Wirth, Johann Georg August: Das Nationalfest der Deutschen zu Hambach. Heft 1. Neustadt, 1832.das reinliche Mannheim, welches, zwischen Hof- und Bürgerthum Sollen die Blicke noch weiter schweifen, den Schleier durchdringend, das reinliche Mannheim, welches, zwiſchen Hof- und Bürgerthum Sollen die Blicke noch weiter ſchweifen, den Schleier durchdringend, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0044" n="36"/> das reinliche <hi rendition="#g">Mannheim</hi>, welches, zwiſchen Hof- und Bürgerthum<lb/> ſchwebend, des Lebens Ziel und Preis in der Oper zu finden ſcheint.<lb/><hi rendition="#g">Heidelberg</hi>, ein altehrwürdiger Muſenſitz; aber manche der Fackel-<lb/> träger ſtellen das Licht unter den Scheffel, und mehr als den Muſen<lb/> opfert man dem Mammon nnd der Eitelkeit, die ſich mit Orden bläht<lb/> und Hoftiteln. <hi rendition="#g">Darmſtadt</hi>, nur auf ein Preßgeſetzlein für eine<lb/> Spanne Landes bedacht, das neben der Cenſur und unterm Schwert<lb/> des Bundestags kränkle, jenes deutſchen Bundestags, der einen deut-<lb/> ſchen Stamm zum andern als Fremdling, eine Scholle zur andern als<lb/> Ausland erklärt. <hi rendition="#g">Worms</hi>, um deſſen Gunſt dereinſt das deutſche<lb/> Reichsoberhaupt gebuhlt, deſſen tapfere Bürger Kaiſer befreiten, wo<lb/> Luther im Angeſichte des Reichstags dem verketzernden Prieſterthum<lb/> Trotz bot, Worms, von den Römern erbaut, hat den Maulkorb um.<lb/><hi rendition="#g">Mainz</hi>, wo das Genie eines Guttenberg das pochende Gefühl in der<lb/> engen Bruſt entfeſſelte und den Gedanken zum geflügelten Wort umprägte,<lb/> Mainz mußte die Schmach erleben, daß dort ein Spezialgericht zwölf<lb/> Jahre lang auf Jünglingen laſtete, die von einem Deutſchland träumten,<lb/> weil es in den Proklamationen der Mächtigen verheißen war; Mainz,<lb/> Deutſchlands Bollwerk, ſeufzt unter der Waffengewalt zweier Könige,<lb/> deren Kabinetspolitik kein Deutſchland anerkennt, und das Bollwerk<lb/> ſammt Deutſchland ſchon mehrmals an den Erzfeind verrieth. <hi rendition="#g">Frank-<lb/> furt</hi>, rührig mit Fäſſern und Ballen und Geldſäcken; Frankfurt das<lb/> im Namen noch den Ruhm eines der muthigſten deutſchen Stämme be-<lb/> wahrt; Frankfurt, wo jeder Pflaſterſtein für eine geſchichtliche Erinnerung<lb/> Deutſchlands zeugt; Frankfurt iſt — o daß ich Alles mit <hi rendition="#g">einem</hi> Wort<lb/> ſage! — iſt der Sitz des Bundestags, der Sitz des politiſchen Vati-<lb/> kans, aus welchem der Bannſtrahl herabzuckt, wo irgend ein freier,<lb/> ein deutſcher Gedanke ſich hervorwagt.</p><lb/> <p>Sollen die Blicke noch weiter ſchweifen, den Schleier durchdringend,<lb/> der die Schmach deutſcher Gauen deckt? Wollen wir in den Norden<lb/> hinabſteigen, wo die Nacht des Abſolutismus ſchwer laſtet auf einem<lb/> Volksſtamm, der ſich der helleſten Erleuchtung mit Recht rühmte, der<lb/> zu Deutſchlands Befreiung von fremdem Joche ſich zuerſt und am kräf-<lb/> tigſten erhob, jetzt aber ob der ſchmählichen Knechtſchaft im Innern und<lb/> von Außen ſich glücklich preißt? Oder wollen wir die öſtlichen Brüder<lb/> beſuchen, welche die mit Sammet überzogene Eiſenhand des ſchlaueſten<lb/> Despotismus von den übrigen Deutſchen gewaltſam trennt, ja ſie mit<lb/> dem Henkerbeile gegen dieſelben bewaffnet?</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [36/0044]
das reinliche Mannheim, welches, zwiſchen Hof- und Bürgerthum
ſchwebend, des Lebens Ziel und Preis in der Oper zu finden ſcheint.
Heidelberg, ein altehrwürdiger Muſenſitz; aber manche der Fackel-
träger ſtellen das Licht unter den Scheffel, und mehr als den Muſen
opfert man dem Mammon nnd der Eitelkeit, die ſich mit Orden bläht
und Hoftiteln. Darmſtadt, nur auf ein Preßgeſetzlein für eine
Spanne Landes bedacht, das neben der Cenſur und unterm Schwert
des Bundestags kränkle, jenes deutſchen Bundestags, der einen deut-
ſchen Stamm zum andern als Fremdling, eine Scholle zur andern als
Ausland erklärt. Worms, um deſſen Gunſt dereinſt das deutſche
Reichsoberhaupt gebuhlt, deſſen tapfere Bürger Kaiſer befreiten, wo
Luther im Angeſichte des Reichstags dem verketzernden Prieſterthum
Trotz bot, Worms, von den Römern erbaut, hat den Maulkorb um.
Mainz, wo das Genie eines Guttenberg das pochende Gefühl in der
engen Bruſt entfeſſelte und den Gedanken zum geflügelten Wort umprägte,
Mainz mußte die Schmach erleben, daß dort ein Spezialgericht zwölf
Jahre lang auf Jünglingen laſtete, die von einem Deutſchland träumten,
weil es in den Proklamationen der Mächtigen verheißen war; Mainz,
Deutſchlands Bollwerk, ſeufzt unter der Waffengewalt zweier Könige,
deren Kabinetspolitik kein Deutſchland anerkennt, und das Bollwerk
ſammt Deutſchland ſchon mehrmals an den Erzfeind verrieth. Frank-
furt, rührig mit Fäſſern und Ballen und Geldſäcken; Frankfurt das
im Namen noch den Ruhm eines der muthigſten deutſchen Stämme be-
wahrt; Frankfurt, wo jeder Pflaſterſtein für eine geſchichtliche Erinnerung
Deutſchlands zeugt; Frankfurt iſt — o daß ich Alles mit einem Wort
ſage! — iſt der Sitz des Bundestags, der Sitz des politiſchen Vati-
kans, aus welchem der Bannſtrahl herabzuckt, wo irgend ein freier,
ein deutſcher Gedanke ſich hervorwagt.
Sollen die Blicke noch weiter ſchweifen, den Schleier durchdringend,
der die Schmach deutſcher Gauen deckt? Wollen wir in den Norden
hinabſteigen, wo die Nacht des Abſolutismus ſchwer laſtet auf einem
Volksſtamm, der ſich der helleſten Erleuchtung mit Recht rühmte, der
zu Deutſchlands Befreiung von fremdem Joche ſich zuerſt und am kräf-
tigſten erhob, jetzt aber ob der ſchmählichen Knechtſchaft im Innern und
von Außen ſich glücklich preißt? Oder wollen wir die öſtlichen Brüder
beſuchen, welche die mit Sammet überzogene Eiſenhand des ſchlaueſten
Despotismus von den übrigen Deutſchen gewaltſam trennt, ja ſie mit
dem Henkerbeile gegen dieſelben bewaffnet?
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