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Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721.

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Väterlichen Gesellschafft.
und unserer Vollkommenheit (§. 466 Met.);
so muß man auch die Kinder loben, wenn
sie gutes gethan haben, und bey dem Lobe
zugleich aufmuntern, daß sie fortfahren sol-
len, auch ihnen zeigen, wie sie deswegen
von verständigen werden lieb und werth ge-
halten werden, und was noch für grösseres
Lob zu erhalten in ihren Kräfften stehet.
Und gewiß! dieses ist der rechte Probier-
Stein der Gemüther. Wer durch Lob sich
reitzen lässet zum Guten, von dem kan man
viel gutes hoffen: hingegen wer niederträch-
tig ist und nach Lob nichts fraget, von dem
kan man sich eben nicht viel sonderliches
versprechen. Jch habe auch schon anders-
wo (§. 556. 560 Mor.) erwiesen, daß ehr-
liebende Gemüther leicht; hingegen nieder-
trächtige schweer zu lencken sind, und dem-
nach ist klar, daß jene die Anferziehung
leichte, diese hingegen sie schweer ma-
chen.

§. 112.

Weil ein ehrliebendes Gemü-Behnt-
samkeit
die hier-
bey zu
gebrau-
chen.

the gar leichte ehrgeitzig werden kan (§. 598
Mor.) und absonderlich Kinder, die noch
schwach am Verstande sind, der Sache
leicht zuviel thun können; der Ehrgeitz
aber bey ihnen viel schädliches nach sich
ziehet, indem sie sich mehr einbilden als sie
sollen, auf niemanden acht haben, andere
gegen sich verachten und was dergleichen
mehr ist: so hat man grosse Behutsamkeit

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Vaͤterlichen Geſellſchafft.
und unſerer Vollkommenheit (§. 466 Met.);
ſo muß man auch die Kinder loben, wenn
ſie gutes gethan haben, und bey dem Lobe
zugleich aufmuntern, daß ſie fortfahren ſol-
len, auch ihnen zeigen, wie ſie deswegen
von verſtaͤndigen werden lieb und werth ge-
halten werden, und was noch fuͤr groͤſſeres
Lob zu erhalten in ihren Kraͤfften ſtehet.
Und gewiß! dieſes iſt der rechte Probier-
Stein der Gemuͤther. Wer durch Lob ſich
reitzen laͤſſet zum Guten, von dem kan man
viel gutes hoffen: hingegen wer niedertraͤch-
tig iſt und nach Lob nichts fraget, von dem
kan man ſich eben nicht viel ſonderliches
verſprechen. Jch habe auch ſchon anders-
wo (§. 556. 560 Mor.) erwieſen, daß ehr-
liebende Gemuͤther leicht; hingegen nieder-
traͤchtige ſchweer zu lencken ſind, und dem-
nach iſt klar, daß jene die Anferziehung
leichte, dieſe hingegen ſie ſchweer ma-
chen.

§. 112.

Weil ein ehrliebendes Gemuͤ-Behnt-
ſamkeit
die hier-
bey zu
gebrau-
chen.

the gar leichte ehrgeitzig werden kan (§. 598
Mor.) und abſonderlich Kinder, die noch
ſchwach am Verſtande ſind, der Sache
leicht zuviel thun koͤnnen; der Ehrgeitz
aber bey ihnen viel ſchaͤdliches nach ſich
ziehet, indem ſie ſich mehr einbilden als ſie
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gegen ſich verachten und was dergleichen
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[83/0101] Vaͤterlichen Geſellſchafft. und unſerer Vollkommenheit (§. 466 Met.); ſo muß man auch die Kinder loben, wenn ſie gutes gethan haben, und bey dem Lobe zugleich aufmuntern, daß ſie fortfahren ſol- len, auch ihnen zeigen, wie ſie deswegen von verſtaͤndigen werden lieb und werth ge- halten werden, und was noch fuͤr groͤſſeres Lob zu erhalten in ihren Kraͤfften ſtehet. Und gewiß! dieſes iſt der rechte Probier- Stein der Gemuͤther. Wer durch Lob ſich reitzen laͤſſet zum Guten, von dem kan man viel gutes hoffen: hingegen wer niedertraͤch- tig iſt und nach Lob nichts fraget, von dem kan man ſich eben nicht viel ſonderliches verſprechen. Jch habe auch ſchon anders- wo (§. 556. 560 Mor.) erwieſen, daß ehr- liebende Gemuͤther leicht; hingegen nieder- traͤchtige ſchweer zu lencken ſind, und dem- nach iſt klar, daß jene die Anferziehung leichte, dieſe hingegen ſie ſchweer ma- chen. §. 112.Weil ein ehrliebendes Gemuͤ- the gar leichte ehrgeitzig werden kan (§. 598 Mor.) und abſonderlich Kinder, die noch ſchwach am Verſtande ſind, der Sache leicht zuviel thun koͤnnen; der Ehrgeitz aber bey ihnen viel ſchaͤdliches nach ſich ziehet, indem ſie ſich mehr einbilden als ſie ſollen, auf niemanden acht haben, andere gegen ſich verachten und was dergleichen mehr iſt: ſo hat man groſſe Behutſamkeit zu- Behnt- ſamkeit die hier- bey zu gebrau- chen. F 2

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Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_gesellschaftlichesleben_1721/101>, abgerufen am 25.04.2024.