Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wolff, Christian von: Der Anfangs-Gründe Aller Mathematischen Wissenschafften. Bd. 1. Halle (Saale), 1710.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>
Kurtzer Unterricht
Von was
für Sa-
chen sie
handeln.

§. 31. Die Erfahrungen sind demnach
Sätze von eintzelen Dingen/ weil ich nichts
als eintzele Dinge empfinden kan. Dan-
nenhero wer sich auf die Erfahrung beruffet/
ist verbunden einen besonderen Fall anzufüh-
ren/ wenn sie nicht so beschaffen ist/ daß man
entweder dieselbe bald haben kan/ wenn man
sie verlangt/ oder sich bald darauf besinnet/
weil man dieselbe öffters gehabt. Dieses nimt
man in der Mathematick gnau in acht.
Denn wenn man Z. E. in der Astronomie
von der Bewegung der Sonne redet/ führet
man keinen besonderen Fall an/ daß die Son-
ne auf- und untergehet/ indem es ein ieder alle
Tage siehet. Hingegen wenn man von der
scheinbahren Grösse der Sonne redet/ führet
man besondere Fälle an/ wie groß nemlich ihr
Diameter zu dieser und einer andern Zeit von
diesem und jenem Astronomo durch Hülffe
der darzu gehörigen Jnstrumente sey gefun-
den worden/ weil diese Erfahrung nicht ein je-
der haben kan/ noch zu aller Zeit/ wenn er sie
verlangt.

Wie sie
gnau zu
unter-
scheiden.

§. 32. Auch findet man/ daß die Mathe-
matici die Erfahrung von demjenigen/ was
daraus geschlossen wird/ gnau unterschei-
den: welches hingegen von andern nicht ge-
schiehet. Z. E. Es wird ein Licht angezun-
den/ so fange ich an umb mich zusehen/ was
für meinen Augen vorher gantz verdeckt und
verborgen war. Dieses ist die Erfahrung.

Hin-
Kurtzer Unterricht
Von was
fuͤr Sa-
chen ſie
handeln.

§. 31. Die Erfahrungen ſind demnach
Saͤtze von eintzelen Dingen/ weil ich nichts
als eintzele Dinge empfinden kan. Dan-
nenhero wer ſich auf die Erfahrung beruffet/
iſt verbunden einen beſonderen Fall anzufuͤh-
ren/ wenn ſie nicht ſo beſchaffen iſt/ daß man
entweder dieſelbe bald haben kan/ wenn man
ſie verlangt/ oder ſich bald darauf beſinnet/
weil man dieſelbe oͤffters gehabt. Dieſes nimt
man in der Mathematick gnau in acht.
Denn wenn man Z. E. in der Aſtronomie
von der Bewegung der Sonne redet/ fuͤhret
man keinen beſonderen Fall an/ daß die Son-
ne auf- und untergehet/ indem es ein ieder alle
Tage ſiehet. Hingegen wenn man von der
ſcheinbahren Groͤſſe der Sonne redet/ fuͤhret
man beſondere Faͤlle an/ wie groß nemlich ihr
Diameter zu dieſer und einer andern Zeit von
dieſem und jenem Aſtronomo durch Huͤlffe
der darzu gehoͤrigen Jnſtrumente ſey gefun-
den worden/ weil dieſe Erfahrung nicht ein je-
der haben kan/ noch zu aller Zeit/ wenn er ſie
verlangt.

Wie ſie
gnau zu
unter-
ſcheiden.

§. 32. Auch findet man/ daß die Mathe-
matici die Erfahrung von demjenigen/ was
daraus geſchloſſen wird/ gnau unterſchei-
den: welches hingegen von andern nicht ge-
ſchiehet. Z. E. Es wird ein Licht angezun-
den/ ſo fange ich an umb mich zuſehen/ was
fuͤr meinen Augen vorher gantz verdeckt und
verborgen war. Dieſes iſt die Erfahrung.

Hin-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0036" n="16"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Kurtzer Unterricht</hi> </fw><lb/>
          <note place="left">Von was<lb/>
fu&#x0364;r Sa-<lb/>
chen &#x017F;ie<lb/>
handeln.</note>
          <p>§. 31. Die Erfahrungen &#x017F;ind demnach<lb/>
Sa&#x0364;tze von eintzelen Dingen/ weil ich nichts<lb/>
als eintzele Dinge empfinden kan. Dan-<lb/>
nenhero wer &#x017F;ich auf die Erfahrung beruffet/<lb/>
i&#x017F;t verbunden einen be&#x017F;onderen Fall anzufu&#x0364;h-<lb/>
ren/ wenn &#x017F;ie nicht &#x017F;o be&#x017F;chaffen i&#x017F;t/ daß man<lb/>
entweder die&#x017F;elbe bald haben kan/ wenn man<lb/>
&#x017F;ie verlangt/ oder &#x017F;ich bald darauf be&#x017F;innet/<lb/>
weil man die&#x017F;elbe o&#x0364;ffters gehabt. Die&#x017F;es nimt<lb/>
man in der Mathematick gnau in acht.<lb/>
Denn wenn man Z. E. in der <hi rendition="#aq">A&#x017F;tronomie</hi><lb/>
von der Bewegung der Sonne redet/ fu&#x0364;hret<lb/>
man keinen be&#x017F;onderen Fall an/ daß die Son-<lb/>
ne auf- und untergehet/ indem es ein ieder alle<lb/>
Tage &#x017F;iehet. Hingegen wenn man von der<lb/>
&#x017F;cheinbahren Gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;e der Sonne redet/ fu&#x0364;hret<lb/>
man be&#x017F;ondere Fa&#x0364;lle an/ wie groß nemlich ihr<lb/><hi rendition="#aq">Diameter</hi> zu die&#x017F;er und einer andern Zeit von<lb/>
die&#x017F;em und jenem <hi rendition="#aq">A&#x017F;tronomo</hi> durch Hu&#x0364;lffe<lb/>
der darzu geho&#x0364;rigen Jn&#x017F;trumente &#x017F;ey gefun-<lb/>
den worden/ weil die&#x017F;e Erfahrung nicht ein je-<lb/>
der haben kan/ noch zu aller Zeit/ wenn er &#x017F;ie<lb/>
verlangt.</p><lb/>
          <note place="left">Wie &#x017F;ie<lb/>
gnau zu<lb/>
unter-<lb/>
&#x017F;cheiden.</note>
          <p>§. 32. Auch findet man/ daß die <hi rendition="#aq">Mathe-<lb/>
matici</hi> die Erfahrung von demjenigen/ was<lb/>
daraus ge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en wird/ gnau unter&#x017F;chei-<lb/>
den: welches hingegen von andern nicht ge-<lb/>
&#x017F;chiehet. Z. E. Es wird ein Licht angezun-<lb/>
den/ &#x017F;o fange ich an umb mich zu&#x017F;ehen/ was<lb/>
fu&#x0364;r meinen Augen vorher gantz verdeckt und<lb/>
verborgen war. Die&#x017F;es i&#x017F;t die Erfahrung.<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Hin-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[16/0036] Kurtzer Unterricht §. 31. Die Erfahrungen ſind demnach Saͤtze von eintzelen Dingen/ weil ich nichts als eintzele Dinge empfinden kan. Dan- nenhero wer ſich auf die Erfahrung beruffet/ iſt verbunden einen beſonderen Fall anzufuͤh- ren/ wenn ſie nicht ſo beſchaffen iſt/ daß man entweder dieſelbe bald haben kan/ wenn man ſie verlangt/ oder ſich bald darauf beſinnet/ weil man dieſelbe oͤffters gehabt. Dieſes nimt man in der Mathematick gnau in acht. Denn wenn man Z. E. in der Aſtronomie von der Bewegung der Sonne redet/ fuͤhret man keinen beſonderen Fall an/ daß die Son- ne auf- und untergehet/ indem es ein ieder alle Tage ſiehet. Hingegen wenn man von der ſcheinbahren Groͤſſe der Sonne redet/ fuͤhret man beſondere Faͤlle an/ wie groß nemlich ihr Diameter zu dieſer und einer andern Zeit von dieſem und jenem Aſtronomo durch Huͤlffe der darzu gehoͤrigen Jnſtrumente ſey gefun- den worden/ weil dieſe Erfahrung nicht ein je- der haben kan/ noch zu aller Zeit/ wenn er ſie verlangt. §. 32. Auch findet man/ daß die Mathe- matici die Erfahrung von demjenigen/ was daraus geſchloſſen wird/ gnau unterſchei- den: welches hingegen von andern nicht ge- ſchiehet. Z. E. Es wird ein Licht angezun- den/ ſo fange ich an umb mich zuſehen/ was fuͤr meinen Augen vorher gantz verdeckt und verborgen war. Dieſes iſt die Erfahrung. Hin-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_anfangsgruende01_1710
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_anfangsgruende01_1710/36
Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Der Anfangs-Gründe Aller Mathematischen Wissenschafften. Bd. 1. Halle (Saale), 1710. , S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_anfangsgruende01_1710/36>, abgerufen am 21.11.2024.