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Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721.

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Das 3. Capitel Von der
zugebrauchen, daß man die Kinder nicht
ehrgeitzig und hochmüthig machet, indem
man eine Begierde nach Ruhm in ihr Ge-
müthe pflantzen will. Nehmlich man muß
wohl acht geben, daß sie niemanden gegen
sich verachten, und daher gewöhnen überall
auf das gute zusehen, was sie bey andern fin-
den, die Mängel und Gebrechen anderer
zum besten zudeuten, und, wo dieses nicht
geschehen kan, mit denen Personen, die da-
mit behafftet sind, Mitleiden zu haben. Da
nun das Mittel hierzu eine aufrichtige Lie-
be ist (§. 449. 461. Met.); so hat
man mit allem Fleiße eine Liebe gegen an-
dere Menschen in ihnen zu pflantzen (§. 777.
Mor.) Auch hat man darauf zusehen, daß
sie bescheiden gegen jedermann sich auf-
führen und insonderheit die Demuth bey
Zeiten angewöhnen (§. 631. 634. & seqq.
Mor.
).

Wie Kin-
der an-
zuge-
wöhnen
einen je-
den zu
ehren.
§. 113.

Unerachtet nun aber Kinder
nicht fähig sind das Gute, was bey andern
ist zu beurtheilen, und ihnen daher ihre ge-
bührende Ehre zu geben (§. 590. Mor.); so
dienet doch nicht wenig dazu, daß sie an-
gehalten werden, jedermann mit Ehren-
Bezeigungen entgegen zu gehen, das ist, sich
so in Worten und Wercken, ingleichen
in Minen und Geberden gegen andere auf-
zuführen, wie wir thun würden, wenn wir
das Gute, das bey andern anzutreffen, be-

greif-

Das 3. Capitel Von der
zugebrauchen, daß man die Kinder nicht
ehrgeitzig und hochmuͤthig machet, indem
man eine Begierde nach Ruhm in ihr Ge-
muͤthe pflantzen will. Nehmlich man muß
wohl acht geben, daß ſie niemanden gegen
ſich verachten, und daher gewoͤhnen uͤberall
auf das gute zuſehen, was ſie bey andern fin-
den, die Maͤngel und Gebrechen anderer
zum beſten zudeuten, und, wo dieſes nicht
geſchehen kan, mit denen Perſonen, die da-
mit behafftet ſind, Mitleiden zu haben. Da
nun das Mittel hierzu eine aufrichtige Lie-
be iſt (§. 449. 461. Met.); ſo hat
man mit allem Fleiße eine Liebe gegen an-
dere Menſchen in ihnen zu pflantzen (§. 777.
Mor.) Auch hat man darauf zuſehen, daß
ſie beſcheiden gegen jedermann ſich auf-
fuͤhren und inſonderheit die Demuth bey
Zeiten angewoͤhnen (§. 631. 634. & ſeqq.
Mor.
).

Wie Kin-
der an-
zuge-
woͤhnen
einen je-
den zu
ehren.
§. 113.

Unerachtet nun aber Kinder
nicht faͤhig ſind das Gute, was bey andern
iſt zu beurtheilen, und ihnen daher ihre ge-
buͤhrende Ehre zu geben (§. 590. Mor.); ſo
dienet doch nicht wenig dazu, daß ſie an-
gehalten werden, jedermann mit Ehren-
Bezeigungen entgegen zu gehen, das iſt, ſich
ſo in Worten und Wercken, ingleichen
in Minen und Geberden gegen andere auf-
zufuͤhren, wie wir thun wuͤrden, wenn wir
das Gute, das bey andern anzutreffen, be-

greif-
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[84/0102] Das 3. Capitel Von der zugebrauchen, daß man die Kinder nicht ehrgeitzig und hochmuͤthig machet, indem man eine Begierde nach Ruhm in ihr Ge- muͤthe pflantzen will. Nehmlich man muß wohl acht geben, daß ſie niemanden gegen ſich verachten, und daher gewoͤhnen uͤberall auf das gute zuſehen, was ſie bey andern fin- den, die Maͤngel und Gebrechen anderer zum beſten zudeuten, und, wo dieſes nicht geſchehen kan, mit denen Perſonen, die da- mit behafftet ſind, Mitleiden zu haben. Da nun das Mittel hierzu eine aufrichtige Lie- be iſt (§. 449. 461. Met.); ſo hat man mit allem Fleiße eine Liebe gegen an- dere Menſchen in ihnen zu pflantzen (§. 777. Mor.) Auch hat man darauf zuſehen, daß ſie beſcheiden gegen jedermann ſich auf- fuͤhren und inſonderheit die Demuth bey Zeiten angewoͤhnen (§. 631. 634. & ſeqq. Mor.). §. 113.Unerachtet nun aber Kinder nicht faͤhig ſind das Gute, was bey andern iſt zu beurtheilen, und ihnen daher ihre ge- buͤhrende Ehre zu geben (§. 590. Mor.); ſo dienet doch nicht wenig dazu, daß ſie an- gehalten werden, jedermann mit Ehren- Bezeigungen entgegen zu gehen, das iſt, ſich ſo in Worten und Wercken, ingleichen in Minen und Geberden gegen andere auf- zufuͤhren, wie wir thun wuͤrden, wenn wir das Gute, das bey andern anzutreffen, be- greif-

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Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_gesellschaftlichesleben_1721/102>, abgerufen am 25.04.2024.