe treibet den Menſchen an des andern feine Wohlfahrt zu befoͤr- dern ſo viel ihm moͤglich iſt (§. 776 Mor.). Derowegen da Kinder ihre Eltern lieben ſollen (§. 129), ſo ſind auch ſie verbunden der Eltern Beſtes zu befoͤrdern ſo viel an ih- nen iſt. Und demnach ſollen ſie nicht allein treulich verrichten, was ſie ihnen befehlen; ſondern auch, wo ſich eine Gelegenheit ereig- net, da ſie ihnen dienen koͤnnen, dieſelben mit Freuden ergreiffen, auch wenn die El- tern ſchwach und unvermoͤgend werden, in ihrem Alter wieder vor ſie ſorgen.
§. 139.
G 2
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Vaͤterlichen Geſellſchafft.
§. 137.Wenn wir einen andern liebent
ſo ſchoͤpffen wir aus ſeiner Gluͤckſeeligkeit,
ſo viel Vergnuͤgen, als wir haben wuͤrden
wenn es unſer eigen waͤre (§. 775 Mor.).
Da nun Kinder ihre Eltern lieben ſollen, ſo
muͤſſen ſie auch aus der Gluͤckſeeligkeit der
Eltern Vergnuͤgen ſchoͤpffen und demnach
der Eltern Vergnuͤgen zu ihrem Vergnuͤgen
machen (§. 52 Mor.). Solcher geſtalt koͤn-
nen ſie nichts vornehmen, dadurch ihre
Eltern betruͤbet werden, vielweniger aber
was ihnen Hertzeleid verurſachet (§. 448.
Met.). Weil dieſes bald geſchiehet, wo-
ferne nur eine aufrichtge Liebe gegen die El-
tern vorhanden iſt, wie aus dem, was erſt
geſaget worden, erhellet; ſo brauchet es
weiter nichts als dieſe in ihr Gemuͤthe feſt
einzupflantzen.
Kinder
ſollen ih-
re Eltern
nicht be-
tꝛuͤben.
Wie Kin-
der das
beſte der
Eltern
befoͤrdeꝛn
ſollen.
§. 138.Die Liebe treibet den Menſchen
an des andern feine Wohlfahrt zu befoͤr-
dern ſo viel ihm moͤglich iſt (§. 776 Mor.).
Derowegen da Kinder ihre Eltern lieben
ſollen (§. 129), ſo ſind auch ſie verbunden
der Eltern Beſtes zu befoͤrdern ſo viel an ih-
nen iſt. Und demnach ſollen ſie nicht allein
treulich verrichten, was ſie ihnen befehlen;
ſondern auch, wo ſich eine Gelegenheit ereig-
net, da ſie ihnen dienen koͤnnen, dieſelben
mit Freuden ergreiffen, auch wenn die El-
tern ſchwach und unvermoͤgend werden, in
ihrem Alter wieder vor ſie ſorgen.
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Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_gesellschaftlichesleben_1721/117>, abgerufen am 21.11.2024.
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