Deutſchland, wo die Wiſſenſchaft und die Kunſt am tiefſten ergründet
wurden, das große Reich, wo die Treue wohnt und die Kraft, der
Fleiß, die Mäßigung und die Rechtſchaffenheit, dieſes unſer geſegnetes
Vaterland, iſt gleichwohl unbeſchreiblich elend, weil ihm durch innere
Feinde die Elemente der politiſchen Hoheit und der Staatswohlfahrt
geraubt ſind: die Freiheit und die Nationaleinheit. Herrſchſüch-
tige Thoren, deren mattes Herz für das erhebende Gefühl der Vater-
landsliebe keinen Raum hat, kleine Menſchen, die den armſeligen Flit-
terſtaat einer Krone höher ſchätzen, als die Majeſtät einer großen Na-
tion, verdorbene Gemüther endlich, welche ein eingebildetes perſönliches
Glück mit ewigen Leiden einer Bevölkerung von 36 Millionen Menſchen
zu erkaufen im Stande ſind, haben durch grauſame Unterdrückung die
Ordnung der Natur umgekehrt, die öffentliche Vernunft von der Lei-
tung der Staatsangelegenheiten verdrängt, die Nationalkraft gebrochen,
und den Ruhm, ja ſogar das Daſein der deutſchen Nation unbarmherzig
getödtet. Ihre Staatsweisheit brachte es dahin, daß das deutſche
Reich endlich auch nach Außen ſeine Selbſtſtändigkeit verlor und unter
das Scepter eines fremden Eroberers gebeugt wurde. Nur dann, als
die ſtolzen Herrſcher die Trübſale der Unterjochung ſelbſt fühlen mußten,
erſt dann, als man ſie ſelbſt an den Triumpfwagen eines übermüthigen
Despoten geſpannt und den bittern Kelch der Sclaverei zu leeren ſie ge-
zwungen hatte, erſt dann wollten ſie das Reich und das Volk der Deut-
ſchen wieder kennen, wie reuige Sünder erhoben ſie ihre Arme flehend
zu dem Volke und baten um Rettung und Hülfe. Jezt auf einmal war
nicht von Preußen und Oeſterreich, ſondern nur von Deutſchland
die Rede. Nicht Preußen und Oeſterreich, ſondern Deutſchland
ſollte befreit und wiederhergeſtellt werden. Großmüthig, wie immer, ver
gab unſer Volk alle erlittene Drangſale, gedachte nur der Leiden und der
Demüthigung des Vaterlandes, und trat daher dem äußern National-
feind ſtark und kühn entgegen. Wo Deutſchland in die Schranken tritt
— kann der Sieg nicht zweifelhaft ſeyn — der äußere Feind ward nieder
geworfen, das Vaterland war frei. Und erſtand es nun wirklich, das
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vereinte freie und glückliche DentſchlandDeutſchland, das die Fürſten
uns verheißen hatten? Die Cenſur, der Gewiſſenszwang, die Mauthen,
die Feudalherrſchaft, das Mainzer Inquiſitionsgericht, das Regiſter der
deutſchen Steuern, die 38 Fetzen des Landes, die Geſetze, wodurch
man alle dieſe Lappen gegenſeitig für ausländiſch erklärt, und dem
deutſchen Bürger das Recht benimmt, in jedem Theile ſeines großen
Vaterlandes zu wohnen, die Verweigerung conſtitutioneller Verfaſſungen,
das Gerichtsverfahren, die Kabinetsjuſtizen, die Kabinetsregierungen,
die Congregationen, die Lotterien, das enorme Steigen der Staats-
ſchulden, die Heimlichkeit, die Camarilla’s, der furchtbarſte Geſetzesdruck,
die krebsähnlich um ſich greifende Verarmung der Bürger, das zahlloſe
Heer von Armen und Bettlern, endlich die Quelle, der Stützpunkt und
der Inbegriff aller dieſer Herrlichkeiten, der Bundestag geben die
Antwort. In der That, es giebt kein Volk das bitterer getäuſcht
worden wäre, als das deutſche Volk. Neuer unerträglicher Druck inne-
rer Tyrannei, abermalige Zerriſſenheit und neue Ohnmacht nach Außen
war der Lohn ſeiner Anſtrengungen, die Frucht ſeiner Siege. Doch
man trug die Leiden des Landes und Volkes nicht mehr gefühllos: man
wußte, daß man betrogen war, und der Schmerz der Täuſchung rief
eine patriotiſche Oppoſition im Volke hervor, die durch Gewalt mehrere
Jahre zwar niedergehalten wurde, doch im Stillen ſich fortpflanzte und
blos einer ſchicklichen Gelegenheit bedurfte, um mit neuer Kraft und
geſteigertem Nachdrucke hervorzutreten. — Einige kleinere Mächte Deutſch-
lands waren theils durch drückende Finanznoth, theils durch den Drang
anderer Umſtände gezwungen worden, eine Art von Repräſentativ-Verfaſ-
ſungen zu bewilligen. So armſelig und krüppelhaft dieſe Conſtitutionen
nun auch waren, ſo gaben ſie doch durch öffentliche Verhandlungen von
Wahlkammern einen Impuls zur Weckung des öffentlichen Lebens. Die
erſte Frucht zeigte ſich in dem Aufſtreben der Preſſe. Sie gewann in
Franken und Rheinbaiern den erſten Aufſchwung, ermuthigte und ſtärkte
die öffentliche Meinung und ließ bald gewahr werden, welche Kraft in
den Deutſchen liegt und wie reif unſer Volk ſchon iſt für eine Ver-
faſſung mit der umfaſſendſten Freiheit. Da trat denn vollends die große
Kataſtrophe des Julius ein und weckte neue herrliche Kräfte auch im
deutſchen Volke. Einem baierſchen Miniſter war der Impuls, den die
JnlirevolutionJulirevolution für Erweckung des Volksgeiſtes in Deutſchland gegeben
hatte, noch nicht kräftig genug; er ahmte daher das Beiſpiel der Räthe
Carl X. nach, griff mit kecker Hand in die Verfaſſung des Landes ein
und ſchuf augenblicklich eine ſo allgemeine und ſo nachdrückliche Oppoſi-
tion, wie ſie vorher in dieſem Lande noch nie geſehen worden war.
Dazu kam der günſtige Umſtand, daß einige Monate nach der letzten
Staatsumwälzung in Frankreich zwei deutſche Volkskammern gleichzeitig
verſammelt waren, gleichzeitig auf Emancipation des Volkes zu wirken
ſtrebten und durch Entwicklung einer vorher nicht erkannten Kraft unter
einem großen Theile der deutſchen Völker auf einmal den regſten Sinn
für das öffentliche Leben und die bürgerliche Freiheit hervorriefen. Nun
trat auch die Preſſe entſchiedener auf. Neue Organe derſelben entſtan-
den. Nicht blos einzelnen Stämmen, ſondern dem geſammten deut-
ſchen Vaterlande galt ihr Wirken. Bald war ein treues Bündniß ver-
ſchiedener Journale ſtillſchweigend geſchloſſen, das Ziel des vereinigten
Strebens ward nun kühn und frei ausgeſprochen — die Befreiung
und Wiedervereinigung Deutſchlands. Wie ein electriſcher
Funke wirkte das Zauberwort der Einheit Deutſchlands auf alle Gauen
unſeres Landes. Das Volk war in kurzer Zeit wie umgewandelt.
Nur eine Idee, nur eine Sympathie bewegte alles: die Wiederge-
burt des Vaterlandes. Immer zahlreicher, immer dichter wurde
die Phalanx der deutſchen Patrioten, in jedem Bruderſtamme ſtiegen glän-
zende Talente auf und traten in die Reihen der Kämpfer für die große
Sache ein. Es waren nicht mehr die Litteraten und gelehrten Autori-
täten allein, welche die Oppoſition bildeten; die Bürger, die Geſchäfts-
und Gewerbsmänner, dieſer Kern der Nationalkraft, erklärten ſich feu-
rig für die Reform des Vaterlandes und gaben der Sache noch mehr
Gewicht und Bedeutung. Die Unterhaltung mit Tagesneuigkeiten ver-
ſchwand aus den Geſellſchafts- und Erholungsörtern; Beſprechung über
die Bedürfniſſe des Landes und Berathung über die Mittel zur Wie-
dergeburt Deutſchlands war an die Stelle getreten. Bald gieng man
einen Schritt weiter und veranſtaltete politiſche Feſte, die durch reine
Begeiſterung für die Sache der Völker und die Reform des Landes ei-
nen tiefen Eindruck in den Anweſenden zurückließen und allgemeinen
Enthuſiasmus weithin über alle deutſche Gauen verbreiteten. Da zogen
endlich die Trümmer des polniſchen Heldenheeres durch das ſüdliche und
weſtliche Deutſchland und bezauberten alle Herzen durch ritterliche Hal-
tung, hohe Geiſtesbildung, reine Sitten und vor allem durch die un-
ſchätzbare Tugend der Beſcheidenheit. Die Anſchauung ſolcher Eigen-
ſchaften ſteigerte die Theilnahme an dem Unglücke der edlen Nation zur
äußerſten Enträſtung über den ruſſiſchen Despoten und deſſen deutſche
Helfershelfer, und mit Windeseile durchdrang alle ſüddeutſchen Patrio-
ten der Gedanke, daß Polen durch Deutſchland wieder hergeſtellt werden
müße, daß dieß durch die Befreiung und Wiedervereinigung Deutſch-
lands auch wirklich geſchehen werde und daß daher die Sache Polens
von jener Deutſchlands fortan unzertrennlich ſey. Ein treues Bündniß
umſchlingt ſeitdem die polniſchen und die deutſchen Patrioten. — Der
rieſenmäßige Aufſchwung, den das öffentliche Leben in Deutſchland durch
das vereinigte Wirken der verſammelten Volkskammern und der Preſſe im
Jahre 1831 gewonnen hat, erweckte auch die Idee, den ausgezeichnetſten
Volksvertretern Feſte zu bereiten, um die Uebereinſtimmung des Volkes
mit den Grundſätzen der entſchiedenen Oppoſition öffentlich an den Tag
zu legen. Unter dieſen Volksvertretern ragte durch Charakter, Geiſt
und reinen Willen vorzüglich Schüler hervor. Ihm bereiteten daher die
Bürger Rheinbaierns am 29. Januar 1832 ein Feſt des Dankes und der
Anerkennung, ein Feſt, das nur von entſchiedenen Patrioten veranſtal-
tet auch nur entſchiedene Männer verewigen ſollte, in dieſem Sinne
auch wirklich begangen wurde und in der Geſchichte der deutſchen Re-
form die erſte Epoche bezeichnen wird. Denn am 29. Januar 1832
wurde in Deutſchland zum erſten Male öffentlich ausgeſprochen, daß eine
Vermittlung mit dem Princip der Legitimität und dem Königthume des
göttlichen Rechts unmöglich ſey und daß die Reform Deutſchlands auf
das Princip der unbedingten Volks-Souverainität gebaut werden müße.
Die rheinbairiſche Preſſe eröffnete nun den entſchiedenen Kampf; er
wurde mit Kraft und Nachdruck geführt. Da entſchloß ſich die bai-
riſche Regierung zu Gewaltſchritten. Man ließ ſie gewähren, um dem
Volke über ſeinen rechtlichen Zuſtand die Augen zu öffnen. Die Wirkung
blieb nicht aus: ungleich entſchiedener und kraftvoller zeigte ſich der
Volksgeiſt während des momentanen Stillſchweigens der periodiſchen
Preſſe, als während deren Wirkens. Ein Erſatz für dieſe blos für die
Reform Deutſchlands wirkende Preſſe war bald gefunden; er beſteht in
großen öffentlichen Volksverſammlungen. Jener deutſche Patriot, der
nicht nur den Volksgeiſt in Rheinbaiern zuerſt erweckt, ſondern auch in
Deutſchland zur entſchiedenen Oppoſition den erſten Impuls gegeben hat,
Siebenpfeiffer, ergriff die Idee zu einem deutſchen National-
feſte und theilte ſolche den charactervollen deutſchen Bürgern in Neuſtadt
an der Haardt mit. Sogleich kam man überein, den bedeutungsvollen
Mai zu benützen, um in einer großen Volksverſammlung auf der Schloß-
ruine Hambach, ohnweit des Rheines, den Grundſtein zur Wiederge-
burt Deutſchlands zu legen. Vier und dreißig würdige Bürger aus
Neuſtadt a.d. Haardt und der Umgegend erwarben ſich das Verdienſt, die
Einladung zu dem Feſte, und die Anordnung und Leitung deſſelben zu über-
nehmen. Wir übergeben hier ihre Namen den dankbaren Andenken
der Nachwelt. Es waren die Herren:
„Ph. Abreſch, Oekonom. S. Baader, Oekonom. S. Baader,
Weinhändler. Blaufus, Geſchäftsmann. Ph. Chriſtmann,
Buchhändler. F. Deidesheimer, Kaufmann. P. Ferckel, Müller,
Fix, Kaufmann. H. Fritzweiler, Kaufmann. G. Frey, Oeko-
nom. F. Gies, Oekonom. Göttheim, Kaufmann. Ch. Heckel,
Oekonom. Dr. Hepp, Arzt. G. Helfferich, Kaufmann. C. Hornig,
Weinhändler. J. Hornig, Oekonom. Käſtler, Geſchäftsmann.
F. Klein, Gerber. G. Klein, Gutsbeſitzer. H. Klein, Oeko-
nom. K. Klein, Oekonom. J. J. Lederle, Kaufmann. Lembert,
Notär. Ch. Mattil, Oekonom. W. Michel, Oekonom. Müller,
Notär. J. Raſſiga, Kaufmann. Ries, Schneider. Schimpf,
Bürgermeiſter. J. Schopmann, Landſtand. J. Umbſtätter,
Oekonom. F. Brod, Kaufmann. Walther, Kaufmann.“
Die Einlandung zu dem Feſte, verabfaßt von Siebenpfeiffer
lautete allſo:
„Neuſtadt an der Haardt im baieriſchen Rheinkreis,
20. April 1832.
„In öffentlichen Blättern, namentlich der Speierer Zeitung, iſt eine
Einladung zu einem Conſtitutionsfeſte auf dem Hambacher Schloſſe er-
ſchienen. Solche iſt ohne Auftrag ergangen; mit Beziehung auf nach-
ſtehenden Aufruf, bitten wir, jene Einladung als nicht geſchehen zu be-
trachten.
„Der Deutſchen Mai.
„Völker bereiten Feſte des Dankes und der Freude beim Eintritte
heilvoller großer Ereigniſſe. Darauf mußte das deutſche Volk ſeit
Jahrhunderten verzichten. Zu ſolcher Feier iſt auch jetzt kein Anlaß vor-
handen, für den Deutſchen liegen die großen Ereigniſſe noch im Keim;
will er ein Feſt begehen, ſo iſt es ein Feſt der Hoffnung; nicht gilt es
dem Errungenen, ſondern dem zu Erringenden, nicht dem ruhmvollen
Sieg, ſondern dem mannhaften Kampf, dem Kampfe für Abſchüttelung
innerer und äußerer Gewalt, für Erſtrebung geſetzlicher Freiheit und
deutſcher Nationalwürde.“
„Alle deutſchen Stämme ſehen wir an dieſem heiligen Kampfe Theil
nehmen; alle ſeyen darum geladen zu dem großen Bürgerverein, der
am Sonntag 27. Mai, auf dem Schloſſe zu Hambach bei Neuſtadt
am Haardtgebirge ſtatt finden wird.“
„Im Mai hielten, nach germaniſcher Sitte, die Franken, unſre
ruhmbekränzten Väter, ihre National-Verſammlungen; im Mal em-
pfing das heldenmüthige Polen ſeine Verfaſſung; im Mai regt ſich die
ganze phyſiſche und geiſtige Natur: wie ſollte, wo die Erde mit Blü-
then ſich ſchmückt, wo alle keimenden Kräfte zur Entwicklung ſtreben,
wie ſollte die Empfindung des freien Daſeyns, der Menſchenwürde,
ſtarren unter der Decke kalter Selbſtſucht, verächtlicher Furcht, ſtraf-
barer Gleichgültigkeit?“
„Auf, ihr deutſchen Männer und Jünglinge jedes Standes, welchen
der heilige Funke des Vaterlands und der Freiheit die Bruſt durchglüht,
ſtrömet herbei! Deutſche Frauen und Jungfrauen, deren politiſche
Mißachtung in der europäiſchen Ordnung ein Flecken iſt, ſchmücket und
belebet die Verſammlung durch eure Gegenwart! Kommet Alle herbei
zu friedlicher Beſprechung, inniger Erkennung, entſchloſſener Verbrüde-
rung für die großen Intereſſen, denen ihr eure Liebe, denen ihr eure
Kraft geweiht.“
Eine ſolche Einladung mußte in der Bruſt eines jeden deutſchen
Patrioten Wiederhall finden, — und ſie fand ihn. Unausſprechlich war
der Eindruck, den die große Idee einer deutſchen Volksverſammlung
allenthalben hervorbrachte; Hoffnung und Vertrauen belebte alles; kaum
konnte man den ſchoͤnen Tag erwarten, an dem unter ſo andeutungsvollen
Umſtaͤnden der Deutſchen Mai wieder als Nationalverſammlung
auf die Buͤhne der Welt treten ſollte. Was indeſſen die Hoffnung und
die freudige Begeiſterung des deutſchen Volkes erweckte, das mußte na-
tuͤrlicherweiſe das boͤſe Gewiſſen der volksfeindlichen Machthaber mit
ſcheuer Angſt und zitternder Geſpenſterfurcht erfuͤllen. Die baieriſche
Regierung ſuchte daher das große Feſt zu vereitlen. Sie glaubte ihren
lichtſcheuen Zweck wie gewoͤhnlich durch Willkuͤhr und rohe Gewalt zu
erreichen; ſie erkuͤhnte ſich daher nicht nur die Verſammlung freier
Buͤrger, zu einem friedlichen patriotiſchen Zwecke, foͤrmlich zu verbieten,
ſondern auch die Einwohner der Stadt Neuſtadt und einiger umliegen-
den Gemeinden auf die Dauer von 3 Tagen von allem Verkehr mit Frem-
den abzuſchneiden, denſelben waͤhrend dieſer Zeit jede Zuſammenkunft zu
verbieten und ihnen jede freie Bewegung zu unterſagen. Dieſer Akt
geſetzloſer Gewalt, der die Inſtitutionen des Rheinkreiſes in ihren Grund-
pfeilern erſchuͤttert und fuͤr immer vernichtet haͤtte, beſtand in folgendem
Befehle:
Art. 1.
„An den Tagen des 26., 27. und 28. des Monats Mai 1832 iſt allen
Fremden, d. h. allen in Neuſtadt nicht domicilirten oder in Dienſten
ſtehenden Perſonen, ein Zutritt und Aufenthalt in der Stadt Neuſtadt
nicht geſtattet. Gleiches Verbot erſtreckt ſich fuͤr eben dieſe Tage auch
auf die Gemeinden Winzingen, Ober-, Mittel- und Unterhambach.“
Art. 2.
„An den genannten Tagen iſt die Polizeiſtunde auf 8 Uhr Abends feſt-
geſetzt. Mit dieſer Stunde ſind alle Wirthshaͤuſer zu ſchließen; zugleich
werden die Polizeibehoͤrden ermaͤchtiget, jedes Wirthshaus zu jeder
Stunde des Tages zu ſchließen, wenn in einem derſelben Exceſſen vor-
fallen oder zu befuͤrchten ſtehen ſollten.“
Art. 3.
„Ebenſo werden alle Verſammlungen an den Tagen des 26., 27. und
28 des Monats Mai auf den oͤffentlichen Straßen und Plaͤtzen unterſagt.
Als Verſammlung iſt anzuſehen, wenn mehr als fuͤnf Perſonen beiſam-
men ſind.“
Art. 4.
„Ingleichen werden Reden an die verſammelte Volksmenge an
allen oͤffentlichen Orten an eben dieſen Tagen verboten.“
Doch die Feinde der Nation hatten ſich dießmal getaͤuſcht. Sie hatten
dem Volk den Handſchuh hingeworfen, in der Hoffnung, er werde nicht
angenommen werden. Allein er ward es. Nur ein Entſchluß durchdrang
die Bruſt der Bewohner Rheinbaierns: der unerſchuͤtterliche Entſchluß,
die Regierung in die Schranken der Geſetze zuruͤckzuweiſen, die In-
ſtitutionen des Landes durch Thatkraft aufrecht zu erhalten und daher
aller Verbote und aller allenfallſigen Gewaltmaßregeln der Regierung
ungeachtet am 27. Mai auf der Schloßruine Hambach in Maſſe zu erſchei-
nen. Der Stadtrath zu Neuſtadt an der Haardt war es, welcher zuerſt
wider das geſetzwidrige Verbot der Regierung foͤrmliche Proteſtation
einlegte. Wir uͤbergeben die Namen der Mitglieder einer ſolchen ehr-
wuͤrdigen Corporation dem dankbaren Andenken der Nachwelt:
„L. Dacqué. J. Schopmann. J. Goͤttheim. F. K. Exter. G. Frey
J. Boͤckler. J. F. Schopmann. Haſſieur. Ch. Mattil. H. Cla us
G. F. Grohe-Henrich. Zinckgraf. L. Bub. A. Pancera. J. Foͤſter.,
C. L. Braun. W. Sauter. A. Penner. E. J. Raſor. Ph. Hel-
fenſtein. J. Brod. F. J Frey. J. Abreſch. . Knochel. G. Exter.“
Der Schluß der Proteſtation Sowohl dieſe Proteſtation, als alle uͤbrigen das Hambacher National-
feſt betreffenden Aktenſtuͤcke, werden in dem zweiten Hefte dieſer
Feſtbeſchreibung abgedruckt werden. lautet alſo:
„In Erwägung, daß es der Regierung ſelbſt nach den Geſetzen,
auf die ſie ſich zur Rechtfertigung ſolcher unerhörten Maßregeln ſtützt,
nicht freiſteht, eine Gegend willkührlich in Belagerungsſtand zu ſetzen,
ſogar ſie von allem Verkehr abzuſchneiden, und die zu ihrer Approviſio-
nirung zu haltenden Märkte zu unterſagen; daß es vielmehr ihre Pflicht
wäre, alle Hinderniſſe der freien Bewegung der Bürger und Fremden
aus dem Weg zu räumen — und die perſönliche Freiheit der Bürger
zu ſchützen.“
„Daß es ihr zwar mit Recht zuſteht, alle polizeilichen Vorſichts-
maßregeln zu ergreifen, um bei öffentlichen Verſammlungen im Freien
etwaige Unordnungen zu verhüten und die Störer der öffentlichen Ruhe
zu ergreifen; daß es ihr aber nicht zukommt, öffentliche Beluſtigungen
und Verſammlungen ſelbſt zu ſtören, wenn dieſe ſich in den Schranken
der Ordnung und des Geſetzes halten.“
„In Erwägung, daß es nicht von der Willkühr der Regierung ab-
hängt, eine Verſammlung zum Voraus als ſeditioͤs zu erklären, ehe wirk-
liche Thatſachen dieſes beweiſen, und daß es für alle rechtliche und an-
geſeſſene Bürger der Gegend äußerſt verletzend ſeyn muß, von der Lan-
desregierung öffentlich des Geiſtes des Aufruhrs beſchuldigt zu werden,
da es doch im höchſten Intereſſe Aller liegt, jeder Unordnung zu be-
gegnen, welche die Freude des Feſtes ſtören würde.“
„Daß dieſe Beſchuldigung um ſo auffallender iſt, wenn die Regie-
rung in allen ſeitherigen Aufrufen, ſelbſt noch in der gerügten Verord-
nung, volles Vertrauen in die Gerechtigkeits- und Ordnungsliebe der
Bewohner des Rheinkreiſes zu ſetzen vorgibt, und durch ihre Maßre-
geln und Beſchlüſſe gerade das gehäſſigſte und ungegründetſte Mißtrauen
an den Tag legt, daß ſie ſogar gegen die ganze Gegend ein ſolches
Interdict verhängt, wie die franzöſiſche Regierung nicht gegen die wirk-
lich aufrühreriſchen Städte Lyon, Grenoble ꝛc. ꝛc. ꝛc. that.“
„In Erwägung, daß die ſtädtiſche Verwaltung hierin von allen
guten Bürgern unterſtützt, hinreichend im Stande iſt, die Ordnung zu
handhaben, auch ſelbſt wenn ſie dabei nicht von der Regierung unter-
ſtützt würde, daß der Stadtmagiſtrat in corpore dieſe Ordnung ver-
bürgt und jede Störung ſogleich ſelbſt unterdrücken wird.“
„Daß alſo, indem durch die Wachſamkeit der Polizei allen Un-
ordnungen vorgebeugt, oder im Entſtehen ſie ſogleich erſtickt werden kön-
nen, alle weitere Maßregeln, welche die Einwohner ihrer perſönlichen
und bürgerlichen Freiheit und Rechte berauben, nur als vexatoriſch be-
trachtet werden können.“
„In Erwägung, daß es die Ehre und das Intereſſe aller Bewoh-
ner der mit dem Interdict belegten Gemeinden erfordert, ſolchen die
natürliche Freiheit beraubenden ungeſetzlichen Maßregeln ſich zu wider-
ſetzen.“
„Aus dieſen Gründen
„proteſtirt der Stadtrath hierdurch feierlichſt gegen die angeführte Ver-
„ordnung vom 8. Mai, und verwahrt ſich gegen alle Folgen, welche
„die beabſichtigt werden könnende Vollziehung derſelben herbeiführen
„wuͤrde, und weiſet alle Verantwortlichkeit deßhalb auf die Regierung
„zurück.“
Raſch auf einander folgten nun die Proteſtationen anderer Staͤdte, nament-
lich proteſtirten Frankenthal Speier, Kaiſerslautern, Landau und Zwei,
bruͤcken. Eine beſondere ehrenvolle Erwaͤhnung muß hier dem Benehmen
der Stadt Landau zu Theil werden. Der Wahnſinn der Regierung war
naͤmlich bis zu dem faden Vorſatze geſteigert worden, das Schloß Ham-
bach mit einer Militaͤrmacht von 2500 Mann zu beſetzen, um die Buͤrger
mit Gewalt von dem Beſuche des Feſtes abzuhalten. Um dieſe Militaͤr-
macht zu verpflegen, wollte man die Lieferung der noͤthigen Lebensmittel
an den Wenigſtnehmenden verſteigern. Allein auch nicht ein einziger Buͤrger
konnte zur Uebernahme eines ſolchen Geſchaͤfts bewogen werden, obgleich
bei dem Mangel an Concurrenten, ein großer Gewinn ganz ſicher war-
Der Stadtrath von Landau machte vielmehr die Regierung auf die furcht-
baren Folgen ihres wahnwitzigen Verfahrens aufmerkſam und ſandte eine
beſondere Deputation nach Speier, dem Sitze des Regierungs-Collegiums
ab, um dem Regierungs-Praͤſidenten die Größe der ihm drobenden Ver-
antwortlichkeit mit maͤnnlichem Nachdruck vor die Augen zu halten. Ehre
den bravem Deutſchen Landau’s!
Geſtuͤtzt auf ein aͤußerſt gruͤndliches Rechtsgutachten der ausgezeichne-
ten Advokaten Schüler, Savoye und Geib, proteſtirten ferner
die Feſtordner ſelbſt, und erklaͤrten mannhaft, daß ſie trotz des ungeſetz-
lichen Verbotes unerſchuͤttert fortfahren wuͤrden, alle Vorbereitungen fuͤr
das Feſt zu vollenden, weshalb deren Einladung dazu erneuert wurde.
Endlich erhob ſich auch der eben verſammelte Landrath der Provinz
Rheinbaiern wider die empoͤrenden Gewaltſchritte der Regierung, und
drang darauf, daß das geſetzwidrige Verbot des Nationalfeſtes zuruͤck
genommen werde. Es gereicht uns zum großen Vergnuͤgen, auch die Namen
der Mitglieder dieſer ehrenwerthen Volks-Repraͤſentation dem dankbaren
Andenken der Nachwelt zu uͤbergeben. Dieſe Mitglieder waren:
„Notär Köſter, Advokat Mahla, Notär Rencker, Rentmeiſter
Stöhr, Tabaksfabrikant Kienlein, Conſiſtorialrath Müller, Ein-
nehmer Mühlhäuſer, Bezirksingenieur Denis, Doctor Thomas,
Advokat Haas, Bürgermeiſter Brunk, Pfarrer Hahn, Gutsbe-
ſitzer Gieſen, Gutsbeſitzer Jakob, Gutsbeſitzer Frank, Pfarrer
Schnetter, Poſthalter Ritter, Gutsbeſitzer Spitz, Bürgermeiſter
Ladenberger, Einnehmer Rauch, Gutsbeſitzer Kern, Gutsbeſitzer
Schneider, Weinhändler Gieſen.“
Sobald ein Volk der geſetzwidrigen Willkuͤhr ſeiner
Regierung einen feſten Willen entgegen ſetzt, iſt der
Sieg ihm gewiß, und die Niederlage der Regierung un-
vermeidlich. Dieſe Wahrheit bewaͤhrt ſich auch in dem unterſtell-
ten Falle. Die baieriſche Regierung ſuchte aͤngſtlich nach einer
Hinterthuͤre, und einem ſchicklichen Vorwand, das Verbot des Feſtes zu-
ruͤckzunehmen. Sie machte dann zuerſt mit einer halben Zuruͤcknahme
einen Verſuch und mußte ſich endlich zu dem ſauern Schritte entſchließen,
ihre geſetzwidrige Willkuͤhr zu bekennen, naͤmlich ihr monſtroͤſes Verbot
unbedingt zuruͤck zu nehmen. Moͤge das deutſche Volk durch dieſes Er-
eigniß ſeine Kraft kennen lernen und niemals mehr vergeſſen, daß dem
feſten Volkswillen keine Macht der Regierung zu widerſtehen vermag. Den
Namen des Mannes, der in dem Kampfe des Abſolutismus gegen die Natio-
nalſache der Deutſchen ein ſo thaͤtiges Werkzeug der Volksfeinde abgiebt-
jenes Mannes, der den Verſuch wagte, die Inſtitutionen Rheinbaierns
durch taͤglich wiederholte Angriffe allmaͤhlich zu erſchuͤttern und dadurch
eine große Hoffnung des deutſchen Vaterlandes zu vernichten, auch den
Namen dieſes Mannes uͤbergeben wir der Nachwelt, doch nur darum,
damit ſie ihn richten moͤge. Das Werkzeug der geſetzwidrigen Gewalt heißt:
Andrian-Werburg und fuͤhrt den Titel „Freiherr,
General-Commiſſaͤr und Regierungs-Praͤſident.“
Die baieriſche Regierung hatte zwar die Intrigue begangen, durch
heimliche Correſpondenzen mit den andern Gouvernements die Zurück-
nahme des Feſtverbotes nur auf baieriſche Deutſche zu beſchränken und
ſo das Verbot gegen unſere Brüder aus andern Stämmen hinterliſtig
aufrecht zu erhalten; allein deßungeachtet ſtrömten die Patrioten aus
allen Gauen unſeres gemeinſamen Vaterlandes zuſammen. Die meiſten
trafen ſchon am 26. Mai in Neuſtadt ein. Von Mittags bis Abends
bot dieſe Stadt an jenem Tage das erhebenſte Schauſpiel dar. Von
Viertelſtunde zu Viertelſtunde langten neue Züge von Patrioten an,
die meiſten auf offenen mit Eichenlaub bekränzten Wagen, auf denen
die deutſche Fahne wehte. Sei geſegnet glücklicher Tag, wo nach lan-
gen Leiden und Drangſalen das Emblem der Kraft und der Hoheit, die
Standarte unſeres mächtigen Deutſchlands, von den Repräſentanten
faſt aller deutſchen Stämme an dem prächtigen Rheine wieder entfal-
tet war!
Am 26. Mai Abends verſammelte ſich ein großer Theil der ange-
kommenen Gäſte auf dem Schießhauſe bei Neuſtadt, um wechſelſeitig
Bekanntſchaft zu machen. Man bemerkte hier die Repräſentanten faſt
aller deutſchen Stämme, und unter ihnen die in Deutſchland am höch-
ſten ſtehenden Namen. Es war ein großer, ſchöner Moment, wo alte
Freunde einander wiederſahen, wo neue Freundſchaften geſchloſſen wur-
den, und wo vor allem die Brüderſtämme der Deutſchen mit boffen-
dem und freudigem Vertrauen ſich näherten, mit Begeiſterung ſich
umſchlangen und die großen Intereſſen des gemeinſamen Vaterlan-
des mit tiefer Sachkenntniß und durchdringendem Scharfſinn lebhaft ver-
handelten. Später am Abend ſammelten ſich in Neuſtadt an allen
öffentlichen Orten kleinere Geſellſchaften, in welchen überall die An-
gelegenheiten unſeres Volkes klar, ernſt und würdig berathen wurden.
Die Feſtlichkeiten ſelbſt gingen in folgender Ordnung vor ſich:
1) Am 26. Mai Abends wurde die Eröffnung des Feſtes durch das
Geläute aller Glocken und durch mehrſtündiges Abfeuern von Ge-
ſchütz angekündiget; auch waren auf den hoͤchſten Punkten des Haardt-
gebirges Freudenfeuer angezuͤndet.
2) Dieſelbe Feierlichkeit ging am 27. Mai, als dem eigentlichen
Feſttage, früh nach Tagesanbruch vor ſich.
3) Um 8 Uhr Morgens verſammelten ſich die Theilnehmer an dem
Feſte auf dem Marktplatze zu Neuſtadt. Der Zug wurde nun
geordnet und begab ſich in folgender Weiſe auf die Schloßruine
Hambach:
a) Eine Abtheilung Bürgergarde mit Muſik;
b) Frauen und Jungfrauen mit der poln. Fahne, letztere getragen von
einem Fähndrich, der mit einer weiß rothen Schärpe geſchmückt war;
c) eine zweite Abtheilung Bürgergarde;
d) eine Abtheilung der Feſtordner, von welchen jeder eine Schärpe
aus ſchwarz, roth und gold trug, in der Mitte die deutſche
Fahne, mit der Inſchrift „Deutſchlands Wiedergeburt“;
e) der ganze Landrath Rheinbaierns;
f) eine zweite Abtheilung Feſtordner. (Beide Abtheilungen der
Feſtordner bildeten die Ehrenbegleitung des würdigen Land-
rathes);
g) die verſchiedenen Deputationen aus den deutſchen Gauen, na-
mentlich Rheinpreußen, Baden, den beiden Heſſen, Würtem-
berg, Franken, Altbaiern, Sachſen, Hannover, Weſtphalen,
Naſſau, Lichtenberg, Coburg, Frankfurt u. ſ. w. u. ſ. w.;
h) die andern Feſtbeſucher aus allen Ländern deutſcher Zunge,
nach Stämmen geordnet, jeder mit einer oder mehreren deut-
ſchen Fahnen;
i) eine Abtheilung Bürgergarde.
Nachdem der Zug ſich in Bewegung geſetzt hatte, wurde mit feier-
lichem Ernſt das bedeutungsvolle Lied angeſtimmt: „Was iſt des Deut-
ſchen Vaterland.“ — Welche Feder vermöchte den ergreifenden Anblick
zu ſchildern, den dieſer Theil der Feſtlichkeit darbot. Die Deutſchen
waren zum erſten Male wieder brüderlich vereiniget und zogen unter der
Fahne ihres Vaterlandes ernſt und feierlich dahin. Da war kein Auge
thränenleer; da hob ſich der Buſen, voll von ſeliger Wolluſt, und von
Mund zu Mund tönte der Ausruf: „Heil, Heil dem Tage, wo Deutſch-
lands Fahne Maͤnner aus allen Gauen des Landes zur brüderlichen
Eintracht vereinigte!“
Mit ſtürmiſchem Enthuſiasmus wurde hierauf folgendes, von
Siebenpfeiffer für 300 Handwerksburſche gedichtetes Lied abgeſungen.
(Melodie nach Schillers Reiterlied.)
Hinauf, Patrioten! zum Schloß, zum Schloß!
Hoch flattern die deutſchen Farben:
Es keimet die Saat und die Hoffnung iſt groß,
Schon binden im Geiſte wir Garben:
Es reifet die Aehre mit goldnem Rand,
Und die goldne Erndt’ iſt das — Vaterland.
Wir ſahen die Polen, ſie zogen aus,
Als des Schickſals Würfel gefallen;
Sie ließen die Heimath, das Vaterhaus,
In der Barbaren Räuberkrallen:
Vor des Czaren finſterem Angeſicht
Beugt der Freiheit liebende Pole ſich nicht.
Auch wir, Patrioten, wir ziehen aus
In feſtgeſchloſſenen Reihen;
Wir wollen uns gründen ein Vaterhaus,
Und wollen der Freiheit es weihen:
Denn vor der Tyrannen Angeſicht
Beugt länger der freie Deutſche ſich nicht.
Die Männer ſtrömen aus jeglichem Gau, —
Nur Brüder umfaſſen die Gauen —
Zu legen die Hand an den Wunderbau:
Ein Deutſchland gilt es zu bauen;
Wo deutſche Männer, da ſind wir dabei,
Wir erheben ein Deutſchland, ſtolz und frei.
Was tändelt der Badner mit Gelb und Roth,
Mit Weiß, Blau, Roth Baier und Heſſe?
Die vielen Farben ſind Deutſchlands Noth,
Vereinigte Kraft nur zeugt Größe:
Drum weg mit der Farben buntem Tand!
Nur eine Farb’ und ein Vaterland!
Wenn Einer im Kampfe für Alle ſteht,
Und Alle fuͤr Einen, dann blühet
Des Volkes Kraft und Majeſtät,
Und jegliches Herz erglühet
Für ein einiges Ziel, für ein einziges Glut:
Es brennet der Freiheit, des Vaterlands Gut.
Drum auf, PatrioteuPatrioten! der Welt ſei kund,
Daß eng, wie wir ſtehen gegliedert,
Und dauernd wie Fels der ewige Bund,
Wozu wir uns heute verbrüdert.
Friſch auf, Patrioten, den Berg hinauf!
Wir pflanzen die Freiheit, das Vaterland auf.
Mit feierlichem Ernſt folgte nach einer Pauſe die Abſingung des
folgenden von Chriſtian Scharpff aus Homburg gedichteten Liedes:
(Nach der Melodie: „Ahndungsgrauend“ von Körner.
Vaterland, im Schwerdterglanze
Strahlte Hoffnung jugendlich;
Als beſiegt der ſtolze Franze
Fern aus deinen Gauen wich;
Seine Adler ſtürzten nieder,
In der Freiheit Sonnenblick
Sproßte deutſche Ehre wieder,
Deutſche Kunſt und Bürgerglück.
Ha, nur ein Traum war’s, nur fürſtliche Lüge,
Daß ſich der Sclave ſo williger füge
Seiner Despoten fluchwürdigem Bund.
Auf des Sieges heil’ger Stätte
Knieten heuchelnd ſie vor Gott,
Ihre Eide, ihr Gebete
Waren Trug nur, frevler Spott;
Tyrannei, auf Gold gebettet,
Lachte Deiner Hoffnung Hohn,
Hat Dich ſchimpflicher gekettet
An des Nordens blut’gen Thron.
Aber ſchon zuckten des Rachekampfs Pfeile,
Weit durch die Länder mit ſchrecklicher Eile
Stürmt noch das ſtrafende Gottesgericht.
Donnernd hallt des Schickſals Stimme:
Völker wacht, die Zeit iſt nah’!
Euer Gott in ſeinem Grimme
Auf der Throne Thaten ſah’,
Blutig, rechtlos waren alle
Vom Indus bis Tajo’s Strand,
Zürnend ſprach Er: ja, es falle
Ihre Macht von Land zu Land!
Gott der Gerechtigkeit, laß es gelingen,
Vater, Du ſegne das muthige Ringen!
Muthigen hilft ja der ſchützende Gott!
Schimpflich iſt’s in alter Weiſe
Noch zu fleh’n um Fürſtenhuld,
Mit der Schande ſchnödem Preiſe
Mehrt ihr ſo die große Schuld;
Männern ziemt ein ernſtes Mahnen
Mit der Wahrheit Donnerwort,
Selber ſich den Weg zu bahnen
Zu der Freiheit ſtolzem Port.
Aber der Flehende ärndtet nur Schande,
Wahrlich ihm ziemen die ſchimpflichen Bande,
Er iſt der Ehre der Freiheit nicht werth!
Freudig für die Freiheit leben,
Für ſie ſterben ſei der Schwur!
Nicht wie Könige ſie geben,
Volle Freiheit rettet nur.
Daß kein Fürſtenwort bethöre,
Folgt des Vaterlands Gebot:
Jeder deutſche Mann er ſchwöre,
Schwöre: Freiheit oder Tod!
Tod für die Freiheit ſey freudig willkommen,
Männer Ihr alle, für Freiheit entglommen,
Bleibet dem heiligen Schwure getreu!
Als der Anfang des Zuges am Orte des Feſtes angekommen war,
wurde auf einem erhöhten Punkte die polniſche, und oben auf den höch-
ſten Zinnen der Ruine die deutſche Fahne aufgepflanzt. Weithin über
die geſegneten Auen wehte nun das ſtolze Panner unſeres Vaterlandes,
ein Anblick, der die Freude aller Anweſenden zu Begeiſterung ſteigerte.
— Nach der Ankunft auf dem Berge gewahrte man erſt, wie groß die
Menge der angekommenen Gäſte ſei. Es waren mindeſtens Dreißig-
tauſend Perſonen verſammelt. Man bemerkte insbeſondere Bürger aus
Straßburg, Collmar, Paris, Metz, Weiſenburg, Mancheſter, Con-
ſtanz, Heidelberg, Carlsruhe, Freiburg, Mannheim, Marburg, Tü-
bingen, Würzburg, Jena, Göttingen, Stralſund, Coburg, München,
Frankfurt, Nürnberg, Mainz, Worms, Wiesbaden, Kölln, Trier,
Gieſen, Stuttgart, Darmſtadt, Kaſſel, Magdeburg, Hof, Erlangen,
Kiel, Leipzig, Augsburg, Pyrmont, Braunſchweig, Nordhaufen
u. ſ. w.
Die Patrioten in Rheinpreußen, die Deutſchen am Niederrhein,
die Bürger in Conſtanz, das polniſche National-Comite in Paris und
die Geſellſchaft der Volksfreunde in Straßburg hatten Adreſſen einge-
ſendet. Wir theilen dieſe Aktenſtücke wörtlich mit:
I. Adreſſe der Rheinpreußen:
An die Volksverſammlung in Hambach und die edlen Vertreter der
Volksfreiheit in Rheinbaiern.
So weit ein freies Herz in deutſchem Buſen ſchlaͤgt, ſo weit drang
auch das Wort der Freiheit, wie es in dem ganzen Rheinbaiern frei und
kraͤftig ausgeſprochen wurde. — Wir unter Preußens Herrſchaft ſtehenden
Rheinländer hoͤrten nur ſelten Euren Ruf der Freiheit erſchallen. Unſere
Blaͤtter — nicht Organe der oͤffentlichen Meinung, ſondern Organe
der legitimen, in den geheimen Cabineten der Miniſtern, ja in den
dunklen Stuben eines untern Polizeibeamten gehegten Anſichten —
zeigten nur den Kampf gegen Euer Wort, aber wir lernten doch auch
ſo die Kaͤmpfer kennen. Wir ſahen hier im Preußen troſtloſe Cenſoren
und ihre beſoldeten Schreiber, dort im freiern Deutſchland ruͤſtige Ver-
treter der Wahrheit, tapfere Kaͤmpfer der Freiheit. Ob aber auch nur
ſelten das Wort der Freiheit wie es im freiern Deutſchland erklang, zu
uns drang: ob es auch von dem Geraͤuſche preußiſcher Waffen, von den
Schmeicheleien eines Soldaten- und Beamtenheeres uͤbertoͤnt werden
ſollte, es fand noch Herzen die hoͤher ſchlugen, Augen die feuriger
gluͤhten, wenn von Einem Deutſchland, von Freiheit, Recht
und Ehre die Rede war. Sind deren auch nur wenige, die ſich erkannt
und die es gewagt, — denn im Preußiſchen iſt dies ein Wageſtuͤck — ſich
gegen einander auszuſprechen; ſo hoffen wir doch auch hier einſt der
Wahrheit Sieg, den Triumpf der Freiheit feiern zu koͤnnen. —
Auf Euch aber ſind vorerſt unſere Blicke gerichtet, und Freiheit, Recht
und Wahrheit moͤgen Euch zur That anfeuern, auf daß ganz Deutſchland,
und insbeſondere auch unſer Rheinpreußen, das wie Euer Rheinbaiern durch
eine freie Geſetzgebung emancipirt iſt, am Beiſpiele erſtarke. — Der
Himmel ſegne Euer Werk!
Aus den preußiſchen Rheinlanden.
Wenn wir nicht unterſchreiben, ſo geſchieht dieß nur deßwegen, weil
wir dadurch der guten Sache mehr ſchaden als nuͤtzen wuͤrden. Wer
Preußen nur halbwegen kennt, wird uns deßwegen keinen Vorwurf
machen. —
II. Adreſſe der Deutſchen des Niederrheins.
An die Herren Unterzeichner des Aufrufes in Nro. 310 der allgemeinen
Zeitung, uͤberſchrieben: Der Deutſchen Mai.
Sie haben, meine Herren, einen Aufruf an deutſche Maͤnner und
Juͤnglinge erlaſſen zur Feier des deutſchen Maifeſtes, welche am 27. d. M.
auf dem Hambacher Schloſſe begangen werden ſoll.
Dieſen Ruf, meine Herren, — doch fort mit dem ſteifen, kalten,
ceremoniellen Tone! Laſſet uns als Deutſche mit deutſcher Zunge zu
deutſchen Herzen ſprechen. Dieſen Ruf, ihr rheiniſch-deutſchen Bruͤder,
haben auch wir am untern Rheine vernommen, und auch wir glauben
uns dadurch getroffen; denn obgleich wir, als brave koͤniglich preußiſche
Unterthanen mit dem deutſchen Volke nichts gemein haben duͤrfen, und
uns des Ruhmes, Preußen zu ſeyn, ex officio koͤniglich freuen muͤſſen, ſo
koͤnnen wir doch nicht umhin, inſtinktmaͤßig aufzuhorchen, wenn wir den
Namen nennen hoͤren, auf den wir unſere politiſche Tauf empfangen haben,
der uns von Jugend auf der theuerſte war. Ja, Deutſche ſind auch wir
noch, und als Deutſche hoͤren wir auf euren Ruf, zum deutſchen Maifeſte
zu kommen, das ihr zu feiern beſchloſſen habt.
Wohl moͤget ihr ein Maifeſt begehen, ihr Gluͤcklichen! Euch leuchtete
und erwaͤrmte ſchon laͤnger die Sonne; ſchon hat ſie die harte Eisdecke
geloͤſet und den ſtarren Winter verſcheucht; ſchon treibt das freundliche
Gruͤn der Hoffnung bei Euch uͤberall hervor, der Hoffnung, daß bald die
Sonne der Freiheit voͤllig ſiegen und die Saat zur Reife bringen werde.
Aber ach! bei uns armen Soͤhnen des Nordens iſt die Sonne noch
fern vom Wendekreiſe, und der Krebs, der uns den Sommer verheißen
ſollte, iſt uns vielmehr ein ominoͤſes Zeichen, — denn krebsartig ſehen wir
uns taͤglich ruͤckwaͤrtsgezogen, und wie ein boͤſer Krebs nagt es an unſerm
Herzen. Unſer Boden ſtarrt noch unter dem eiſigen Kleide des Winters,
unſer Himmel iſt noch bedeckt, unſere Sonne noch getruͤbt von den finſtern
Wolken des Abſolutismus, unſere Atmoſphaͤre gehuͤllt in die dichteſten Ne-
bel politiſchen Aberglaubens und Wahns, unſere Schritte ſind gehemmt
durch das ſchluͤpfrige Glatteis der Cenſur, welche Schrift, Wort, Gedanken
und Handlungen feſſelt, und nur mit den Schlittſchuhen der aͤngſtlichſten
Vorſicht duͤrfen wir es wagen, ohne Lebensgefahr uͤber das truͤgeriſche
Eis hinwegzugleiten.
Ihr aber lebet im gruͤnenden Mai, und feiert das Feſt der Hoffnung.
Wie gluͤcklich ſeid ihr, die ihr Hoffnung hegen duͤrfet! Uns ſind ihre gold-
nen Thore noch verſchloſſen.
Ihr ladet uns ein, Theil zu nehmen an eurem Feſte, auf daß wir
uns wenigſtens mit euch der Hoffnung freuen moͤchten. O wie gerne
wollten wir dieſem Rufe folgen, wenn nicht die Macht der Verhaͤltniſſe
hindernd dazwiſchen traͤte! Denn warlich iſt es nicht kalte Selbſtſucht, ver-
aͤchtliche Furcht, ſtrafbare Gleichgiltigkeit, die uns davon zuruͤck haͤlt.
Ihr riefet das Volk der Deutſchen auf, Theil an eurem Feſte zu neh-
men, und dachtet dabei vielleicht am wenigſten an eure Bruͤder am untern
Rheine, die in todaͤhnlicher Ruhe vegetiren, und ſchier kein Zeichen
politiſchen Lebens von ſich geben. Vielleicht ſpottet ihr dieſer Ruhe, dieſer
Geduld, und dachtet nicht daran, daß es die Geduld des Sklaven iſt, der
blos deßhalb ſich ruhig verhaͤlt, weil er, an die Ruderbank gefeſſelt, ſich
nicht zu regen vermag. Ach! warum mußte das muntere Voͤglein des
Rheins eingeſperrt werden in den ſchmalen engen Kaͤfig zu dem alten finſtern
Uhu? Da ſoll er ſitzen, der muntere Saͤnger, der gewohnt war, ſich uͤber
die Wolken zu erheben und der reinſten Luft, des hellſten Lichtes zu ge-
nießen, da ſoll er ſitzen bei dem alten Raubvogel, und ganz gehorſamſt ſich
des Gluͤckes freuen und der Gunſt die er genießt: allerhoͤchſten Orts nicht
— aufgefreſſen zu werden! O des hohen Gluͤcks, o der unſchaͤtzbaren Gnade! —
Aber rings um den Kaͤfig flattern die freiern Voͤglein des deutſchen Hai-
nes und ſpotten der Ruhe des Gefangenen. Spottet nicht, ihr Gluͤcklichern,
aber weinet mit den Trauernden, ſo wollen wir mit euch uns eurer
Hoffnungen freuen! Doch weil ihr uns riefet, ſo wollen wir wenigſtens
aus dem Innern unſers Kaͤfigs Antwort geben und euch ſagen: Wir
leben noch.
Waͤhnet nicht, wir laͤgen in letbargiſchemlethargiſchem Schlummer befangen oder in
ſorgloſer Gleichgiltigkeit, weil ihr nichts von uns hoͤret. Nein, ſtill und
aufmerkſam ſchauen und horchen wir auf die Zeichen der Zeit, und harren
der Brautnacht, wo auch wir unſer Ehrenkleid anzuziehen und die hoch-
zeitliche Fackel anzuzuͤnden gedenken.
Aber von außen her muß unſere Rettung, unſer Heil kommen, und
ihr, rheiniſche Brüder, ſeid dazu beſtellt und berufen, jetzt, da eure
beſchnittene Fittige etwas gewachſen ſind, auch uns aus dem Kerker be-
freien zu helfen. An Euch iſt es, mit Kraft und Ausdauer dahin zu
wirken, daß das Licht der Wahrheit immer heller um ſich leuchte, und
ihr Reich ſich täglich erweitere. Euer Beiſpiel muß den Schüchternen
Muth, den Schwachen Kraft und Selbſtvertrauen einflößen. Euer Bei-
ſpiel möge die Verblendeten enttäuſchen, den Blinden den Staar von
den Augen nehmen. Durch euer Beiſpiel mögen die auf der Stufe der
Erkenntniß noch tiefer ſtehenden deutſchen Stämme über die Rechte der
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Völker und der Fürſten aufgeklärt und belehrt werden. Und wenn der
aufgeklärte, den Druck ſeines Joches fühlende Deutſche irgend Grund
zur Hoffnung auf beſſere Zeiten hat, ſo kann ſie nirgends anders beru-
hen als bei euch.
Nicht von dem großen Jeruſalem mit ſeinen Heuchlern, ſeinen Pha-
riſäern und Schriftgelehrten, nicht von da ging das Licht der Welt
aus, ſondern von dem unbedeutenden Bethlehem. Alſo wird auch nicht
in Berlin, wo ſchlimmere Heuchler als Phariſäer hauſen, der neue Hei-
land erſtehen, ſondern am Rhein iſt das kleine Bethlehem zu ſuchen.
Darum bereitet ihr dem, der da kommen ſoll, die Bahn, und ebnet
ſeine Wege, auf daß, wenn er kommt, er raſch und ungehindert dahin
ſchreiten könne. Darum, wenn ihr wollt, daß auch wir uns der Hoff-
nung hingeben, ſo ſeid unermüdet im Handeln und beſtätigt durch euer
Thun die Meinung, die Deutſchland von euch hegt. Wirket mit Kraft
dahin, daß unter den Großen der Geiſt der Machthaberei, unter den
Geringern der Geiſt der ſklaviſchen Demuth vertilgt, und ein Geiſt,
ein Sinn der Eintracht und Brüderlichkeit herrſchend, daß die Hab-
ſucht und Herrſchſucht der Ariſtokraten und Prieſter unſchädlich gemacht
oder unterdrückt werde. Denn ſie ſind die feindlichen Dämone, die der
Freiheit entgegenſtehen, ſie ſind die kräftigſten Stützen der Tyrannei,
des Abſolutismus.
Auf euch ſind unſere, und aller Gleichgeſinnten Hoffnungen geſtützt,
und wir hegen zu euch das Vertrauen, daß ihr euch nicht von den Dro-
hungen der Machthaber werdet ſchrecken laſſen, die, wie wir vernehmen,
euer Vorhaben zu hindern gedenken. Ihr werdet euch nicht ſtören laſſen
durch die Maasregeln derjenigen Korporation, die ſich euere Landes-Re-
gierung nennt, und in ihren landesväterlichen Geſinnungen ſo weit geht,
eine Geſellſchaft rechtlicher Staatsbürger mit entehrenden Namen zu
belegen und ihren auf Verbeſſerung der allgemeinen LaudeswohlfahrtLandeswohlfahrt
zielenden Abſichten eine ſchädliche, verbrecheriſche Tendenz unterzulegen.
Eintracht giebt Stärke! Alſo werdet auch ihr, feſt zuſammen haltend,
in euch ſelbſt Hülfe und Beiſtand finden, wenn ihr ſie zur Abwehrung
von Gewaltthätigkeiten bedürft. War es euch Ernſt mit euerm Vor-
haben, habt ihr nicht unbedacht euch deutſche Männer genannt, dann
werdet ihr auch nicht feig zurück treten, ihr werdet dem Namen Ehre
machen, den ihr bekannt, ihr werdet eher euch für das allgemeine Beſte
aufopfern, als euch von dem Vorwurfe verächtlicher Furcht,
kalter Selbſtſucht treffen laſſen. War euer Vorſatz, dem mann-
haften Kampf für Erſtrebung geſetzlicher Freiheit und
deutſcher Nationalwürde ein Feſt zu weihen, euch zu fried-
licher Beſprechung, inniger Erkennung, entſchloſſener
Verbrüderung für die großen Intereſſen, denen ihr
euere Liebe, euere Kraft geweiht, zu verſammeln, war er feſt
und wohlbedacht, dann werdet ihr euch, wir ſind davon überzeugt,
durch keinerlei Hinderniß abhalten laſſen, ihn auszuführen, dann wird
euch vielmehr der Widerſtand willkommen ſeyn, weil an ihm ihr eure.
Kraft meſſen, euere Vaterlandsliebe erproben könnt. Ja, deutſche Män-
ner, ſeid unerſchütterlich in Vorſatz und Muth. Scheuet kein Opfer,
wie es auch heiße, und bedenket, daß nie etwas Großes ohne Opfer
erreicht worden. O des beneidenswerthen Looſes, ſich für ſein Vater-
land aufopfern zu dürfen.
Im Namen aller Deutſchen am Nieder-Rhein.
III. Adreſſe von Konſtanz am Bodenſee.
Ehrenwerthe teutſche Maͤnner des baieriſchen Rheinkreiſes!
Liebe Vaterlands-Genoſſen!
Die unterzeichneten Buͤrger zu Conſtanz haben in den oͤffentlichen
Blaͤttern mit wahrer und inniger Freude Euren Aufruf zum teutſchen
Maifeſte auf dem Schloſſe Hambach bei Neuſtadt an der Haardt, ver-
nommen, als deſſen Zweck uns „friedliche Beſprechung, innige Erkennung
und entſchloſſene Verbruͤderung fuͤr die großen Intereſſen, denen wir
unſere Liebe und unſere Kraft geweiht“ bezeichnet wird.
Zum Beweiſe daß wir auch hier an Suͤdteutſchlands aͤußerſter Grenze
durchdrungen ſind von warmer Liebe fuͤr die heilige Sache des theuern
teutſchen Vaterlandes, zum Beweiſe daß auch wir regen Antheil nehmen
an dem Maͤnnerwort, das fuͤr die Sache des Rechtes und der Civiliſation
geſprochen wird, ſenden wir aus unſerer Mitte zwei durch unſere Wahl
ernannten Buͤrger die Herren Handelsmann Karl Delisle und Rechts-
praktikant und Schriftverfaſſer Karl Huͤetlin. Dieſe moͤgen Ihnen,
ſie moͤgen dem geſammten Vaterlande ſagen, daß auch wir freudig bereit
ſind fuͤr Freiheit, Recht und Ordnung, fuͤr Volkes-Ehre und Tugend
mit Allem was unſere Kraͤfte vermoͤgen redlich und maͤnnlich einzuſtehen.
Des Himmels Segen komme uͤber unſer Vaterland, — uͤber das
theure teutſche Land!
Gruß und Bruderkuß den teutſchen Bruͤdern und Vaterlands-
Genoſſen!
Conſtanz, am Bodenſee den 21. Mai 1832.
Folgen viele Unterſchriften.
VI. Gefühle und Wünſche eines Greiſes am Bodenſee,
hervorgerufen durch die hohe Idee des am 27. Mai
abzuhaltenden Volksfeſtes zu Hambach in Rhein-
baiern.
Durch ein halbes Jahrhundert habe ich die hochwichtigen Weltereig-
niſſe mit Intereſſe beobachtet. Ich ſah das große Weltereigniß der
franzöſiſchen Revolution vom Jahre 1789 erſtehen, beobachtete deſſen
Folgen und lebte in der tröſtlichen Hoffnung, Europa werde dadurch
emanzipirt und die ſchönen, freien, volksbeglückenden Grundſätze, die
ſich in dieſer welterſchütternden Revolution entwickelten, werden geläu-
tert die von ganz Europa werden. Das Mißglücken iſt leider allzube-
kannt. Im Anfang glaubte ich die erſte und größte Urſache dieſes Miß-
lingens in der Unwiſſenheit und dem Sclavenſinn der übrigen europäiſchen
Völker geſehen zu haben und fand im Verfolg dieſe meine Meinung
immer mehr beſtätiget. Ich ſah die Wunder, die die Tapferkeit des
franzöſiſchen Volkes bewirkte, mußte aber leider auch ſehen, daß dieſe
Tapferkeit durch Unkenntniß des Volkes mit ſeiner eigenen kritiſchen
Lage und Mangel an Gleichheit und Zuſammenhang ſeiner Geſinnungen,
dem Treiben der Despoten aller Art unterlag, und daß die vereinigte
Despotie ſich wieder zum Herrn der Welt und zum Unterdrücker der
Völker mehr als früher aufwarf, ſo daß ich jede Hoffnung aufgab, noch
vor meinem Tode, je unſer liebes Teutſchland frei und glücklicher als
bisher zu ſehen, bis endlich die Julirevolution von 1830 dieſe nieder-
ſchlagenden Gedanken einigermaßen verſcheuchte, und die Hoffnung in mir
nährte, noch in meinem Alter Schritte zur Befreiung meines lieben teutſchen
Vaterlandes zu erleben. Dieſe meine Hoffnung wird durch die Ent-
wickelung des teutſchen Volksgeiſtes für Freiheit und Recht, des Ent-
gegenſtrebens der Despotie ohngeachtet, in dem gegenwärtigen höchſt
wichtigen Zeitpunkt geſteigert, und es läßt ſich hoffen, daß die Be-
mühungen ſo vieler biedern, gelehrten, deutſchen Männer, die ſich un-
bedingt der Wahrheit, dem Recht, dem Vaterland opfern, in allen
Gauen Teutſchlands vorzüglich aber in dem wackern RbeinbaiernRheinbaiern häufig
und conzentrirt ſich vorfinden, und dieſen Sieg früher, als das zwei-
felhafte und bedenkliche Alter vermuthete, erringen möchten.
Doch dieſe Hoffnung trübt die immer mehr herannahende Gewiß-
heit, daß der bisher von der vereinten europäiſch-aſiatiſchen Despotie
durch Ränke, Lug und Trug geführte Kampf gegen Menſchen- und
Volksrechte, und vorzüglich gegen die in dem freieren Weſten von Eu-
ropa ſich befindenden ſüdteutſchen conſtitutionellen Staaten, Frankreich ꝛc.
ſeitdem die Scheidewand (Polen) geworfen, und der Barbarei Thür
und Thor zur Unterſtützung unſerer Despoten geöffnet iſt, daß dieſer
Kampf auf blutigem Wege beginnen wird.
Daher kann der Menſchenfreund noch einzig in dem Anſchließen und
vereinten Wirken der Völker Hoffnung ſchöpfen, daß dieſer Kampf zur
Ehre und zum Wohl der Menſchheit, mit Erſtehung eines deutſchen
Vaterlandes beendigt werden möchte. Halten die Völker Teutſchlands,
Frankreichs und aller Staaten, welche VolsbefreiungVolksbefreiung von der verächt-
lichſten Tyrannei verlangen, nicht zuſammen, laſſen ſie getheilt den
Despoten Zeit, eine Nation nach der andern zu ſchlachten, zu unter-
jochen, wie Polen, wie Italien, wie Spanien und Portugal, und
wenn ihnen das Spiel gelingt, auch Belgien und Holland, ſo iſt Eu-
ropa für immer in die Nacht der ewigen Sclaverei geworfen.
Unter ſolchen traurigen Vorausſichten müſſen Unternehmungen wie
das bevorſtehende Volksfeſt, neues Leben, neuen Troſt der gekränkten
Menſchheit geben. Wird das Volk klüger und beſſer als in der erſten
franzöſiſchen Revolution ſeine eigenen Rechte, ſein eigenes Glück bewa-
chen, und ſtatt ſich zur Unterjochung der Völker als Mordknechte von
der Despotie gebrauchen zu laſſen, für ſein eigenes Recht, furfür ſein
eigenes Wohl Blut und Leben ins Spiel ſetzen, ſo iſt der Sieg für
Recht und Wahrheit gewiß, ſo darf der Teutſche in der ſichern Hoff-
nung leben, wieder ein Vaterland, ein vereintes Teutſchland mit Kraft
und Macht erſtehen zu ſehen.
Von dieſer Seite aus betrachtet, ſollte das Maifeſt zu Hambach in
der Geſchichte Teutſchlands und ſeiner politiſchen Wiedergeburt eine noch
höhere Wichtigkeit erlangen, als die Wartburg in der kirchlichen Refor-
mationszeit.
Da ſollen ſich die Völker aller Gauen Teutſchlands das heilige
Wort in echt deutſchem Sinn geben, vereint und feſt zuſammen zu hal-
ten, und für Recht und Wahrheit zu kämpfen, wo es der Augenblick
erfordert.
Dank daher den edeln Männern Rheinbaierns, die dieſen hohen
Gedanken in Anregung brachten, er goß Balſam in die gekränkte Bruſt
des Greiſes, belebte den rüſtigen Mann mit Muth, feuerte das Herz
des Jünglings zum muthigen Kampfe an und ſchafft, ſo zu ſagen, ſchon
zum voraus in geiſtigem Sinne ein neues verbrüdertes Teutſchland.
Der Himmel ſegne mit einem günſtigen Erfolg dieſes große Wahr-
zeichen der Volksbefreiung, er ſtärke und erleuchte die teutſchen Heroen,
die dieſen Kampf, der Verfolgungen durch Kerker und Interdikte ohn-
geachtet, bisher ſo unerſchrocken fortſetzten, und den Muth hatten, den
großen Schritt zu einem Verbrüderungsfeſte des teutſchen Volkes, un-
ter Verboten und Bajonetten zu wagen.
Ich weiß zum Voraus, daß alles was der gegenwärtige gefahrdrohende
Zeitpunkt erfordert, von den bei dem Feſte vereinten Vaterlands-Freunden
umfaſſend berathen wird, erlaube mir aber doch einige Gegenſtaͤnde zu
beruͤhren, die ich fuͤr dringend halte.
1. Welche Geſinnung herrſcht in den teutſchen Gauen in Hinſicht
des bisher von den Feinden der Volksrechte ſo ſehr benutzten Franzoſen-
haſſes? Wird dieſer wieder wie in den 1790r Jahren ꝛc. der Despotie
die Hand reichen?
Wollen wir unſere Freiheit, wollen wir ein einziges Teutſchland errin-
gen, ſo iſt es nur dauerhaft moͤglich, wenn wir und das franzoͤſiſche Volk fuͤr
einerlei Zweck zum Kampf geruͤſtet da ſtehen, und wenn es die Noth er-
fordert vereint fuͤr einerlei Zweck kaͤmpfen. Die Idee von Eroberungs-
und Unterjochungskrieg durch die Franzoſen, wenn der Kampf vom Volk
ausgeht, im Volksſinn gefuͤhrt wird, ſoll uns nicht mehr als Schreckbild die-
nen. Voͤlker, die fuͤr Freiheit kaͤmpfen, die vereint fuͤr die gleiche Sache
ſtreiten, können ſich nicht gegenſeitig der Freiheit berauben ꝛc.
Daher laßt uns wenigſtens in unſerm Suͤdteutſchland dieſes Schreck-
bild, womit die Ariſtokraten die teutſchen Voͤlker zu taͤuſchen ſuchen, ver-
ſcheuchen, und unſere teutſchen Bruͤder uͤber das wahre Verhaͤltniß dieſes
Gegenſtandes belehren.
2. Wie wird ſich das ſuͤdteutſche Volk verhalten, wenn Oeſtreich und
Preußen unter dem Vorwand die Regierungen gegen vorgeſchuͤtzte Eingriffe
des Volkes, gegen Volks-Aufſtaͤnde ꝛc. zu ſchuͤtzen, und den Bundestags-
Beſchluͤſſen, wenn ſie auch noch ſo volksfeindlich ſein ſollten, Kraft und
Vollzug zu verſchaffen, die ſuͤdteutſchen Staaten bis an die Grenzen
Frankreichs mit ihren Truppen uͤberſchwemmen, uns unter dieſem Deck-
mantel wie ein ſchon occupirtes Land behandeln, uns auf dieſe Art mit
in den Kampf gegen Frankreich, gegen Freiheit und Volksrechte fuͤh-
ren, unſer ſchoͤnes Land zum graͤßlichſten Kriegsſchauplatz umwandeln,
und dadurch unſer Ungluͤck auf den hoͤchſten Grad ſteigern wollten.
Die Beantwortung dieſer Frage mag allerdings ſehr ſchwierig ſein,
aber man ſollte hieruͤber vor der That gefaßt, entſchloſſen und uͤber das
allgemeine Benehmen verſtaͤndiget ſein, indem alle ſuͤdteutſchen Staaten
allgemein und vorzuͤglich aber einzeln ganz beſonders bei ſolchen Vorfaͤllen
in die hoͤchſte Verlegenheit verſetzt und durch ungeregeltes getheiltes Ver-
fahren Einzelne zweklos ihre Kraͤfte opfern wuͤrden.
Moͤge die Weisheit der Stimmfuͤhrer des teutſchen Volkes, die
vertraut ſind mit der gegenſeitigen Stellung der Voͤlker, hierin Rath
geben.
3. Wie hat ſich das teutſche Bundesvolk zu benehmen, wenn einzelne
Bundesſtaaten z. B. Baden, in ſeinen conſtitutionell errungenen Rechten
durch Truppengewalt beeintraͤchtiget werden?
4. Aus der Tagesgeſchichte geht unwiderleglich hervor, daß Rußlands
Autokrat ſich ſelbſt unberufen zum europaͤiſchen Diktator aufgeworfen
hat, daß er abſolut ſich ſowohl in die inneren als aͤußeren Angelegenheiten
aller europaͤiſchen Staaten und vorzuͤglich der Teutſchen miſcht, daß er
unſere errungenen Verbeſſerungen und geſetzlichen Inſtitutionen anfeindet
und nur im Hinterhalt den Zeitpunkt ablauert, um mit ſeinen Barbaren-
Horden Preußens und Oeſtreichs freiheitsmoͤrderiſche Beſtrebungen durch
Waffengewalt zu unterſtuͤtzen und jeden Funken von Licht, Wahrheit und
Recht aus dem bedraͤngten Continent von Europa zu verbannen, und
daß die uͤbrigen europaͤiſchen Regierungen ſtillſchweigend dieſe uſurpirte
Diktatur anerkennen, waͤhrend der ruſſiſche Autokrat willkuͤhrlich und
Einreden der uͤbrigen europaͤiſchen Maͤchte verachtend, in der polniſchen
Angelegenheit Eid- und Vertraͤgebruͤchig handelt, da doch Polens Sache
keine blos ruſſiſche, ſondern eine hochwichtige allgemeine europaͤiſche Ange-
legenheit iſt, bleiben muß und bleiben wird.
Nun fragt ſichs, was wird das teutſche Volk thun, wenn die ruſſiſchen
Kriegsſchaaren Teutſchlands Grenzen uͤberſchreiten? Werden dann dieſe
Voͤlker unthaͤtig warten bis die ruſſiſchen Schlaͤchter ihnen auf eigenem
Heerd das Beil auf den Schaͤdel ſchlagen?
Wird es nicht rathſamer ſein, wenn Frankreich durch ſeine unter die
ruſſiſche Knute herab gewuͤrdigte Juste milieu Regierung ſich dann noch
unthaͤtig verhalten und nicht all ſeine Kraͤfte entwickeln, wenn unſere
Fuͤrſten ſich ſelbſt und ihr Volk dieſen graͤßlichen entehrenden Schickſalen
preisgeben wollten, daß das vereinte franoͤſiſchefranzoͤſiſche und teutſche Volk in
Maſſe ſich erheben, und man das ſchaͤndliche Anſinnen dieſer anruͤk-
kenden Feinde an den noͤrdlichen und oͤſtlichen Grenzen Teutſchlandes zu
vereiteln ſuchen wuͤrde?
5. Werden ſich jetzt noch teutſche Maͤnner vorfinden, die ſich durch
Preußens Lokſpeiſe des Zoll- und Handelsverbandes mit dem abſoluten
Netz der Willkuͤhr-Herrſchaft umſtriken laſſen wollen? Die die Falle die
dem conſtitutionellen Teutſchland dadurch gelegt iſt, nicht wittern ſollten?
Wir wollen alle eine allgemeine teutſche Handels- und Gewerbe-Frei-
heit, wir wollen aber zuvor ein freies, von dem Abſolutismus unabhaͤngiges
Teutſchland, denn nur Staaten, die ſolchen geſetzlichen Gemeinſinn, auf
Freiheit und Gleichheit der Rechte gebaute Inſtitutionen haben, koͤnnen
ungefaͤhrdet ein gemeinſames Intereſſe betreiben.
IV. Adreſſe des polniſchen National-Comite in Paris.
Das polniſche National-Comite an ſeine deutſchen Brüder bei dem
Volksfeſte auf dem Schloſſe Hambach.
Verſammelte an dieſem Orte, welchen die Geſchichte verewigen
wird, des großen, erhabenen und edlen Zieles wegen, zu welchem er
nach dem Aufrufe Eurer Wortführer leiten ſoll, empfanget hie-
mit unſern brüderlichen Gruß von uns, als den dermaligen Vertheidi-
gern der Sache einer unglücklichen Nation.
Ja, groß, erhaben und edel iſt das Ziel, zu deſſen Erringung
Ihr bei dieſem der Hoffnung gewidmeten Feſte die Mittel beſprechen
wollet.
Nur in der politiſchen Einheit Eures Vaterlandes, durch eine Ver-
bindung der einzelnen Brüderſtämme, können die gemeinſamen In-
tereſſen, das Geſammtwohl alſo Eurer Nation, befördert, die innere
Willkühr und äußere Gewalt abgeſchafft, und geſetzliche Freiheit und
deutſche Nationalwürde erſtrebt werden.
Aber das Fortbeſtehen des Errungenen kann nur die Einführung
der Volks-Souveränität verbürgen, welche der politiſchen Reform zur
Grundlage dienen muß.
Alle annoch von Despoten beherrſchten europäiſchen Völker werden
ihr inbrünſtiges Gebet mit dem Eurigen verbinden, daß der Ewige,
der Gott der Gerechten, Euch bei Eurem Vorhaben beiſtehen und deſ-
ſen Erringung gewähren, Eure Hoffnungen und ihre Wünſche mit einem
günſtigen Erfolge krönen möge — denn durch die bürgerliche Emanzi-
pation eines ſo großen Volkes wird der Grundſtein zur Befreiung aller
anderen Völker vom Sklaven-Joche gelegt.
Und wenn Ihr nach Erringung der beabſichtigten Reform dem
Ewigen für ſeinen göttlichen Beiſtand den Dank zollend, und
auf den Gräbern Eurer Väter, welche der Wahrheit und Frei-
heit ihre Ruhe, Sicherheit, ja ſogar ihr Leben gewidmet haben, opfern
werdet, dann gedenket auch unſerer Geſetzgeber, welche ſchon vor 40
Jahren das von ihren Vorfahren ererbte große Prinzip der Volks-
Souveränität, als das erſte Bedürfniß für Ruhe und Sicherheit der
Völker — als die erſte Bedingung des Fortbeſtehens der Volksfreiheit
in ihrem ganzen Umfange mit der Oberaufſicht über die Werkzeuge der
vollſtreckenden Gewalt, in der von ihnen unſerm Vaterlande gegebenen
Verfaſſung vom Jahre 1791 verkündeten, welche aber Märtyrer der
Volksſache wurden, und die weitere Entwicklung ihres großen Werkes
nicht erlebten, weil der auswärtige Einfluß — die unter einander ver-
bundenen Despoten es gleich zu untergraben ſuchten und das große Prin-
zip im Keime erdrückten, da daſſelbe, außer bei uns, Nirgends einen Ver-
theidiger gefunden hat.
Die Erringung dieſes Prinzips und unſer Vorhaben, die Wohltha-
ten der bürgerlichen Emanzipation allen Volksklaſſen zuzugeſtehen, iſt
und ſoll unſer größtes Bemühen ſeyn, beide ſeyen die erſte Bedingung
der Unabhängigkeit, nach welcher wir ſtreben. Es leben unſere deut-
ſchen Brüder.
Paris, den 16. Mai 1832.
Lelewel. Rykaczewski. Zaliwski. Przeciszewski. Hluszniewicz.
Chodzko. Hube. Pietkiewicz, Sekr.
V. Adreſſe der Volksfreunde (amis du peuple) zu
Straßburg.
Die Geſellſchaft der Volksfreunde dem patriotiſchen Bundesvereine in
Hambach.
»Völker ſchließt den heil’gen Bund,
„Und reichet euch die Bruderhand.«
Berenger.
Deutſche Männer!
Der Cultus der Freiheit iſt allen gebildeten Völkern gemein. Es
iſt die Religion der Männer, deren Herz für Vaterland und für die
Menſchheit ſchlägt, Aller derer, die mit Kraft und Biederſinn nach der
Wohlfahrt ihrer Brüder ſtreben.
Dieſe Religion, dieſer Glaube einet alle Sekten, alle Stämme,
alle Nationen.
Dieſe Wahrheit habt Ihr empfunden als Ihr das hohe Feſt be-
ſchloſſen, das Euch heute vereint. Auch unſer Herz, das Herz von
Frankreichs Patrioten, ſchlug dem Eurigen entgegen, und zu neuem
Leben iſt die Sympathie erwacht beim Anblick der heiligen Flamme, die
Euch durchglüht.
Beharret treu und bieder, deutſche Männer, in Eurem edlen Ent-
ſchluß. Schließet den Bund der Völker-Einheit unter Euren getrennten
Fürſtenſtaaten. Zernichtet die Feſſeln, die der Abſolutismus zu Eurer
Trennung geſchmiedet.
Mög’ unter Euch ein hochherziger und heiliger Bruderbund erſte-
hen. Das Frankenvolk jauchzt Eurem muthvollen Streben Beifall zu,
es theilt Eure Wünſche, Eure Sache iſt auch die ſeinige. Obgleich es
in den Juliustagen dieſem Geiſte der Freiheit den erſten Aufſchwung
gegeben, der die Welt jetzt in Bewegung ſetzt, ſo ſeufzt es nichts deſto-
weniger unter den Folgen der bitterſten Täuſchungen, als Opfer ſeines
Vertrauens in gewiſſe Menſchen, die ihm keine andere Bürgſchaft dar-
boten, als ihre falſchen und prahleriſchen Verſprechungen.
Möchte ſein Beiſpiel Euch zur zweifachen Lehre dienen.
Empfanget nun beſonders die Verſicherung des biedern Bruder-
Sinnes, den Euch Straßburgs Patrioten auf alle Zeiten weihen.
Rechnet bei jeder Gelegenheit auf ihren Beiſtand und ihre Sym-
pathie. Auch ſie ſind bereit, gleich Euch und mit Euch, mit Blut und
Leben das Intereſſe Aller, das Intereſſe der Freiheit zu befördern und
zu wahren.
Bundesgruß den Brüdern.
Außer der mitgetheilten Adreſſe hatten unſere Brüder in Rhein-
preußen noch folgendes Lied gedruckt eingeſendet und unter die anweſen-
den Patrioten vertheilen laſſen.
Den Gleichgeſinnten im freiern Deutſchland.
Freudenklang hat unſer Ohr vernommen,
Friſche Lüfte trugen ihn uns zu;
Lichte Gluten ſehn wir rings erglommen;
Nur bei uns noch waltet Grabesruh.
Geiſter, die der Gruft erſtiegen,
Eure Gauen frei durchfliegen,
Müſſen hier im Sarg ſich ſchmiegen,
Von des Schickſals böſem Fluch gebannt.
Schürt mit Eifer heller ſtets die Gluten,
Lauter jauchzt der Freiheit ſtolzes Lied:
Ob erwachen, die bis jetzt noch ruhten,
Ob vielleicht der Nebelduft entflieht
Lebenskräftig hat begonnen
Euer Lenztag, tauſend Sonnen
Strahlen warme Frühlingswonne,
Uns allein durchſchauert Winterfroſt,
Fraget nicht, warum denn noch die Scheide
Feig das Schwert, das letzte Heil, verhüllt,
Nicht warum der Männermuth es leide,
Daß des Edlern Blick die Thräne füllt.
Sollen ſelbſt den Stab wir brechen
Ueber unſres Volkes Schwächen?
Höhnend wird die Schande ſprechen
Und zerreißen ſeinen Ehrenkranz.
Doch, o nein! ihr wacht ob ſeiner Ehren,
Schlingt als Kinder ihm den friſchen Kranz,
Und dem Volk, daß wir ſo fromm verehren,
Löſchet nie die Schmach den alten Glanz.
Mag der Sturm im Norden wüthen
Und verwehn der Freiheit Blüthen:
Wird der Süd die Keime hüten,
Bis herangereift die edle Frucht.
Muth, ja Muth! nicht wird uns Gott verlaſſen,
Folgen wir in Treue ſeinem Wort.
Feurig laßt uns lieben, feurig haſſen
Und bereiten uns zum Drachenmord.
Wie der Lindwurm ſtolz ſich brüſtet,
Ihm nach unſerm Blut gelüſtet,
Wir ſind alle wohl gerüſtet,
Tragen kühnen Muth und Kraft von Gott.
Wenn der Sturm auch ſeine Flügel ſchwinget,
Und die Bosheit hemmt die große That;
Zaget nicht, weiß Gott, noch mancher ringet,
Mancher ſtreut noch ſtill des Guten Saat.
Ob die Schergen nächtlich ſchleichen,
Andre ruhn wie kalte Leichen:
Wir voll Gottvertrauen reichen
Uns die Hand und fördern wohl das Werk.
Nicht die Ferne trennt die Bruderherzen,
Hier die Hand, Gott zeugt uns, ſchlaget ein!
Ja, wir ſehn uns, wenn ſich, auszumerzen
Sklavenſchmach, die Heldenſchaaren reih’n.
Schafft nur weiter unverdroſſen,
Wird auch noch, ſo’s Gott beſchloſſen,
Mancher Leidenskelch genoſſen, —
Gottes Sache wird nicht untergehn!
Der würdige deutſche Veteran, Benzel-Sternau, welcher durch
unüberwindliche Hinderniſſe vom Feſte leider abgehalten war, drückte in
einem Brief ſeinen Schmerz und in nachfolgenden Liedern ſeine patrio-
tiſchen Empfindungen aus:
Loſungswort dem Mai der Teutſchen.
Dein Blick ſo ſtreng, o Mutter Zeit?
Kommt doch aus Mutteraugen! —
„Wie lange noch das Kinderkleid,
„Wollt nie zu Männern taugen?“ —
Der Väter Schuld hat uns geweiht,
Aus Schmerz die Kraft zu ſaugen!
Chor.
Aus Schmerz die Kraft zu ſaugen
Mit Gluten in den Augen!
„Reißt muthig euch von Trümmern los,
„Entſagt den Ahnenlappen!
„Hervor aus reicher Blühte Schoos,
„Dem Geiſt vertraute Knappen!
„Des Golds genug ſchürft’ Geninsſtoß,
„Ein Volk erſteh’, kein Wappen!
Chor.
Ein Volk erſteh’, kein Wappen,
Auf Meiſter! nieder Knappen!
Dich grüße Phönix! Sonnenduft
Im Bett der Lorberreißer!
Erſtehend aus der Hermannsgruft
Ein Volk! Begeiſt’rung Kaiſer!
Zerſegle, frecher Aar! die Luft;
Das Sonnenkind glüht heißer!
Chor.
Das Sonnenkind glüht heißer,
Sei, teutſcher Muth uns Kaiſer!
Hiſtoriſch Lied dem Dezember der Teutſchen.
Was ſiehſt du, guter Alter
Trüb nach der Ferne aus? —
»Es ſtellt’ mich mein Verwalter
„Als Wache vor mein Haus.«
Chor.
Ei! ei! gedult’ger Greis,
Ei! ei! ſo grau als weiß!
Dich ſchnaubt herb an der Winter,
Wo blieb dein warmer Flauß? —
»Verwalt’rin für die Kinder
„Macht’ Ueberröckchen d’raus.“
Chor.
Wol! wol! wer ſah noch Pelz
Am ächten Marmorfels!
Nag’ſt da ’nen magern Knochen,
Wo blieb dein fetter Schmauß? —
„Ach meine Köche kochen
Sich erſt das Mark heraus.
Chor.
So! ſo! dem Koch den Topf,
Der Herr ſpeißt mit dem Kopf?
Kein Tröpflein haſt im Becher,
Verrammelt Bachusklauß’! —
„Der Kellner zog als Zecher
„Hinein mit Sang und Brauß? —
Chor.
Weh! weh! ſchenk’ Zähren ein,
Da braucht es keinen Wein!
Hohl’ aus dem Beutel Bazen,
Biſt ſo ein reicher Dauß! —
»Mein Aff’ that ihn zerkrazen,
„Dukaten rollten ’raus.«
Chor.
Brav! brav! Finanzgehirn
Bei ſtrupp’ger Affenſtirn»!
Ich meinte dich zu kennen,
Doch biſt der Rechte nicht. —
»Soll ich mich auch noch nennen,
„Da alles von mir ſpricht?«
Chor.
Hoch! hoch! beſcheiden groß,
Legt die Bewund’rung los!
King Lear’s Anverwandter.
Und Pathchen Shakespear? —
„Ach! Publikum Genannter
Und gar geplagtes Thier! —
Chor.
Hm! hm! nichts mehr davon,
Da kommen Gensdarmes ſchon!
Die Stadt Frankfurt hatte unter den Anweſenden folgende Karte
vertheilen laſſen: »An die auf dem Hambacher Feſt anweſenden Deut-
ſchen einen Brudergruß von allen Gleichgeſinnten in Frankfurt
a. M., welche dem Feſt nicht beiwohnen können.
Wir kehren nunmehr zur Chronologie des feſtlichen Tages zurück.
Als auch das Ende des majeſtätiſchen Zuges die Höhe der Schloß-
ruine Hambach erſtiegen hatte, eröffnete im Namen der Feſtordner eines
ihrer würdigſten Mitglieder, Dr. Hepp aus Neuſtadt an der Haardt
die Feierlichkeit mit folgender Rede von der Tribüne:
Deutſche Männer und Brüder!
Seid uns herzlich gegrüßt, an dem bedeutungsvollen Tage, der
uns heute erſchienen — ſeid uns willkommen ihr Alle, die ihr von
nahe und ferne aus allen Gauen des deutſchen Vaterlandes euch hier
verſammelt habt — empfanget unſeren innigen Dank, daß ihr unſeres
Aufrufs Sinn und Bedeutung ſo ſchnell erkannt und euch vereint habt
zu dieſer, für unſer deutſches Vaterland ſo wichtigen Verſammlung.
Im Angeſicht der Trümmer einer traurigen Vorzeit, in der unſer Volk,
niedergetreten von übermüthigen Zwingherrn, das Bild innerer Zerrüt-
tung und eines unwürdigen ſclaviſchen Zuſtandes darbot, ſtehen wir
jetzt, um uns als Freunde und Brüder zu erkennen, um die Hoffnung
einer beſſeren Zukunft in uns zu beleben und uns zur kräftigen in dem
Entſchluſſe, feſt und unerſchütterlich die Bahn zu wandeln, die zum Ziele
unſeres Strebens, zur Wiedergeburt unſeres geliebten Vaterlandes führt.
Was, meine Freunde, liegt uns dabey aber näher als die Frage,
was zu dieſem großen Ziele uns führe, das der Blick in die Zukunft
uns vorhält — was die Schmach zu tilgen vermöge, die auf Deutſchlands
ſchönen Gauen laſtet, und auf dem Volke, das ſo bieder, ſo kräftig, ſo
tapfer unter den Völkern Europas daſteht? — Worin das Mittel liege,
das unſerem theueren Vaterlande Ehre, Ruhm, Glück und Wohlſtand,
mit einem Worte die Größe und Bedeutung erringen und ſichern könne,
die es verloren.
Nur Bekanntes, aber dennoch ewig Wahres und nie genug zu
Wiederholendes ſpreche ich aus, wenn ich behaupte, daß die ganze
Schmach, der namenloſe Jammer, der auf Deutſchland laſtet, nur aus
der Vereinzelung und Getrenntheit der deutſchen Stämme, aus Mangel
an Volksthum, aus der Unentſchloſſenheit herrühre, für die heilige Sache
des Vaterlandes alles Andere zu opfern.
Nur Einheit giebt einem Volke Kraft und Sicherheit, mögen ein-
zelne Theile in ſich noch ſo ſchwach ſeyn, ſie werden in einem gemein-
ſamen Mittelpunkt ſtark und mächtig.
Nur Einheit des Willens und des Handelns bei allen deutſchen
Stämmen, Erſtarkung und Kräftigung des Volksgeiſtes und bei jedem
Einzelnen der Entſchluß für die heilige Sache des Vaterlandes jedes
Opfer zu bringen, ſind darum die Mittel — die Schmach zu tilgen,
die auf unſerem Vaterlande laſtet.
Dieſes Ziel aber liegt uns ferne, ſo lange wir hin- und herſchwan-
ken in leidiger Halbheit, hoffend und fürchtend, ſchwatzend aber nicht
handelnd, begierig nach Sieg und Entſcheidung, aber zitternd vor Kampf
und Gefahr — ſo lange kalt berechnender Eigennutz alle Handlungen,
ſelbſt die im Intereſſe des Vaterlandes unternommenen, auf die
Goldwage legt — ſo lange jener falſche Liberalismus uns blendet, der
ſich nur kund giebt durch ſchöne Phraſen und rhetoriſche Figuren und in
Wirklichkeit nur ſtrebt nach nichtigem Glanze und nach Beförderung
perſönlicher Intereſſen — ſo lange todtes Wiſſen und ſpitzfindige, gelehrte
Grübelei höher ſteht, als ein friſcher, geſunder Sinn, als ein klarer,
tüchtiger Verſtand, und eine heilige Begeiſterung für Recht und Wahr-
heit — ſo lange endlich die Sprache des Gefühls und des Mitleids
mehr über uns vermag, als feſte Grundſätze und ein unbeugſamer Wille.
So lange unſer Volk an dieſen Fehlern wie an einer Cholera des Gei-
ſtes und des Herzens leidet, wird Deutſchlands Einheit, Deutſchlands
Freiheit, Deutſchlands Wiedergeburt nicht erblühen.
Auf darum, ihr deutſchen Männer und Brüder, vereinigt euch Alle,
die ihr wahre Freunde des Vaterlandes ſeyd, vereinigt euch! nicht im
Geheimen und Verborgenen, ſondern wie heute im Angeſicht des Vater-
landes, und wirkt, daß die Schlechten Widerſtand und die Schwachen
eine Stütze haben — wirket, daß die Unentſchiedenen zum Entſchluſſe
kommen — die Zaghaften Muth gewinnen und die öffentliche Meinung
in Wahrheit ſich ausſpreche. Nur auf dieſe Weiſe kann dem theueren
Vaterlande Hilfe und Rettung kommen, nur auf dieſem Wege werden
in ihm Ruhm und Glück, Ehre und Wohlſtand auferſtehen. Gelingt es
uns zu handeln, wie es Pflicht, Zeit und Lage gebieten — gelingt es
uns, die vereinzelten Kräfte zu vereinigen und die vereinigten klug zu ge-
brachen — welche Macht dürfte es dann wagen, unſerem feſten und
ernſten Willen entgegen zu treten?
Darum allen deutſchen Männern, welche für die Wiedergeburt des
Vaterlandes, entſchloſſen ſind jedes Opfer zu bringen, ein dreimaliges
Lebehoch!
Es lebe Deutſchlands Einheit!
Deutſchlands Freiheit — und durch ſie, Deutſchlands Wiedergeburt!
Hierauf folgten ohne Unterbrechung die Reden des Redakteurs des
Weſtboten und der Zeitſchrift „Deutſchland“ Siebenpfeiffer und
des Redakteurs der deutſchen Tribüne J. G. A. Wirth:
Nede von Siebenpfeiffer.
„Der Gedanke des heutigen Feſtes und der Aufruf (vom 20. April)
zur Feier deſſelben haben ſo mancherlei und ſeltſame Auslegungen erfah-
ren, daß es Pflicht ſcheint für denjenigen, von welchem die Idee und
der Aufruf ausgegangen, ſich über die Bedeutung zu erklären, die er
damit verknüpft, wobei indeß Jedermann frei bleibt, ſie nach ſeiner
Weiſe zu deuten und auszubilden. Die Schmähungen des Amtseifers
muß man der zärtlichen Beſorgniß für beſtehende Inſtitutionen verzei-
hen; die einzige Antwort ſei: unſere würdevolle Haltung.
Aber indem ich mich anſchicke, von der Idee dieſes Feſtes zu reden,
ſuch’ ich, von deren Unermeßlichkeit durchdrungen, vergebens den rechten
Ausdruck für die Bilder, die ſchon bei einer andern Feier (am 29.
Januar S. Weſtbote 1832 Nr. 34, wo die Beſchreibung des Schüler’ſchen
Feſtes alſo ſchließt: „Dies der vorläufige Bericht, den der Weſtbote ab-
ſtattet. Er ſelbſt war Augenzeuge, er erzählt wahr und treu. Noch (am
Morgen nach dem Feſte) iſt er des gewaltigen Eindrucks kaum Herr;
aber er gewahrt in naher Ferne die immer grö-
ßere Entfaltung des Bürgerlebens; er ſah in der geſtri-
gen Feier, in der Mitte der ausgezeichneteren Männer des Kreiſes, ein
Bürger- oder Volksfeſt, das, wie ſchon bemerkt, bald in ein wahres
Nationalfeſt übergehen wird. Jeder der Anweſenden wird den em-
pfangenen oder erweckten heiligen Funken der Freiheit und deutſcher
Nationalität in die Herzen Aller übertragen und ſo eine Flamme
entzünden, in welcher das ſchmachvoll niedergetretene
deutſche Vaterland ſich zu läutern und wie der Phönix
jugendlich zu erſtehen hoffen darf.“ vor meiner Seele ſtanden, und die in ſtets lichterer Klarheit
hervordringen aus den Tiefen der Zukunft.
Ich werde kurz ſeyn, am Tage, wo Aller Herzen voll ſind; ich
werde ſchlicht ſeyn, denn ich rede zu Allen; ich werde wahr ſeyn, nur
für die Wahrheit iſt dieſer Redeſtuhl errichtet. Wer reden will in die-
ſer kreiſenden Zeit der Völkergeburt, der rede frei und offen wie des
Himmels Sonne friſch hineinleuchtet in die ſündenvolle Nacht. Diener
der Gewalt mögen im Finſtern ſchleichen oder am hellen Tage die viel-
farbige Larve der Heuchelei und Lüge vornehmen; der Patriot, wer
ſein Vaterland liebt und die Freiheit liebt, wer die Menſchenwürde
trägt im Buſen, der tritt in ſeiner eigenſten Geſtalt auf: er kann irren,
aber nimmermehr ſich und Andere belügen; nicht jene Selbſtſucht wird
ihn beherrſchen, die in verſchleierter Halbheit ſich für jeden Ausgang
des großen Kampfes das Löſe- und Bindemittel retten will, nicht jene
Selbſtſucht, die die beſſere Ueberzeugung an die Furcht verräth oder um
ſchnöden Gewinn tauſcht, nicht jene Selbſtſucht, die, wie das Gift der
Cholera, die Lippen in ſtotternden Krampf ſetzt und den Pulsſchlag des
Herzens tödtend erſtarrt; ſondern der Gottesfunke der Menſchheit möge
ſein Gemüth bewegen, ſeine Zunge begeiſtern, der Gottesfunke der
Liebe zum Vaterland, zur Freiheit.
Vaterland — Freiheit — ja! ein freies deutſches Va-
terland — dies der Sinn des heutigen Feſtes, dies die Worte, deren
Donnerſchall durch alle deutſchen Gemarken drang, den Verraͤthern der
deutſchen Nationalſache die Knochen erſchuͤtternd, die Patrioten aber an-
feuernd und ſtaͤhlend zur Ausdauer im heiligen Kampfe, „im Kampf zur
Abſchuͤttelung innerer und aͤußerer Gewalt.“
Der Deutſchen Mai — Wonnemonat nannten unſere Vaͤter
den Mai, wonniglich ſchmeichelt er den Sinnen, mit Wonne kirrt er das
Herz, mit Wonnebildern umgaukelt er die Phantaſie. Mit Bluͤten ſahn
wir Baum und Strauch geſchmuͤckt, ein Duͤftemeer wird bald umfluthen
die zahlloſe Weingelaͤnde: reiche Fruchtbarkeit wird der Erndtemonat
bringen, wenn kein Spaͤtfroſt toͤdtet, kein Hagel zerſchlaͤgt, kein Sturm
zerknickt. Auch der Voͤlker Leben hat ſeine Maitage, die wiederzukehren
pflegen in jedem politiſchen Umſchwung, der mit friſcher Jugendlichkeit alle
Nerven und Adern uns durchzuckt: wohl den Voͤlkern, wenn die belebende
Sonne der Vaterlandsliebe die edleren Bluͤten befruchtet, wenn nicht der
Winterfroſt der Selbſtſucht ſie toͤdtet, nicht der Sturm despotiſcher Gewalt
ſie vernichtet! Auch die Voͤlker haben ihre Maitage, wo die bluͤtenum-
kraͤnzte Hoffnung erwacht, wo die patriotiſche Phantaſie mit roſenfarbenen
Geſichten ſpielt. Auch die Voͤlker haben ihren Erndtemonat, und der
Baum ihres Lebens umhaͤngt ſich mit koͤſtlichen Fruͤchten, dem Segen des
Wohlſtandes und dem Ruhme der Geſchichte, wenn er wurzelt in der
Liebe zum Vaterland, wenn er von treuen Buͤrgerhaͤnden gepflegt und
gehegt wird.
Fuͤr unſer Deutſchland war ein ſolcher Mai aufgegangen, mit brau-
ſender Jugendkraft ſtuͤrzte das deutſche Volk in den Kampf, zu erringen
die Freiheit, zu erringen ein Vaterland; aber die edelſte Bluͤte des Siegs
ward zernagt vom Wurm fuͤrſtlich-ariſtokratiſcher Selbſtſucht, die heilige
Saat, von edlem Buͤrgerblute geduͤngt, ward zertreten vom eiſernen
Fuß der Despoten. Nun iſt er wiedergekehrt der herrliche Voͤlker-Mai,
er ſteht vor Aller Augen, das Haupt umkraͤnzt mit den Kraͤnzen der
Hoffnung: friſch will der Voͤlkerbaum gruͤnen und bluͤhen, und mit reicher
Frucht ſich beladen. Aber noch ſtehen wir ſinnend und zaudernd; noch
iſt ihm nicht Aller Liebe geweiht, Aller pflegende Sorgfalt; noch ſchmach-
ten die Wurzeln auf duͤrrem Geſtein, duͤrftig benetzt von den Thraͤnen
der Maͤrtyrer, die in Verbannung leben, in Kerkern ſeufzen, oder dem
Vaterlande den letzen Gruß zuwinkten von dem Schaffot. —
So weit von dieſem erhabenen Punkte der Blick reicht, dehnt ſich aus
das herrliche Rheinthal, jener beneidete Garten, auf den die Natur alle
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Fülle des Segens ansgeſchüttetausgeſchüttet; aber das deutſche Vaterland liegt ver-
ödet. Gärten für Obſt, für Wein, für Brodfrüchte, grünende Wieſen
und Anlagen prangender Luſt haben deutſche Hände geſchaffen; aber brach
liegt der Boden des Vaterlandes. Sinnreich raffinirt der Erwerb, wie
er den Baum, wie er den Weinſtock veredle, wie er den Waizenhalm
ſchießen und gewichtig laden mache, wie er den Waſſerfluten den Raub
entziehe, wie er den wildeſten Berg umſchaffe zu fruchtbarem Ertrag —
aber die Fluren des Vaterlandes ſtehen verlaſſen, Dörner und Diſteln
wuchern, Uhus herrſchen als Adler, Büffel ſpielen die Löwen, und
kriechendes Gewürm, Volk genannt, ſchleicht und windet ſich auf der
Erde, zahllos ſich vervielfältigend und jenen Raubthieren zum üppigen
Fraß dienend. Geſchäftig forſcht und brütet der Geiſt der Erfindung,
der Entdeckung, des Betriebs, wie er aus dem Leib der Erde die Metalle
herauf hole zu Werkzeugen der Arbeit, des Gewinns und ach! unſrer
Bedrückung; aber das edlere Metall der Vaterlandsliebe ruht verſchüttet.
Der ſinnende Geiſt errichtet Eiſenbahnen und baut Dampfſchiffe, das
enge Comptoir zum Weltmarkt erweiternd, Land mit Land und
Volk mit Volk zu gegenſeitigem Wucher verknüpfend: aber der Bürger
bleibt fremde dem Bürger, und engherzig verkrüppelt er am Rechentiſch,
im ſpießbürgerlichen Puppenſpiel, oder am kühnen Wageſtück eines —
Schleichhandels. Wir widmen unſer Leben der Wiſſenſchaft und der
Kunſt, wir meſſen die Sterne, prüfen Mond und Sonne, wir ſtellen
Gott und Menſch, Höll’ und Himmel in poetiſchen Bildern dar, wir
durchwühlen die Körper- und Geiſterwelt: aber die Regungen der Va-
terlandsliebe ſind uns unbekannt, die Erforſchung deſſen, was dem Vater-
lande Noth thut, iſt Hochverrath, ſelbſt der leiſe Wunſch, nur erſt wieder
ein Vaterland, eine frei-menſchliche Heimath zu erſtreben, iſt Verbrechen.
Wir helfen Griechenland befreien vom türkiſchen Joche, wir trinken auf
Polens Wiedererſtehung, wir zürnen wenn der Despotism der Könige
den Schwung der Völker in Spanien, in Italien, in Frankreich lähmt,
wir blicken ängſtlich nach der Reformbill Englands, wir preiſen die Kraft
und die Weisheit des Sultans, der ſich mit der Wiedergeburt ſeiner
Völker beſchäftigt, wir beneiden den Nordamerikaner um ſein glückliches
Loos, das er ſich muthvoll ſelbſt erſchaffen: aber knechtiſch beugen wir
den Nacken unter das Joch der eigenen Dränger; wenn der Despotism
auszieht zu fremder Unterdrückung, bieten wir noch unſern Arm und un-
ſere Habe; die eigene Reformbill entſinkt unſern ohnmächtigen Händen,
die der Sturz Warſchau’s in’s Zittern gebracht, die Wiedergeburt Deutſch-
lands gilt uns als ein nichtiger Traum, und o! wie möchten wir fähig
ſein jener ſittlichen Kraft, jenes heldenmüthigen Entſchluſſes, auf deſſen
Wink ein freies, ein glückliches, ein ruhmvolles Vaterland ſich erhöbe? —
Herrliche Werke der ſinnigen Andacht unſerer beſſern Väter prangten
dereinſt in dieſen reichen Gauen, noch ſtreken ihre Wipfel oder Trümmer
empor die Dome von Freiburg und Straßburg und Speier und Oppen-
heim und Mainz und Frankfurt. Andere Tempel erbauten wir daneben,
klein und armſelig wie unſer Sinn und unſre Kraft. Noch ſteht die
Kirche dort, wo ein Luther gepredigt, noch zeigt ſie das Bild des Reichs-
tags, vor welchem er, der muthige Glaubensheld, den Herrſcherſtab des
Pfaffenthums, der Unwiſſenheit und geiſtigen Bedrückung zerbrach und
die Freiheit des Gewiſſens und der Forſchung für immer errang: aber
noch ſteht der römiſche Despot mit deutſchen Fürſten in Vertrag und
Bund, und noch iſt kein politiſcher Luther auferſtanden, der das Scepter
zerbreche der abſoluten Könige, der die Völker erlöſe von der Schmach
der politiſchen Knechtſchaft.
Wir bauen mit dem Schweiße zinspflichtiger Armen dem Ueber-
muthe Palläſte, der Ueppigkeit Schauſpielhäuſer und Tanzſäle, der Un-
terdrückung Kaſernen und Zwingburgen, der Luſt Landhäuſer und Bäder,
dem Stolz errichten wir Prunkſchlöſſer, der Eitelkeit Muſeen und Kunſt-
gallerieen, den Völkerſchlächtern Säulen des Ruhms: aber für irgend
ein deutſches Nationaldenkmal hat die weite deutſche Erde keinen Raum,
haben ſeine 34 ſouveräne Fürſten keinen Sinn; eine Nationalhalle ſuchſt
du umſonſt, wo die Majeſtät des deutſchen Volks wiederſtrahle, das freie
Geſetz im Innern gründend, die Würde nach Auſſen bewahrend.
Tauſend Dörfer und Städte ſehn wir ſchimmernd ſich ausbreiten,
von Bewohnern wimmelnd, wie rührige Ameiſen und erdumwühlende
Maulwürfe; aber ein höheres Band, ſie zu ſittlicher Einheit verknüpfend,
einen Gedanken, ſie emporrichtend zum himmliſchen Vater, der ſie erſchaf-
fen zur Freiheit, zur Menſchenwürde: jenes heilige Feuer, das in unſerm
Haupte den Lichtſtrahl entzündet, und unſere Bruſt zum rettenden Ent
ſchluſſe der Aufopferung für die Geſammtheit erwärmt, die Kraft
des ſchwankenden Willens ſtählt und den flüchtigen Muth des Augen-
blicks in Flammen ſetzt — das ſuchſt du vergebens.
Dort Carlsruhe — Carlsruhe; was kannſt du weiter von der
volkreichen, glänzenden Stadt rühmen, die ſich glücklich ſchätzt, der
Schemel üppiger Höflinge zu ſeyn, und von den Brocken ihrer Tafel
ſich zu nähren? Hier Speier, einſt von tapfern Nemetern bewohnt,
einſt der prangende Sitz deutſcher Reichsverſammlungen und des Reichs-
gerichts, jetzt von etlichen Jeſuiten und Ariſtokraten beherrſcht. Dort
das reinliche Mannheim, welches, zwiſchen Hof- und Bürgerthum
ſchwebend, des Lebens Ziel und Preis in der Oper zu finden ſcheint.
Heidelberg, ein altehrwürdiger Muſenſitz; aber manche der Fackel-
träger ſtellen das Licht unter den Scheffel, und mehr als den Muſen
opfert man dem Mammon nnd der Eitelkeit, die ſich mit Orden bläht
und Hoftiteln. Darmſtadt, nur auf ein Preßgeſetzlein für eine
Spanne Landes bedacht, das neben der Cenſur und unterm Schwert
des Bundestags kränkle, jenes deutſchen Bundestags, der einen deut-
ſchen Stamm zum andern als Fremdling, eine Scholle zur andern als
Ausland erklärt. Worms, um deſſen Gunſt dereinſt das deutſche
Reichsoberhaupt gebuhlt, deſſen tapfere Bürger Kaiſer befreiten, wo
Luther im Angeſichte des Reichstags dem verketzernden Prieſterthum
Trotz bot, Worms, von den Römern erbaut, hat den Maulkorb um.
Mainz, wo das Genie eines Guttenberg das pochende Gefühl in der
engen Bruſt entfeſſelte und den Gedanken zum geflügelten Wort umprägte,
Mainz mußte die Schmach erleben, daß dort ein Spezialgericht zwölf
Jahre lang auf Jünglingen laſtete, die von einem Deutſchland träumten,
weil es in den Proklamationen der Mächtigen verheißen war; Mainz,
Deutſchlands Bollwerk, ſeufzt unter der Waffengewalt zweier Könige,
deren Kabinetspolitik kein Deutſchland anerkennt, und das Bollwerk
ſammt Deutſchland ſchon mehrmals an den Erzfeind verrieth. Frank-
furt, rührig mit Fäſſern und Ballen und Geldſäcken; Frankfurt das
im Namen noch den Ruhm eines der muthigſten deutſchen Stämme be-
wahrt; Frankfurt, wo jeder Pflaſterſtein für eine geſchichtliche Erinnerung
Deutſchlands zeugt; Frankfurt iſt — o daß ich Alles mit einem Wort
ſage! — iſt der Sitz des Bundestags, der Sitz des politiſchen Vati-
kans, aus welchem der Bannſtrahl herabzuckt, wo irgend ein freier,
ein deutſcher Gedanke ſich hervorwagt.
Sollen die Blicke noch weiter ſchweifen, den Schleier durchdringend,
der die Schmach deutſcher Gauen deckt? Wollen wir in den Norden
hinabſteigen, wo die Nacht des Abſolutismus ſchwer laſtet auf einem
Volksſtamm, der ſich der helleſten Erleuchtung mit Recht rühmte, der
zu Deutſchlands Befreiung von fremdem Joche ſich zuerſt und am kräf-
tigſten erhob, jetzt aber ob der ſchmählichen Knechtſchaft im Innern und
von Außen ſich glücklich preißt? Oder wollen wir die öſtlichen Brüder
beſuchen, welche die mit Sammet überzogene Eiſenhand des ſchlaueſten
Despotismus von den übrigen Deutſchen gewaltſam trennt, ja ſie mit
dem Henkerbeile gegen dieſelben bewaffnet?
Ha! ihr zürnet, deutſche Männer und Frauen, über die dunkeln
Schlagſchatten im Gemälde der Zeitbewegung: wohl euch, wohl dem
Vaterlande, daß ihr zürnet! In dieſem edlen Zorn iſt die Bürgſchaft
gegeben, daß einſt ein Deutſchland wieder erſtehe aus den Trümmern,
worunter die Gewalt der Zeit und der Verrath der Fürſten es begra-
ben. Leuchtende Strahlen der Hoffnung zucken auf, die Strahlen der
Morgenröthe deutſcher Freiheit, und bald, bald wir ein Deutſchland
ſich erheben, herrlicher als es jemals geweſen.
Noch iſt’s daſſelbe Volk, um welches, als den natürlichen und politi-
ſchen Mittelpunkt, einſt alle Völker Europa’s ſich reiheten; noch iſt’s
daſſelbe Volk, das in der Zeit tiefſter Erniedrigung mit heiliger Be-
geiſterung die Ketten des Fremdlings zerbrach und auf blutigen Sieges-
feldern den Altar des Vaterlandes erhob; wie zerſplittert und verein-
zelt auch die Beſtrebungen der Stämme für die Erringung geſetzlicher Frei-
heit, es ſind Steine zum großen Nationalbau für Alle; die Hände,
welche Opernhäuſer und Zwingburgen errichteten, werden auch Hallen
erbauen, worin die Repräſentanten deutſcher Nation über das Wohl des
gemeinſamen Vaterlandes berathſchlagen; mitten aus den Schwärmen
der Elenden, die um wankende Throne ſich lagern, oder ſonſt im Schlamm
abſcheidender Selbſtſucht ſich wälzen, richten ſich Tauſende männlich
empor, glühend für deutſche Freiheit und Volksthum; wenn wir im
Gewühl jener Städte viel nichtiges Treiben für Befriedigung des Bauchs
und kränkelnder Sinnenluſt ſehn, ſo bemerken wir auch mit Freude die
muthigen Vaterlandsvereine, den erwachenden Bürgerſtolz, die ſtets re-
gere Theilnahme an allem Oeffentlichen; in jenem herrlichen Frankfurt
zumal, wo die finſtere Gewalt ariſtokratiſcher Häuptlinge lauert, flim-
mert ſchon der Funke der Freiheit, der im deutſchen Volksſaal zur hell-
leuchtenden Flamme ſich entzünden wird; ja auch in den gelähmten Nor-
den und Oſten dringt, erwärmend und belebend, immer tiefer der Strahl
politiſcher Aufklärung, auch unſere dortigen Brüder haben vom Baum
des Erkenntniſſes gekoſtet, und darum ſteht auch vor ihrem Blick unſer
deutſches Vaterland in ſeiner traurigen Nacktheit, in ſeiner unwürdigen
Blöſe; auch für ſie wird ein froher Maitag anbrechen, und wenn wir
fie noch vermiſſen beim heutigen Feſte der Hoffnung, ſie feiern es doch
mit im Geiſt, und ſie werden nicht ausbleiben, wann wir das Erndte-
feſt begehn, wann die Hoffnung zur Wirklichkeit gediehen, wann das
Vaterland, das wir jetzt noch im Herzen tragen, einig und frei und
ſtark, ein deutſcher Rieſe, lebendig vor unſere Augen treten wird.
Und es wird kommen der Tag, der Tag des edelſten Siegſtolzes,
wo der Deutſche vom Alpengebirg und der Nordſee, vom Rhein, der
Donan und Elbe den Bruder im Bruder umarmt, wo die Zollſtöcke und
die Schlagbäume, wo alle Hoheitszeichen der Trennung und Hemmung
und Bedrückung verſchwinden, ſammt den Conſtitutiönchen, die man et-
lichen mürriſchen Kindern der großen Familie als Spielzeug verlieh; wo
freie Straßen und freie Ströme den freien Umſchwung aller National-
kräfte nnd Säfte bezeugen; wo die Fürſten die bunten Hermeline feuda-
liſtiſcher Gottſtatthalterſchaft mit der männlichen Toga deutſcher Natio-
nalwürde vertauſchen, und der Beamte, der Krieger, ſtatt mit der Be-
dientenjacke des Herrn und Meiſters, mit der Volksbinde ſich ſchmückt;
wo nicht 34 Städte und Städtlein, von 34 Höfen das Almoſen empfangend,
um den Preis hündiſcher Unterwerfung, ſondern wo alle Städte, frei
emporblühend aus eigenem Saft, um den Preis patriotiſcher Geſinnung,
patriotiſcher That ringen; wo jeder Stamm, im Innern frei und ſelbſt-
ſtändig, zu bürgerlicher Freiheit ſich entwickelt, und ein ſtarkes, ſelbſtgewo-
benes Bruderband alle umſchließt zu politiſcher Einheit und Kraft; wo die
deutſche Flagge, ſtatt Trihut an Barbaren zu bringen, die Erzeugniſſe
unſeres Gewerbfleißes in fremde Welttheile geleitet, und nicht mehr
unſchuldige Patrioten für das Henkerbeil auffängt, ſondern allen freien
Völkern den Bruderkuß bringt. Es wird kommen der Tag, wo deutſche
Knaben, ſtatt durch todte Spielereien mit todten Sprachen ſich abzu-
ſtumpfen, und die Jünglinge, ſtatt auf mittelalterlichen Hochſchulen durch
Gelage, ſchnöde Tändelei und Klopffechterei zu verkrüppeln, durch leben-
digen Nationalunterricht und würdige Leibesübung ſich zu deutſchen Män-
nern heranbilden und zu jenem Vaterlandsſinn ſich ſtählen, von dem
alle politiſche Tugend, alle Großthat ausſtrömt; wo das deutſche Weib,
nicht mehr die dienſtpflichtige Magd des herrſchenden Mannes, ſondern
die freie Genoſſin des freien Bürgers, unſern Söhnen und
Töchtern ſchon als ſtammelnden Säuglingen die Freiheit einflößt, und
im Samen des erziehenden Wortes den Sinn ächten Bürgerthums nährt;
und wo die deutſche Jungfrau den Jüngling als den würdigſten erkennt,
der am reinſten für das Vaterland erglüht; wo, abſchüttelnd das Joch
des Gewiſſens, der Prieſter Trug und den eigenen Irrwahn, der Deut-
ſche zu ſeinem Schöpfer die unverfälſchte Sprache des Kindes zum Vater
redet; wo der Bürger nicht in höriger Unterthänigkeit den Launen
des Herrſchers und ſeiner knechtiſchen Diener, ſondern dem Geſetze ge-
horcht, und auf den Tafeln des Geſetzes den eigenen Willen liest, und
im Richter den freierwählten Mann ſeines Vertrauens erblickt; wo die
Wiſſenſchaft das Nationalleben befruchtet und die würdige Kunſt als
deſſen Blüte glänzt.
Ja, er wird kommen der Tag, wo ein gemeinſames deutſches Va-
terland ſich erhebt, das alle Söhne als Bürger begrüßt, und alle Bür-
ger mit gleicher Liebe, mit gleichem Schutz umfaßt; wo die erhabene
Germania daſteht, auf dem erzenen Piedeſtal der Freiheit und des
Rechts, in der einen Hand die Fackel der Aufklärung, welche civiliſirend
hinausleuchtet in die fernſten Winkel der Erde, in der andern die Wage
des Schiedsrichteramts, ſtreitenden Völkern das ſelbſterbetene Geſetz
des Friedens ſpendend, jenen Völkern, von welchen wir jetzt das Ge-
ſetz der Gewalt und den Fußtritt höhnender Verachtung empfangen. —
Seit das Joch abgeſchüttelt des fremden Eroberers, erwartete das
deutſche Volk, lammfromm, von ſeinen Fürſten die verheißene Wieder-
geburt; es ſieht ſich getäuſcht, darum ſchüttelt es zürnend die Locken
und drohet dem Meineid. Die Natur der Herrſchenden iſt Unterdrü-
ckung, der Völker Streben iſt Freiheit. Das deutſche Volk, wenn die
Fürſten nicht ühren Wolkenthron verlaſſen und Bürger werden, wird in
einem Moment erhabener Begeiſterung allein vollenden das Werk, wo-
vor der ſiechkranke Dünkel erſchrickt, wovor die auszehrende Selbſt-
ſucht erbebt, und wogegen die hinſterbende Gewalt vergebens die Strei-
che des Wahnſinns in die Luft führt; das deutſche Volk wird vollbrin-
gen das heilige Werk durch einen jener allmächtigen Entſchlüſſe, wo-
durch die Völker, wenn die Fürſten ſie an den Abgrund geführt, ſich
einzig zu retten vermögen.
Dies der Gedanke des heutigen Feſtes, des herrlichſten, beden-
tungsvollſten, das ſeit Jahrhunderten in Deutſchland gefeiert ward, —
der Gedanke, der Tauſende von ausgezeichneten deutſchen Bürgern auf
dieſer Höhe verſammelt und den Millionen andere Deutſche mitempfin-
den, der Gedanke der Wiedergeburt des Vaterlandes. Und
ſolcher Gedanke ſchallt von dieſer Bergruine, an deren ſtarren Felswän-
den ſo mancher Schädel verzweifelnder Bauern ſich verblutete, von die-
ſem biſchöflich-adeligen Raubneſt, an welchem deutſche Volkskraft ſich
übte, die heiße Rache durch Zerſtörung kühlend, ſchallt die Forderung
deutſcher Freiheit, deutſcher Wiedergeburt, bedeutungsvoll mahnend, in
alle Gauen des zerriſſenen, des zertretenen Geſammtvaterlan des hinüber!
Darum noch einmal! Leuchten wird der große Tag, wozu in jeder
flüchtigen Stunde neue Herzen ſich bereiten, und wär’ es uns nicht ver-
gönnt, ihn zu ſchauen, ſo würden unſre beſſern Söhne deſto gewiſſer
ihn heraufführen, ſie, in deren unbefleckten Gemüthern jener Freiheits-
ſtolz und jener Männerſinn glüht, der einſt Herrmann nnd ſeine Ta-
pfern gegen die Dränger des Volkes geführt; unſre Söhne haben es
gelobt und geloben es täglich; was dort auf benachbarter Hochſchule von
etlichen deutſchen Jünglingen aus Preußen voll edlen Entſchluſſes geſpro-
chen ward, es wiederhallet als Morgen- und Abendgedanke in allen
reinen Jugendherzen; derſelbe glühende Drang für das Vaterland kocht
und ſiedet und ſprudelt in der Bruſt aller Knaben und Jünglinge, die noch
nicht vergiftet ſind von den Lehren der Selbſtſucht, des ariſtokratiſchen
Hochmuths; ſie wollen den ſtolzen Tag heraufführen, wo das morſche go-
thiſche Gebäude des politiſchen Europa zuſammenſinkt, wobei man ſich
über nichts wundern wird, als über das geringe Getöſe des Sturzes.
Doch nimmermehr wollen wir unſern Söhnen und Enkeln das hei-
lige Werk überlaſſen, ein deutſches Vaterland zu gründen, nimmermehr
wollen wir ihnen den Ruhm und den Stolz gönnen, dieſes Vaterland
erſt vor ihren Blicken ſich erheben zu ſehn; nimmermehr wollen wir
unſrer eignen Halbheit und Schwäche die Schminke leihen, indem wir,
anſcheinend arglos, verſichern, die Gegenwart, die übrige Mitwelt ſey
nicht reif für Ideale, die wir im Geiſte nähren.
Wir ſelbſt wollen, wir ſelbſt müſſen vollenden das
Werk, und, ich ahne, bald, bald muß es geſchehen,
ſoll die deutſche, ſoll die europäiſche Freiheit nicht er-
droſſelt werden von den Mörderhänden der Ariſtokra-
ten.
Die Jugend empfängt von den Männern den Rath der Weisheit;
mögen die Männer am flammenden Muthe der Jugend ſich entzünden.
Die Jünglinge werfen von ſich den Tand, womit ſie früher geſpielt;
ſie verwiſchen alle Unterſchiede, ſie vertilgen alle Landsmannſchaften und
Trennungen: ihr deutſche Männer! o laſſet auch uns aller Spaltungen
vergeſſen, alle Marken und Abſcheidungen beſeitigen; laſſet uns nur
eine Farbe tragen, damit ſie uns ſtündlich erinnere, was wir ſollen
und wollen, die Farbe des deutſchen Vaterlands; auf ein Geſetz nur
laſſet im Geiſt uns ſchwören, auf das heilige Geſetz deutſcher Freiheit;
auf ein Ziel nur laſſet uns blicken, auf das leuchtende Ziel deutſcher
Nationaleinheit, deutſcher Größe, deutſcher Macht: und wenn einſt alle
deutſchen Männer dieſer eine Gedanke voll und lebendig durchdringt,
dann, ich ſchwör’ es bei Thuisko, dem Gott der freien Deutſchen, dann
wird in ſtrahlendſter Geſtalt ſich erheben, wonach wir Alle ringen und
wozu wir heute den Grundſtein legen — ein freies deutſches Va-
terland.
Es lebe das freie, das einige Deutſchland!
Hoch leben die Polen, der Deutſchen Verbündete!
Hoch leben die Franken, der Deutſchen Vrüder, die unſere Nationali-
tät und Selbſtſtändigkeit achten!
Hoch lebe jedes Volk, das ſeine Ketten bricht und mit uns den Bund
der Freiheit ſchwört!
Vaterland — Volkshoheit — Völkerbund hoch!
Rede von Wirth.
Das Land, das unſere Sprache ſpricht, das Land, wo unſere Hoff-
nung wohnt, wo unſere Liebe ſchwelgt, wo unſere Freuden blühen, das
Land, wo das Geheimniß aller unſerer Sympathien und all’ unſerer
Sehnſucht ruht, dieſes ſchöne Land wird verwüſtet und geplündert, zer-
riſſen und entnervt, geknebelt und entehrt. Reich an allen Hülfsquellen
der Natur ſollte es für alle ſeine Kinder die Wohnung der Freude und
der Zufriedenheit ſeyn, allein ausgeſogen von 34 Königen, iſt es für die
Mehrzahl ſeiner Bewohner der Aufenthalt des Hungers, des Jammers
und des Elendes. Deutſchland, das große, reiche, mächtige Deutſch-
land, ſollte die erſte Stelle einnehmen in der Geſellſchaft der europäi-
ſchen Staaten, allein beraubt durch verrätheriſche Ariſtokratenfamilien, iſt
es aus der Liſte der europäiſchen Reiche geſtrichen und der Verſpottung
des Auslandes Preiß gegeben. Berufen von der Natur, um in Europa
der Wächter des Lichts, der Freiheit und der völkerrechtlichen Ordnung
zu ſeyn, wird die deutſche Kraft gerade umgekehrt zur Unterdrückung
der Freiheit aller Völker und zur Gründung eines ewigen Reiches der
Finſterniß, der Sclaverei und der rohen Gewalt verwendet. So iſt
denn das Elend unſeres Vaterlandes zugleich der Fluch für ganz Europa.
Spanien, Italien, Ungarn und Polen ſind Zeuge davon. Spanien
iſt durch die heilige Allianz, welche ihre Stütze ausſchließend in Deutſch-
land hatte, einer auf Aufklärung, Menſchlichkeit und Vernunft gebauten
Staatsverfaſſung, ſowie ſeiner patriotiſchen Cortes beraubt und unter
das Meſſer fanatiſcher Prieſter und Ariſtokraten, ſowie des Regime
des Unſinnes und der Grauſamkeit überhaupt zurückgeführt worden.
Ungarn und Italien werden von Oeſterreich mit Hülfe deutſcher
Kräfte ihrer Nationalität beraubt und in Knechtſchaft und Finſterniß
gehalten. Polen iſt zu wiederholtenmalen von deutſchen Mächten ver-
rathen worden, und hat den Verluſt der Freiheit und des Vaterlandes
auch in neuerer Zeit einem deutſchen Könige zu verdanken. Die Urſache
der namenloſen Leiden der europäiſchen Völker liegt einzig und allein
darin, daß die Herzoge von Oeſterreich und die Kurfürſten von Bran-
denburg den größten Theil von Deutſchland an ſich geriſſen haben, und
unter dem Titel der Kaiſer von Oeſterreich und der Könige von Preu-
ßen nicht nur ihre eigenen, durch methodiſche Plünderung Deutſchlands
erworbenen Länder, nach orientaliſchen Formen beherrſchen und deren
Kräfte zur Unterdrückung der Freiheit und Volkshoheit der europäiſchen
Nationen verwenden, ſondern auch ihr Uebergewicht über die kleineren
Länder Deutſchlands benützen, um auch die Kräfte dieſer dem Syſteme
fürſtlicher Alleinherrſchaft und despotiſcher Gewalt dienſtbar zu machen.
Bei jeder Bewegung eines Volkes, welche die Erringung der Freiheit
und einer vernünftigen Staatsverfaſſung zum Ziele hat, ſind die Kö-
nige von Preußen und Oeſterreich durch Gleichheit der Zwecke, Ge-
ſinnungen und Intereſſen an Rußland geknüpft, und ſo entſteht jener
furchtbare Bund, der die Freiheit der Völker bisher immer noch zu
tödten vermochte. Die Hauptmacht dieſes finſtern Bundes beſteht im-
mer aus deutſchen Kräften, da Rußland ohne die Allianz mit Preußen
und Oeſterreich ohnmächtig wäre und durch innere Stürme in Zerrüt-
tung fallen würde. So rieſenhaft daher die Macht des abſoluten Bun-
des auch ſeyn mag, ſo iſt ihr Ende doch in dem Augenblicke gekommen,
wo in Deutſchland die Vernunft auch in politiſcher Beziehung den Sieg
erlangt, d. h. in dem Augenblicke, wo die öffentlichen Angelegenheiten
nicht mehr nach dem despotiſchen Willen eines Einzigen, nicht mehr
nach den Intereſſen einer über ganz Europa verzweigten Ariſtokraten-
Familie, ſondern nach dem Willen der Geſellſchaft ſelbſt und nach den
Bedürfniſſen des Volkes geleitet werden. In dem Augenblicke, wo die
deutſche Volkshoheit in ihr gutes Recht eingeſetzt ſeyn wird, in dem
Augenblicke iſt der innigſte Völkerbund geſchloſſen, denn das Volk
liebt, wo die Könige haſſen, das Volk vertheidigt, wo die
Könige verfolgen, das Volk gönnt das, was es ſelbſt mit
ſeinem Herzblut zu erringen trachtet, und, was ihm das Theuerſte
iſt, die Freiheit, Aufklärung, Nationalität und Volks-
hoheit, auch dem Brudervolke: das deutſche Volk gönnt da-
her dieſe hohen, unſchätzbaren Güter auch ſeinen Brüdern in Polen,
Ungarn, Italien und Spanien. Wenn alſo das deutſche Geld und das
deutſche Blut nicht mehr den Befehlen der Herzoge von Oeſterreich und
der Kurfürſten von Brandenburg, ſondern der Verfügung des Volkes
unterworfen ſind, ſo wird Polen, Ungarn und Italien frei, weil Ruß-
land dann der Ohnmacht verfallen iſt und ſonſt keine Macht mehr be-
ſteht, welche zu einem Kreuzzuge gegen die Freiheit der Völker verwen-
det werden könnte. Der Wiederherſtellung des alten, mächtigen Polens,
des reichen Ungarns und des blühenden Italiens folgt von ſelbſt die Be-
freiung Spaniens und Portugals und der Sturz des unnatürlichen
engliſchen Uebergewichts. Europa iſt wiedergeboren und auf breiten
natürlichen Grundlagen dauerhaft organiſirt. Freiheit des Welthandels
iſt die köſtliche materielle Frucht und unaufhaltſames Fortſchreiten der
Civiliſation der außer jeder Berechnung liegende geiſtige Gewinn eines
ſolchen Weltereigniſſes. Die reichen Länder der europäiſchen Türkei
werden dann nicht länger den Feinden aller Kultur überlaſſen bleiben,
weil die Eiferſucht einer ſchwachköpfigen und engherzigen Politik dieſe
herrlichen Provinzen einem civiliſirten Volke nicht gönnt. Man wird ſie
vielmehr der Civiliſation wiedergeben, Conſtantinopel durch Umſchaffung
in eine freie Stadt und einen freien Hafen in einen allmächtigen Hebel
des europäiſchen Handels verwandeln, die Hülfsquellen Afrika’s für
Europa eröffnen, und dann den großen Menſchenfreund, den Handel
gewähren laſſen, daß er ſeine unendlichen Gaben und unerſchöpflichen
Schätze über die Völker Europa’s ausſchütte und zugleich alle Nationen
zu ewig neuen Fortſchritten in der Civiliſation anſporne. Unermeßlich
ſind die Folgen der Befreiung Europa’s, unermeßlich ſchon in Anſehung
der Emporhebung und gleichmäßigen Verbreitung des Wohlſtandes und
unermeßlich vollends in Anſehung der geiſtigen Fortſchritte. Und alle
dieſe unendlichen Triumphe des menſchlichen Geſchlechts, all’ dieſe uner-
meßlichen Segnungen ſollten den Völkern Europa’s blos darum vorent-
halten werden, damit ein paar unverſtändige Knaben fortwährend die
Königsrolle erben können? Wahrlich, ich ſage euch, giebt es irgend Ver-
räther an den Völkern und an dem geſammten Menſchengeſchlechte, giebt
es irgend Hochverräther, ſo wären es die Könige, welche der Eitelkeit,
der Herrſchſucht und der Wolluſt willen die Bevölkerung eines ganzen
Welttheils elend machen und dieſelbe durch empörende Unterdrückung
Jahrhunderte hindurch hindern, zu dem ihr von Natur beſtimm-
ten Zuſtande von materieller Wohlfart und geiſtiger Vollendung ſich
aufzuſchwingen. Fluch, ewigen Fluch darum allen ſolchen Verräthern!
Es iſt einleuchtend, daß unter den bemerkten Umſtänden die Reform
Deutſchlands, als die Baſis der Reorganiſation Europa’s, eine große
gemeinſchaftliche Angelegenheit aller Völker unſeres Welttheils ſey. Von
ihr hängt die Wohlfart der großen Mehrheit aller Nationen Europa’s,
von ihr die Ruhe und das Glück des ganzen Welttheils ſelbſt ab. Auch
Frankreich kann vor der Befreiung und Wiedererſtehung Deutſchlands
Freiheit, Glück und Frieden in dauerhafter Weiſe nie erlangen, weil
die unvereinbarlichen Principien von Volkshoheit und dem Königthume
des göttlichen Rechts zwiſchen Frankreich und den deutſchen Königen
ewige Reibung erzeugen und einen Kampf entzünden müſſen, dem nur mit
dem entſcheidenden Siege des vernünftigen Princips, alſo dem Triumphe
der Volkshoheit in Deutſchland, definitiv ein Ziel geſetzt werden kann.
Wenn demnach die Reform Deutſchlands ſo ſehr im Intereſſe Frank-
reichs liegt, ſo ſcheint es natürlich, daß die deutſchen Patrioten in ih-
rem ſchweren und ungleichen Kampfe gegen die Verräther ihres Vater-
landes ihre Hoffnung vorzüglich auf Frankreich ſetzen ſollten. Man ſollte
meinen, unſere franzöſiſchen Nachbarn müßten dem großen Werk der
deutſchen Reform wegen der davon abhängenden Reorganiſation Euro-
pa’s frei von allem Eigennutze und insbeſondere frei von Vergrößerungs-
ſucht, aufrichtig und uneigennützig ihre volle Unterſtützung widmen. Leider
dürfen wir aber dieſer Hoffnung uns noch nicht ergeben. Die gegenwär-
tig in Frankreich herrſchende Parthei, geſtützt auf die ganze Maſſe der
Reichen und Wohlhabenden, will um jeden Preiß den Frieden erhalten.
Ihr iſt es nur um kleinliche materielle Intereſſen zu thun, ſie begreift
das wahre Bedürfniß Europa’s ſo wenig, als die Aufgabe des Jahr-
hunderts. Sie iſt insbeſondere völlig unfähig, ſich zu der Idee zu er-
heben, daß Frankreich die Reform Deutſchlands aus höheren politiſchen
Rückſichten völlig eigennützig unterſtützen müſſe. Könnte daher dieſe
Parthei auch zu einer Unterſtützung der Bewegung in Deutſchland ſich
entſchließen, ſo würde ſie das linke Rheinufer als den Preiß ihrer Hülfe
fordern. Außer den Carliſten, welche hier in keine Erwägung gezogen
werden können, kämpft gegen die herrſchende Parthei in Frankreich eine
zweifache Oppoſition, nämlich die Propaganda und die Republicaner.
Letztere ſind aber größtentheils mittellos, daher von den Wahlen und
von dem Antheile an der Repräſentation völlig ausgeſchloſſen. Auf fried-
lichem Wege kann deßhalb dieſe Parthei niemals an die Spitze der Ge-
ſchäfte treten. Würde demnach eine Veränderung des Regierungsſyſtems
in Frankreich von der Oppoſition auch durchgeſetzt, ſo geſchähe dieß höch-
ſtens im Sinne der Propaganda. Dieſe Parthei will die Freunde der
Freiheit in andern Ländern allerdings thätig unterſtützen, allein ſie fordert
als Preiß der Hülfe ebenfalls das linke Rheinufer. Nur die Republikaner,
insbeſondere die Geſellſchaft der Volksfreunde (Société des amis du peuple)
haben reinere patriotiſche Grundſätze und legen auf die Eroberung der Rhein-
grenze einen geringen Werth oder verlangen ſie gar nicht. Allein ohne
eine Staatsumwälzung, wozu noch lange keine Ausſicht gegeben iſt,
kann dieſe Partei nicht zur Herrſchaft gelangen und wenn dieß auch der
Fall wäre, ſo iſt die Begierde nach dem linken Rheinufer der großen
Mehrheit des franzöſiſchen Volkes doch ſo ſehr zur andern Natur gewor-
den, daß das kleine Häuflein hellſehender Kosmopoliten dem allgemei-
nen Nationalwunſche nicht wiederſtehen könnte, wenn bei einem Kriege,
einer gewaltſamen Umwälzung oder irgend einer Kataſtrophe in Deutſch-
land zur Eroberung der Rheingrenze Gelegenheit gegeben wäre, oder
wenn Frankreich dadurch wohl gar in den Beſitz des linken Rheinufers
zufällig kommen ſollte. Von Frankreich haben wir daher im dem Kampfe
um unſer Vaterland wenig oder keine Hülfe zu erwarten. Denn, daß
wir um den Preiß einer neuen Entehrung, nämlich der Abtretung des
linken Rheinufers an Frankreich, ſelbſt die Freiheit nicht erkaufen wol-
len, daß vielmehr bei jedem Verſuche Frankreichs, nur einen Schollen
deutſchen Bodens zu erobern, auf der Stelle alle Oppoſition im Innern
ſchweigen und ganz Deutſchland gegen Frankreich ſich erheben müßte
und werde, daß die Befreiung unſeres Vaterlandes vielmehr um-
gekehrt die Wiedervereinigung von Elſaß und Lothringen mit Deutſch-
land wahrſcheinlicherweiſe zur Folge haben werde, über alles dieß kann
unter Deutſchen nur eine Stimme herrſchen.
Hoffe man daher nichts von einer Unterſtützung Frankreichs. Fürchte
man ſolche vielmehr, wenn ſie eine Maßregel des Gouvernements werden
ſollte. Denn in dieſem Falle hat eine Bewegung Frankreichs zu Gunſten
der deutſchen Patrioten einen Krieg gegen Oeſterreich und Preußen zur
Folge, in welchem die kleinen deutſchen Mächte augenblicklich auf die
Seite Frankreichs treten würden, wenn das günſtige Kriegsglück ge-
gründete Hoffnung zur Eroberung darbietet. Baiern, das in einem ſol-
chen Falle auf die andern kleinen Fürſten einen großen Einfluß erlangt,
verwünſcht ſeine Beſitzung am Rheine und trachtet ſehnſuchtsvoll nach
Wiedererlangung von Salzburg, Tyrol und dem Innviertel. Sachſen
iſt über die Grauſamkeit, mit der man das Land zerriſſen und verkauft
hat, immer noch erbittert, und wird jede Gelegenheit ſeiner Wieder-
vereinigung mit Eifer ergreifen. Sobald daher in einem Kriege gegen
Oeſterreich und Preußen für Frankreich nur irgend eine Wahrſcheinlich-
keit des Sieges vorhanden iſt, treten Baiern, Sachſen, Würtemberg,
Baden u. ſ. w. der Vergrößerungsſucht wegen auf die Seite Frankreichs,
und es wiederholt ſich die alte Geſchichte des Rheinbundes. Dann iſt
aheraber nicht blos Deutſchland unglücklicher als je, ſondern auch das große
Werk der europäiſchen Reorganiſation auf lange Zeit wieder hinausge-
ſchoben. Aus allen dieſen Gründen dürfen denn die deutſchen Patrioten
auf die Hülfe Frankreichs nicht allein keine Hoffnung ſetzen, ſondern ſie
müßen auch die Pläne Frankreichs aufmerkſam beobachten, vor allem
aber in ihr pölitiſches Glaubensbekenntniß den Satz aufnehmen:
»Selbſt die Freiheit darf auf Koſten der Integrität unſeres Ge-
bietes nicht erkauft werden; der Kampf um unſer Vaterland und
unſere Freiheit muß ohne fremde Einmiſchung durch unſere eigene
Kraft von innen heraus geführt werden, und die Patrioten müßen
in dem Augenblicke, wo fremde Einmiſchung ſtatt findet, die Oppo-
ſition gegen die inneren Verräther ſuspendiren und das Geſammt-
volk gegen den äußern Feind zu den Waffen rufen.«
Diejenigen, welche ihre Hoffnung lediglich auf die Hülfe Frankreichs
ſetzen, werden bei ſolchen Grundſätzen an jedem Erfolge der deutſchen Op-
poſition zweifeln. Deßungeachtet wird das große Werk auch auf dieſem,
nnſere Nationalehre rettenden Wege zu Stande kommen. Das Mittel
liegt in einem Bündniſſe der Patrioten zum Zwecke der Belehrung des
geſammten deutſchen Volkes über die Art und Weiſe der nothwendigen
Reform Deutſchlands. Der Vaterlandsverein war bei ſeiner Gründung
für dieſen Zweck beſtimmt. Wie aber derſelbe inzwiſchen ſich geſtaltet
hat, kann er den großen Zweck der Wiedergeburt des Vaterlandes
nicht mehr erreichen, weil die Mitglieder deſſelben, und namentlich die
Vorſteher den Zweck einer klar erkannten, bis in die Details genau
beſtimmten und conſequent zu verfolgenden Reform Deutſchlands ent-
ſchieden abläugnen und dem Vereine dafür den vagen und unbeſtimmten
Zweck unterſchieben, für die freieſte Entwicklung patriotiſcher Gedanken
über die Mittel zur Förderung des Wohls der deutſchen Völker, die
Unterſtützung der ganzen Nation in Anſpruch zu nehmen. Der Verein
kann in einer ſolchen Weiſe zwar auch nützlich ſeyn, allein den Zweck
der deutſchen Reform vermag er nie zu erreichen. Die Sehnſucht nach
einem beſſern politiſchen Zuſtande iſt nämlich bei uns faſt überall laut
geworden. Allein gerade über die Hauptſache, d. h. worin das Beſſere
beſtehe, darüber iſt noch Niemand einig, nicht einmal die Häupter der
Oppoſition. So lange ein ſolcher Zuſtand beſteht, iſt die Oppoſition
ſelbſt planlos, und muß nothwendig zur Verwirrung Anlaß geben. Aus
dieſen Gründen ſind alle gegenwärtigen Beſtrebungen und Aufopferun-
gen der Oppoſition wirkungslos, und werden es ſo lange ſeyn, bis de-
ren Häupter über die Art und Weiſe der nothwendigen Reform
Deutſchlands bis in die Details ſich verſtändiget haben, und nun nach
einem feſten Plane und unter ſicherer Leitung gemeinſam dahin wirken,
für dieſe Reform die öffentliche Meinung aller deutſchen Volksſtämme
zu gewinnen. So lange dieß nicht geſchieht, fehlt es der Oppoſition an
einem Anhaltspunkte; man ſtreitet ſich planlos herum, erbittert und
entzweiet, und reißt ein, ohne zu wiſſen, was an die Stelle des Alten
treten ſoll. Plan- und zwecklos, iſt eine ſolche Oppoſition unfähig, die
Ereigniſſe zu leiten, wird vielmehr völlig von den Umſtänden beherrſcht,
und kann leicht das Schickſal erfahren, gerade das befördert zu haben,
was ſie vermeiden und abſtellen will, nämlich die Zerſtückelung und da-
durch das Unglück Deutſchlands. Wenn dagegen die reinſten, fähigſten
und muthigſten Patrioten über die zweckmäßigſte Reform unſeres Landes
ſich verſtändiget und zugleich ſich verbunden haben, um durch eigene
Journale die öffentliche Meinung des Geſammtvolkes für dieſe Reform
zu gewinnen, wenn auch nur 20 an Geiſt, Feuereifer und Charakter
ausgezeichnete Männer einen ſolchen Bund geſchloſſen und nun dem gu-
ten Volke die unabweisliche Nothwendigkeit ſeiner politiſchen Veredlung,
ſowie das dringende Bedürfniß der durchgreifenden Reform des Vater-
landes täglich mit Flammenzügen in das Herz ſchreiben, wenn ſolche
Männer den Nationalſtolz, das Gefühl der Bürgerwürde und die Flam-
me der Freiheitsliebe durch die Gluth begeiſternder Rede in allen deut-
ſchen Gauen erwecken, wenn nur 20 ſolcher Männer, zu einem geregel-
ten Zuſammenwirken verbunden und von einem Manne ihres Ver-
trauens geleitet, der Nation das ſchöne Schauſpiel eines gottbegeiſter-
ten Kampfes für das Vaterland, für unſer angebetetes, dreimal herr-
liches Deutſchland täglich vor Augen ſtellen, wenn ſie in ihrer Sen-
dung nie müde werden, nie erzittern, nie erbleichen, wenn ſie
alle Verfolgungen von Seite der Vaterlandsverräther mit Freudigkeit
ertragen, wenn ſie der Gewalt kein haarbreit weichen und lieber 1000mal
ſich zermalmen laſſen, als von ihrem heiligen Kampfe abzuſtehen, wenn
endlich die guten Bürger in den lichtern Gegenden unſeres Landes das
Wirken ſolcher Männer durch Verbreitung deren Schriften öffentlich
oder im Stillen unterſtützen; ja fürwahr, dann wird, dann muß das
große Werk gelingen, die verrätheriſche Gewalt wird vor der Weihe
der Vaterlandsliebe und der Allmacht der öffentlichen Meinung in,
den Staub ſinken, Deutſchland wird die Freiheit und den Frieden ſehen,
es wird zur herrlichſten Macht und Größe emporblühen. Niemand
kann hieran zweifeln, der die Macht der Preſſe kennt, und der erwägt
welche ungeheure Wirkung dieſelbe ſchon binnen wenigen Monaten her
vorzubringen im Stande war.
Darum deutſche Patrioten wollen wir die Männer wählen, die
durch Geiſt, Feuereifer und Charakter berufen ſind, das große Werk
der deutſchen Reform zu beginnen und zu leiten; wir werden ſie leicht
finden und dann auch durch unſere Bitten bewegen, den heiligen Bund
ſofort zu ſchließen und ihre bedeutungsvolle Wirkſamkeit ſofort zu eröff-
nen. Dieſer ſchöne Bund möge dann das Schickſal unſeres Volkes lei-
ten; er möge unter dem Schirme der Geſetze den Kampf für unſere
höchſten Güter beginnen, er möge unſer Volk erwecken, um von innen
heraus, ohne äußere Einmiſchung, die Kraft zu Deutſchlands Wiederge-
burt zu erzeugen; er möge auch zu gleicher Zeit mit den reinen Patrioten
der Nachbarländer ſich verſtändigen, und wenn ihm Garantien für die
Integrität unſeres Gebietes gegeben ſind, dann möge er immerhin auch
die brüderliche Vereinigung ſuchen, mit den Patrioten aller Nationen,
die für Freiheit, Volkshoheit und Völkerglück das Leben einzuſetzen
entſchloſſen ſind. Hoch! dreimal hoch leben die vereinigten Freiſtaa-
ten Deutſchlands! Hoch! dreimal hoch das conföderirte republikaniſche
Europa!Wir laſſen jede Rede als Anſicht des Redners unverändert ſtehen;
die begeiſterte Vaterlandsliebe unſers feurigen Wirth hat jedoch, bei
allem ſonſtigen Anklang, nach zwei Seiten hin, verletzt, nemlich
unſere Nachbarn, die Franzoſen, und das Centralcomite des Preß-
vereins, worüber ſich der Redaktions-Ausſchuß eine Anmerkung er-
laubt.
Den vermeintlichen Angriff auf Frankreich bedauern wir um
ſo mehr, da das franzöſiſche Volk in neuerer Zeit das Verlangen der
Rheingrenze als ein verderbliches Vorurtheil einzuſehen beginnt, und
ſich täglich mehr überzeugt, daß alle aufgeklärten Völker nur einen
Zweck, ein Ziel im Auge haben, die Freiheit, im innigſten gemeinſa-
men Bündniß gegen die Könige, ihre Unterdrücker. Der Südweſten
Deutſchlands und der Nordoſten Frankreichs beſonders haben für jetzt
einerlei und ein ſehr dringendes Intereſſe, feſt und enge verbrüdert zu ſte-
hen im Kampfe gegen innere und äußere Ueberwältigung. Dieß erkennt
Wirth vollkommen, wie wir hingegen völlig in ſeine Entrüſtung ein-
ſtimmen, wenn wir ſehen, daß nicht ein einziges franzöſiſches Journal
die anmaßende, Freiheit und Nationalität mißachtende Forderung der
Rheingrenze zu bekämpfen wagt. Mögen die franzöſiſchen Patrioten, die
mit uns gleich denken, und deren Zahl nicht klein iſt, das Vorurtheil
Nach dem Schluſſe dieſer Rede wurde dem Redner von dem Privat-
gelehrten Funke aus Frankfurt, im Namen mehrerer Patrioten dort-
ſelbſt, ein deutſches Schwerdt, als Ehrengeſchenk feierlich überreicht.
Discours prononcé par Lucíen Rey de Strasbourg, an
cien rédacteur du Journal universel.Obenſtehende Rede wurde in franzöſiſcher Sprache gehalten; für
diejenigen, welche dieſer Sprache nicht kundig ſind, folgt hier die Ueber-
ſetzung:
Rede, gehalten von Luzian Rey aus Straßburg, vor-
maligem Redacteur des Journal univerſel.
Meine Herren!
Es iſt ohne Zweifel Kühnheit, ich möchte ſelbſt ſagen Verwegenheit
Messieurs!
Il y a sans doute de ma part de la hardîesse, je dirais même de
la témérité à venir prendre devant vous la parole après les éloquens
discours que vous venez d’entendre; mais lorsque l’Allemagne se réveille,
ihres Volkes austilgen, mögen ſie öffentlich den reinen Grundſatz der
Völker- und Länder-Unabhängigkeit ausſprechen, dann werden die Deut-
ſchen, dann wird auch unſer patriotiſcher Redner ſie innig als Brüder
umarmen, und mit ihnen den großen Bund ſchließen, den Bund der
Völkerfreiheit. Alſo umarmen wir ſchon jetzt die edlen franzöſiſchen
Bürger, welche das deutſche Nationalfeſt mit ihrer Gegenwart verherr-
lichten, und alſo begrüßen wir alle Franzoſen, in deren Namen ſie ge-
genwärtig waren, oder deren Geſinnungen ſie ausſprachen! Wir laſſen
auch hier ſofort die obwohl ſpäter gehaltene Rede folgen, welche von
einem der franzöſiſchem Volksfreunde mit eben ſo erleuchtetem Geiſt
als warmen Herzen geſprochen ward.
Was ſodann den Vaterlandsverein betrifft, ſo darf man nicht über-
ſeben, daß die erweiterte Wirkſamkeit, welche Wirth, gewiß mit der
Mehrheit der Vereinsglieder gewünſcht hatte, urſprünglich überſehen
ward, und ſpäter ſomit als Anmaßung hätte ausgelegt werden können,
die, ehe das gerichtliche Urtheil erfolgt war, doppelt vermieden werden
mußte. Auch darf man die unermeßlichen Schwierigkeiten nicht ver-
geſſen, mit denen das Vereincomite zu kämpfen hatte, zumal da ihm
kein ſicherer Weg der Mittheilung und Verſtändigung mit den Lokalaus-
ſchüſſen offen geblieben war. Erſt ſeit das erleuchtete Obergericht Rhein-
baierns den Verein als geſetzlich erklärt hat, bilden ſich Ortscomites,
und gewinnt das Ganze friſches Leben. Inzwiſchen ſtimmen wir der
Anſicht vollkommen bei, daß nicht blos der Preſſe, ſondern dem deut-
ſchen Vaterland und der Freiheit überhaupt große und nahe Gefahren
drohen. Die Könige und Ariſtokraten rüſten im Stillen, alle Zeichen
eines nahen Sturmes ſind ſichtbar. Auch wir rufen daher die deutſchen
Völker zur Wachſamkeit auf: mögen ſie bereit ſtehen zum Kampf auf
Leben und Tod, wenn die verbündeten Ariſtokraten und Könige ihn
wagen! Anmerk. des Redaktions-Ausſchuſſes.
4
lorsque vous saluez par des transports unanimes d’acclamation l’aurore
de sa liberté naissante; j’éprouve le besoin de vous dire quelques
mots au nom de la France. Ces besoin est d’autant plus vivement
senti que ma patrie a été méconnue sur cette tribune, et que je dois
à cette France à la quelle je me sens fier d’appartenir, de venir ex-
poser ici les sentimens qui l’animent. Et ne les a-t-elle pas exprimés
elle mêmé ces sentimens lorsqu’un si grand nombre de ses enfans se
trouvent ici rassemblés pour célébrer cette journée solennelle d’où
datera votre liberté et la sainte-alliance des peuples? N’a-t-elle pas
montré combien est grande pour vous sa sympathie lorsque plusieurs
de ses citoyens sont venus, malgré les entraves que leur a opposé
votre gouvernement, pour vous voir arborer le drapeau qui proclame
votre indépendance, le drapeau qui proclame votre éternelle liberté?
Et vous osez sur cette tribune, d’où ne devraient descendre que
des paroles de paix et d’alliance, vous osez, dis-je, lui reprocher que
ces manifestations généreuses ont des motifs cachés d’ambition et
d’intéret, que ces manifestations ne sont qu’un honteux calcul, et que
nous sommes venus parmi vous avec des projets de conquêtes, avec
la pensée de profiter du premier moment favorable pour vous imposer
par les armes un pouvoir que vous ne voulez pas reconnaître, un
pouvoir que vous ne voulez pas accepter. Non, Messieurs, telle n’est
von mir, nach den ausgezeichneten Reden, die Sie angehört, vor Ihnen
das Wort zu nehmen; allein während Deutſchland wieder erwacht, wäh-
rend Sie mit begeiſtertem einſtimmigem Freudenruf die Morgenröthe
der aufkeimenden Freiheit begrüßen, fühle ich das Bedürfniß, einige
Worte im Namen Frankreichs zu Ihnen zu ſprechen. Dies Bedürfniß
fühle ich um ſo lebhafter, da mein Vaterland auf dieſer Tribüne ver-
kannt wurde, und ich es Frankreich, welchem anzugehören mein Stolz iſt,
ſchuldig bin, die Gefühle, die daſſelbe beleben, hier auszuſprechen. Und
hat es nicht ſelbſt dieſe Gefühle ausgeſprochen, durch die große Zahl
ſeiner Kinder, die ſich hier zur Feier des feſtlichen Tages verſammelt
finden, der die Wiege Eurer Freiheit und der heiligen Verbrüderung der
Völker ſeyn wird? Hat es nicht gezeigt, wie groß ſeine Sympathie für
Euch iſt, da trotz der Hinderniſſe, die Eure Regierung ihnen entgegen-
ſetzte, mehrere ſeiner Bürger gekommen ſind, Euch die Fahne aufpflan-
zen zu ſehen, welche Eure Unabhängigkeit, die Fahne, welche Eure
wiege Freiheit proklamirt.
Und Ihr wagt es, auf dieſer Tribüne, von der herab man nur
Worte des Friedens und der Einigung vernehmen ſollte, Ihr wagt es,
ſage ich, Frankreich den Vorwurf zu machen, daß dieſes edle Entgegen-
pas la pensée de la France, de la France de juillet et par cette dé-
nomination je désigne tout ce qui parmi nous porte un cocur de ci-
toyen, tout ce qui palpite au nom de patrie, tout ce qui courrait aux
armes ponr défendre la terre sacrée qui lui a donné le jour. Ces hommes
sont nombreux en France; il n’est point encore arrivé au honteux
pouvoir sous lequel ma patrie gemit en ce moment, mais dont elle
parviendra sous peu à s’affranchir, d’étouffer en nous ces sentimens
généreux qui furent ceux de nos pères, qui en 1791 les ont rendus
vainqueurs de dix-sept armées, et au nom desquels ils ont campé tour
à tour sur les rives de l’Arno, du Rhin et du Nil.
Hélas! Messieurs, ce n’est malheureusement qu’avec douleur que
nous reportons nos regards vers ces glorieuses journées qui devaient
à jamais établir en Europc le règne des lois et de la liberté et que
nos pères saluèrent comme les premièrs jours de l’ère des nations et
comme les dernièrs de celle des rois. Mais si tant de bonheur ne devait
pas nous être reservé, si les nations ont été de nouveau placées sous
le joug, si la révolution de 1789 a été exploitée par un despote am-
bitieux, si les patriotes se sont laissés éblouir par la gloire, ils mé-
ritent néanmoins encore l’admiration et la sympathie des patriotes de
l’Allemagne et de tous les hommes pour qui les noms de liberté et
kommen geheime Motive des Ehrgeizes und des Intereſſe’s verhülle,
daß es nichts ſey als eine ſchimpfliche Berechnung, und daß wir zu
Euch gekommen ſeyen mit Plänen der Eroberung, mit dem Gedan-
ken, den erſten günſtigen Moment zu benützen, um Euch durch
die Waffen eine Gewalt aufzudringen, die Ihr nicht anerkennen, eine
Gewalt, die Ihr nicht aufnehmen wollt. Nein, meine Herren, dies iſt
nicht die Geſinnung Frankreichs, des Juli-Frankreichs, nnd mit dieſer
Benennung bezeichne ich Alles, was bei uns im Herzen die Geſinnung
des Bürgers regt, Alles, was entzückt iſt bei dem Namen Vaterland,
Alle, die zu den Waffen eilen würden, um den heiligen Boden zu ver-
theidigen, den ihnen der Tag gegeben. Dieſe Männer ſind zahlreich in
Frankreich; es iſt der ſchimpflichen Gewalt, unter der mein Vaterland
in dieſem Augenblicke ſeufzet, und von der es ſich in kurzer Zeit befreien
wird, es iſt ihr noch nicht gelungen, dieſe edle Gefühle zu erſticken, die
Gefühle unſerer Väter, die 1791 dieſelben zu Sieger über ſiebenzehn
Armeen gemacht, und in deren Namen ſie ein um’s andre mal an den
Ufern des Arno, des Rheins und des Nil gelagert waren.
Ah, meine Herren! leider nur mit Schmerz wenden wir unſere
Blicke zurück auf jene glorreichen Tage, welche die Herrſchaft des Ge-
ſetzes und der Freiheit auf immer in Europa begründen ſollten, und die
unſere Väter als den Anfang der Völker-Aera und als das Ende der
de patrie ne sont pss de vains mots, des hommes enfin qui sont ie
rassemblés.
Devant ce monument de la féodalité, devant ce spectre d’une épo
que qui n’est plus, mais dont celle où nous vivons porte malheu-
reusement encore trop de traces, évoquons devant nous les ombres de
tous les hommes dont le sang a coulé pour l’afiranchissement des na-
tions! jurons de les imiter, jurons de vivre librès ou de mourir!
Mais avant ce serment solennel, unissons nos drapeaux et devant
nous viendront se briser les machinations des despotes, devant nous
deviendront impuissantes les fureurs de nos oppresseurs!
Mais la révolution de 1789 rappèle une époque plus nouvelle, une
époque riche en glorieux souvenirs et féconde en leçons. Ce sont ces
trois journées de 1830 où la France se leva de nouveau comme un
seul homme pour secouer le joug de trente années d’oppression, pour
faire revivre le soleil de la liberté, qui dans ce jour solennel éclaire pour
la première fois depuis des siècles l’étendard qui flotte sur ces ruines.
Nous saluâmes aussi avec transport en ces journées nos couleurs, elle
rappelaient tant de gloire, tant de malheurs, tant de courage ......
Elles brillent encore dans ma patrie, mais elles ont presque pâlies du
rôle que leur a fait jouer un gouvernement que les nations ont flétri
du stigmâte de l’infâmie. Jours glorieux ne reviendrez vous jamais? et
Königsherrſchaft begrüßten. Aber wenn uns auch ein ſolches Glück nicht
beſchieden war, wenn auch die Nation von Neuem unter das Joch ge-
beugt worden, wenn auch die Revolution von 1789 die Beute eines ehr-
geizigen Despoten wurde, wenn die Patrioten ſich blenden ließen durch
den Ruhm, ſo verdienen doch letztere die Bewunderung und Sympathie
der Patrioten Deutſchlands und aller Derer, denen der Name Freiheit
und Vaterland nicht leere Worte ſind, endlich aller Derer, die hier ver-
ſammelt ſind.
Vor dieſem Monumente der Feudalherrſchaft, vor dieſem Geſpenſte
einer verſchollenen Zeit, aus der aber die unſrige leider noch zu viele
Spuren trägt, laßt uns zu uns aufrufen die Schatten aller Männer, de-
ren Blut für die Befreiung der Nationen gefloſſen iſt! Schwören wir, ſie
nachzuahmen, ſchwören wir, frei zu leben oder zu ſterben! Aber vor
dieſem feierlichen Schwure laßt uns unſere Fahnen vereinigen, und die
Umtriebe der Despoten werden an uns ſcheitern, die Wuth unſerer Un-
terdrücker wird nichts gegen uns vermögen!
Die Revolution von 1789 ruft eine neuere Epoche zurück, eine
Epoche, reich an ruhmvollen Erinnerungen, fruchtbar an Lehren. Es ſind
die drei Tage von 1830, wo Frankreich von Neuem ſich erhob wie ein
einziger Mann, das Joch dreißigjähriger Unterdrückung abzuſchütteln und
die Sonne der Freiheit von Neuem in’s Leben zu rufen, die an dieſem
feſtlichen Tage zum erſtenmale wieder ſeit Jahrhunderten die Fahne
nos illusions n’ont elles été que des rêves? ....... Varsovie,
noble sœur restera tu toujours un tombeau et le cosaque veillera t il
éternellement sur des murs arrosés du sang de tant de braves? Les
bourreaux de l’Italie et de l’Espagne pourront ils encore longtemps
briser les cœurs des patriotes et les peuples n’auront-ils jamais le
courage de mettre un terme à leur fureur, à leurs crimes? Telles
sont Messieurs les questions que s’adresse journellement la France
de Juillet, devant elles tombent d’eux mêmes tous les projets de calcul
ou de conquête que prête à ma patrie l’illustre orateur qui ce matin
se trouvait à cette tribune et dont les nobles efforts pour la conquête
de la liberté ont trouvé tant de sympathie en France. Non Mes-
sieurs, la France ne vous demande pas la Bavière rhénane, elle n’a
pas le projet de vous la ravir, elle demande l’alliance de l’Allemagne
mais une alliance franche et sincère avec laquelle doivent tomber à
jamais toutes les barrières que les rois ont jetées entre nous pour notre
malheur et le votre. Sans cette alliance la liberté est impassible en
Europe.
Liberté! Union! Persevérance! — que ce soint donc là nos mots
d’ordre et notre devise! et avec l’aîde de Dieu les nations revivront
beleuchtet, die auch auf dieſen Ruinen wehet. Auch wir begrüßten in
jenen Tagen mit Begeiſterung unſere Farben, ſie erinnerten an ſo vielen
Ruhm, an ſo viel Unglück, ſo vielen Muth ..... ſie wehen noch in
meinem Vaterlande, aber ſie ſind faſt erbleicht von dem unwürdigen
Spiele, das eine Regierung mit ihnen trieb, welche von den Nationen mit
dem Brandmal der Infamie bezeichnet iſt!
Glorreiche Tage, werdet ihr nimmer wiederkehren; unſere Erwar-
tungen, waren es nichts als Träume? ..... Warſchau, edle Schwe-
ſter, wirſt du auf immer ein Grab ſeyn, wird der Koſake ewig auf dei-
nen Mauern wachen, vom Blute ſo vieler Braven bethauet? Die Henker
Italiens und Spaniens, werden ſie noch lange die Herzen der Patrioten
zermalmen, und die Völker werden ſie nie den Muth haben, der Wuth
und dem Verbrechen ihrer Unterdrücker ein Ziel zu ſetzen? Dies, meine
Herren, ſind die Fragen, die das Juli-Frankreich täglich an ſich ſtellt,
vor dieſer Frage fallen von ſelbſt alle Pläne der Berechnung oder der
Eroberung, die der berühmte Redner meinem Vaterlande leihet, der die-
ſen Morgen auf dieſer Tribüne ſprach, und deſſen edle Bemühungen für den
Sieg der Freiheit in Frankreich ſo viel Anerkennung fanden. Nein,
meine Herren, Frankreich will nicht Rheinbaiern, es hat nicht die Ab-
ſicht, euch daſſelbe wegzunehmen; es will eine Verbindung mit Deutſch-
land, eine offene redliche Verbindung, mit welcher auf immer fallen,
müſſen alle Schranken, welche die Könige zwiſchen uns aufgerichtet ha-
ben, zu unſerm Unglück und dem eurigen. Ohne dieſe Vereinigung iſt
die Freiheit in Europa unmöglich.
Freiheit, Einigkeit, Beharrlichkeit! dies ſeyen die Loſengswortee
de nouveau libres, grandes et indépendantes! Vive la sainte Alliance
des peuples! —
Während der Mittagstafel, woran wegen Mangel an Raum nur unge-
fähr 1400 Perſonen Theil nehmen konnten, brachte Dr. Hepp dem Land-
rathe Rheinbaierns, welcher der rohen Gewalt der Regierung männlich
ſich entgegengeſtellt und freimüthig für die Sache des Volkes ſich erklärt
hatte, folgenden Toaſt aus:
Freunde des Vaterlandes!
Auf welche abentheuerliche Weiſe der Aufruf zu dieſem ſchönen Feſte
von dem Präſidium unſerer Landesregierung mißdeutet, und wie dieſes
Feſt zum Hohne unſerer Rechte und Geſetze unterſagt wurde, weiß Jeder
der hier Anweſenden, weiß ganz Deutſchland. Die allgemeine Indigna-
tion, die ſich überall ſogleich ausſprach — das Zuſammenſtrömen der un-
zählbaren Theilnehmer an dem Feſte, die Gegenwart ſo vieler hochver-
dienter und verehrter Volksfreunde aus allen Gauen des dentſchendeutſchen Va-
dterlandes, iſt die ſchönſte und kräftigſte Rechtfertigung der Männer,
welche die Aufforderung zur Feier dieſes Tages erließen, und jinin deren
Namen ich zu Euch ſpreche.
Im Angeſicht des deutſchen Volkes haben wir den Schimpf abge-
wieſen, den jener ſo ſchnell zur Celebrität gelangte Beamte ſowohl auf
uns, als auf die Bewohner Rheinbaierns wälzen wollte, als er in ſeiner
Bekanntmachung ſich nicht ſcheute, uns als eine im Finſtern
ſchleichende Partei Uebelgeſinnter, nach Auflößung der
beſtehenden Ordnung Strebender zu verdächtigen.
Ein großer Triumph der Volksſache war es aber, daß zu gleicher
Zeit eine Verſammlung erleuchteter Männer, vom Volke gewählt, um
das Organ des Kreiſes zu ſeyn, es für ihre Pflicht erkannte, gegen die
ſchreiende Verletzung unſerer JuſtitutionenInſtitutionen aufzutreten, und dem Staats-
Oberhaupt die verkehrten Maßregeln der Kreisregierung, und die na-
mentlich durch die ungerechte Beſchränkung der freien Preſſe, die Verfol-
gungen der Journaliſten und der Mitglieder des Preßvereins und durch
das geſetzwidrige Verbot dieſes Feſtes, hervorgerufene Aufreizung
der Bewohner des Rheinkreiſes zu ſchildern und die ſchleunige Abſtel-
lung eines alles Vertrauen der Regierung bei dem Volke zerſtörenden
Syſtems zu verlangen.
dies der Wahlſpruch, und mit der Hülfe Gottes werden die Völker von
Neuem erſtehen frei, groß und unabhängig! Es lebe der heilige Bund
der Völker!
Und dieſe braven, für Ehre und Recht glühenden Männer ſehen
wir heute unter uns; ſie ſind eine der gröſten Zierden unſeres Feſtes; —
es iſt der Landrath des Rheinkreiſes auf den ſich unſer Auge
mit dankbarer Anerkennung und Verehrung richtet,
O hätten doch immer Alle, die das Volk zum Schutz und zur Wah-
rung ſeiner Rechte mit ſeinem Vertrauen ehrte, mit gleicher Einig
keit, Kraft und Würde, des Volkes Ehre, Recht und Wohl ge
ſchützt — herrliche Früchte wären heute ſchon dem deutſchen Vaterlande
erwachſen.
Darum Freunde der deutſchen Völker, dieſen Ehrenmännern, dem
Landrathe des Rheinkreiſes ein dreimaliges Lebehoch! —
Nach der Ausbringung des Toaſtes wurden in angemeſſenen Pauſen
folgende Lieder abgeſungen:
1.
Melodie: Vom hoh’n Olymp herab ꝛc.
Wo Männerſinn, ſo froh wie heute
Bei ſchöner Tafelrunde wohnt,
Wo Sinn für’s Gute, im Geleite
Von feſtem Muth im Herzen thront,
Himmliſch und hehr regt im Buſen ſich Luſt :,:
Freude hebet die männliche Bruſt :,:
Des Bergeszinne wird zum Götterſaale,
Und jedes Mannes Sitz ein Thron,
Es ſpiegelt ſich im Feſtpocale
Der Mann, als Mann, als Götterſohn.
Spiegelt Euch, Männer, in hellem Pocal, :,:
Freut Euch wie Götter beim fröhlichen Mahl. :,:
Uns iſt der Freude reine Quelle,
Die Freiheit, Ehre, Vaterland,
Begeiſtert ſtrahlt das Auge helle;
Dem Freunde drückt der Freund die Hand.
Blitzet, ihr Augen, begeiſterungshell, :,:
Fließe, du reiner, du göttlicher Quell! :,:
Hier engen nicht der Männer Herzen
Des Lebens kleine Sorgen ein.
Gerechte Trauer, herbe Schmerzen,
Verſcheuchet jetzt der goldne Wein.
Glänze, du herrlicher, heimiſcher Wein, :,:
Würdig, nur Freien ein Nektar zu ſeyn. ;,:
Den Männern, die des Volkes Rechte
Vertheidigen mit Gut und Blut,
Und kämpfen wider feile Knechte
Durch Wort und That mit feſtem Muth!
Freiheit iſt mehr, als das Gut und das Blut, :,
Bürgerſinn ehret, iſt köſtliches Gut. :,:
Pflückt Blätter ab der dentſchendeutſchen Eiche,
Die nie des Sturmes Macht noch bog,
Brecht im geweihten Haine Zweige,
Bekränzt ſie, donnert: Lebet hoch!
Du ſprichſt als Sinnbild, hochragende Eich’, :,:
„Keiner, ihr Söhne, den Nacken je beug’. :,:
Ein Lebehoch den edeln Polen!
Es ſchlägt für ſie das deutſche Herz.
Laßt auch für ſie uns Kränze holen,
Verſtumme jetzt, du Heimwehſchmerz!
Hoffet, daß Nacht ſich in Helle verklärt, :,:
Daß Euer Heimweh nicht lange mehr währt. :,;
Es gilt den edeln deutſchen Frauen,
In deren Bruſt die Liebe glüht
Zur Heimath, die in ihren Gauen
So hehre, treue Töchter zieht.
Strahlet, ihr Frauen, in roſigem Glanz, :,:
Windet der Freiheit und Ehre den Kranz. :,:
Heil! dreifach Heil dem Vaterlande!
Hier unter Gottes Himmelszelt;
Das Männerwort zum Unterpfande! —
Der Bruderkuß als Zeichen gelt’,
Daß wir, als tapfere Männer vereint, :,:
Muthig bekämpfen Germaniens Feind. :,:
… s.
2.
Melodie: Es blinken drei freundliche Sterne ꝛc.
Es leuchten drei ſtrahlende Sterne
Weit aus dem Hambacher Schloß,
Sie leuchten hin über ganz Deutſchland
Erweckend, ermärmenderwärmend und groß.
Sie leuchten hinwieder in Deutſchland
Aus jeglichen Biedermanns Blick,
Und leuchten und ſtrahlen vom Feſte
Kraft kündend, Kraft zündend zurück.
Die Sterne ſind: Vaterland, Freiheit,
Echt deutſche, hochherrliche Ehr’:
Die tragen noch Männer im Herzen!
Sonſt — leuchten die Sterne nicht mehr. —
Bei Leipzig da liegen begraben
Die Rächer der Vaterlands-Schmach —
Ihr Kinder! jubeltet: Freiheit,
Ihr Väter! den Frieden nach.
Bei Leipzig da lagen im Staube
Sieg dankend die Fürſten vor Gott!
Gelobten den Völkern die Freiheit:
Ihr Schwur war Hohn nur und Spott.
Wem habt Ihr die Schlachten geſchlagen?
Wem alles geopfert im Krieg?
Wem habt Ihr die Throne gebauet?
Wem, ſagt es! errungen den Sieg?! —
Und Ihr, die Ihr lieget begraben,
Wem habt Ihr das Herz-Blut verſprützt?
Dem armen geretteten Deutſchland? — —
Ihm hat es noch heut nichts genützt! —
Die Fürſten, die haben’s zerſtückelt;
Umzingelt mit Mauth und mit Zoll:
Die Länder, die Völker verarmen;
Die Kammern der Großen — ſind voll.
Sind das noch die einzigen Bande,
In welchen wir kommen und geh’n?
Iſt das der Vereinigung Segen,
In der mit den Fürſten wir ſteh’n?!
Sie haben deutſchthümliche Ehre
Gebrandmarkt durch Trug und Verrath;
Das zeugen die ſiebenzeh’n Jahre —
An Polen — die neuſte Fluch-That.
Ach, Polen! wo biſt du?! — Gott! Polen!
Hört Völker! Ihr Völker, o hört!
Wie Euch der Geiſt der Erſchlag’nen,
Der lebenden Helden beſchwört!
Sie haben die Freiheit verſprochen
Der Schrift und des Wortes, bei Gott —
Und ſchlagen ſie Beide in Feſſeln,
Und ſinnen auf gänzlichen Tod.
Bei LeizigLeipzig da liegen begraben
Die Rächer der Vaterlands-Schmach:
Auf ſind die Todten geſtanden,
Und führen hochzürnende Klag;
Und klagen die Fürſten — die Völker —
Die Fürſten: verräthriſcher Schuld —
Die harrenden Völker: der Langmuth,
Der ſträflichen Sclaven-Geduld. —
Wir hörten, und hören, ihr Geiſter,
Die große, die zürnende Klag’;
Sie hallt in den Gauen von Deutſchland
Wie donnernder Siegeston nach.
Wir wollen! — wir werden! — wir ſchwörens!
Euch ſchwören wir’s und unſerm Gott:
Das Vaterland, Ehre und Freiheit
Vertheidigen bis in den Tod!!!
3.
Wenn dicht die Blüthenknospen,
Und ſüßer Duft die Lüfte füllt;
Wenn lichter ſich die Wolken hellen,
Umleuchtend ſchön der Landſchaft Bild,
Und Luſt und Glück der Bruſt entquellen: —
Dann naht des Frühlings Mai!
Wenn ſüßes, mächtiges Erbeben
Die junge, volle Bruſt durchdringt,
Und ſie in nie gefühltem Streben
An den gefund’nen Buſen ſinkt,
Um nur in Glück und Liebe hinzuleben: —
Da naht des Lebens Mai!
Wenn Völker ſich mit Macht erheben,
Die ſchwer gedrückt der Herrſcher Hand,
Und ſelber ſich Geſetze geben;
Wenn vor dem Volk, das ſich erkannt,
Die Allgewaltigen erbeben: —
Dann naht der Freiheit Mai!
Und wo die Beſſeren verbunden
Sich zu des Volkes wahrem Hort,
Wo Ordnung und Geſetz bekunden,
Daß ſie erkannt der Freiheit Wort;
Da wird das kranke Volk geſunden,
Dann naht ſein ſchönſter Mai!
Drum! laßt uns All’ zuſammenhalten,
In einen feſten Bund verwebt,
Laßt Ordnung und Geſetze walten, —
Und wo ſich ſo ein Volk erhebt,
Da ſplittern alle Machtgewalten: —
Das iſt der Deutſchen Mai!Von Herrn Schlink in Bensheim.
Nach dieſen Geſängen ſprach, als Deputirter des Fürſtenthums Lich-
tenberg, Advokat Hallauer aus St. Wendel, das in der neueſten Zeit,
wegen des patriotiſchen Geiſtes ſeiner Bewohner, die Achtung Deutſch-
lands in hohem Grade ſich erworben hat. Große Aufmerkſamkeit widmete
man deßhalb der nachſtehenden Rede dieſes ausgezeichneten Patrioten:
Deutſchland, das Vaterland der meiſten hier anweſenden biedern
Männer, auch mein Vaterland, das Vaterland derer, die mich zu die-
ſem großen Tage ſandten, deſſen Erwachen aus dem erkünſtelten und
erzwungenen Schlummer, deſſen Begeiſterung für Recht, Freiheit, Na-
tionalität, iſt ein Gegenſtand, der die neueſte Zeit, mächtig ergreift.
Nicht allein die Bewohner der Stadt begeiſtert das herrliche Ziel nicht
allein ſie verwünſchen in gerechter Entrüſtung das knechtiſche Vegetiren, ver-
abſcheuen die entwürdigende Gebote heilloſer Tyrannen und leidenſchaftli-
cher ſelbſtſüchtiger Willkühr. Nein! auch in die dunkele Hütte des Land-
manns iſt der lichte Ruf der Freiheit gedrungen, jener Freiheit, die dem
Menſchen ſeine angeborene Würde, ſeinen Wohlſtand, ſein Menſchen-
glück ſichert. Zu allen Zeiten gab es zwar in dieſem Lande Männer,
welche für Freiheit, für Menſchenwürde lebten und wirkten, zu allen
Zeiten gab es Brave, welche die göttliche ganz erkannten und leider oft
als Opfer ihretwegen fallen mußten; doch niemals noch iſt der Gott die-
ſer Wahrheit in ſeiner ganzen von gerechtem Zorne glühenden Allmacht
auf dieſer Erde, die Völker mahnend, ſo ſichtbar einhergegangen, als
in unſern Tagen.
Die beglückten Nationen ſeiner neugeſchaffenen Welt mit freudigem
Auge betrachtend, iſt er über das weite Meer zu ſeinen verwaisten Kin-
dern Europa’s zurück geeilt, und ſchaut mit Schmerz erfülltem Blicke ſeinen
Liebling, ſein Ebenbild, den Menſchen, wie er durch Furcht, Eigennutz,
Gleichgültigkeit, Lauheit, ſich ſelbſt ſein Elend bereitet hat, ſieht mit
Zorn erglühtem Antlitze, wie Unentſchloſſenheit, Zwieſpalt ſein Volk,
ſein geliebtes Geſchöpf, dem Unglück zuführen. Von den Ufern der
Seine eilt er über Italiens blumenreiche Gärten, drohend jenen lügneri-
ſchen Heuchlern, die, ſeine geweihten Diener ſich nennend, die Allmacht
ſeiner Liebe mißbrauchen. In Deutſchlands ſtarken Eichen, im ſchauer-
lichen Rauſchen, die göttliche Nähe verkündend, mahnt er mächtig zur
Thatkraft, er deutet auf Warſchau’s rauchende Thürme, auf die Wunden
des unglücklichen Polens, deutet auf das ruſſiſche Unthier, das den blu-
tigen Blick auf Deutſchland richtet. „Du, Volk Germaniens, ruft er, du
warſt es, das kalt und hülflos dieſe Frevel an der Unſchuld duldete.
Biſt du es nicht mehr, deutſches Land, das einſt der Römer ſchmach-
voll Joch in blut’gem Kampfe kühn zerbrach? Biſt du es nicht mehr deut-
ſches Volk, das für der Freiheit Siegeskrone glorreich focht? Du biſt
es noch, doch wehe deinem allzuſträflichen Schlummer! Mahnend
ſpricht zu dir mein Mund: Du ſollſt die Frevel an dem verworfenen
Schänder meiner Schöpfung endlich rächen oder untergehen.“ — Schon
ſind dem Vaterlande furchtbare Wetter an dem Horizonte aufgeſtiegen;
ſchon ſind jene Vorboten der göttlichen Drohung ſichtbar. Schauen wir
um uns her, von allen Seiten droht dem zerriſſenen Vaterlande Ge-
fahr; von Preußen, dem die Vergrößerung als Staat ein Bedürfniß
geworden, von Oeſterreich, das ſich im ungeſtörten Beſitze ſeiner despo-
tiſchen Herrſchaft für die Dauer ſichern möchte. Hinter beiden der
würgende Czar, der, noch bluttriefend vom Morde des heldenmüthigen
Polens, aller Freiheit und Civiliſation den Herzſtoß verſetzen will; von
dieſem dreifachen Feinde ſehen wir das Vaterland bedroht. Selbſt
Frankreichs hochherzige Nation möchte nach erfochtenem Siege der Frei-
heit im deutſchen Rheine das Blut der Barbaren von ſeinen Waffen
abſpülen und an dem blühenden Geſtade ſein Panier aufpflanzen. Für-
wahr, die Gefahr iſt groß, unter der das zerriſſene Vaterland ſeufzet,
die Gefahr nahe, die ſeinen theilweiſen oder ganzen Untergang herbei-
führen könnte. Kräftig erſtehen muß es darum zu glorreicher That,
will es nicht ſchmachvoll untergehen. Es iſt Zeit, daß die zerſtreuten
Kinder des getrennten Vaterlandes ſich vereinigen, ſich enger an einan-
derſchließen, ſich verbrüdern zu einem ſtarken Ganzen, deſſen ſchöne,
muthige Haltung Schrecken dem nordiſchen Tiger, Furcht den innern
Feinden und Achtung ſeiner Nationalität den civiliſirten Nationen ein-
flößen ſoll. Es iſt Zeit, daß alle Furcht, Lauheit, Gleichgültigkeit,
Unentſchloſſenheit, Eigennutz und Zwieſpalt reinem Patriotismus und
warmem Erglühen für Freiheit und ſelbſtſtändige Nationalität weichen.
Es iſt Zeit, hohe Zeit, daß jeder Einzelne nicht mehr für ſich, für
ſeine Familie, für ſeine Stadt, ſeine Gemeinde, ſein Fürſtenthum, ſein
Herzogthum, ſein Königreich lebe und wirke, ſondern ſich mit all’ dem
Seinen dem leidenden Vaterlande widme, für Freiheit und Einheit
ſchaffe und ringe, dieſe hohen Güter mit ſeinem Herzblute, mit dem
Blute ſeiner Kinder, ſollt’ es noth thun, erkaufe.
Damals, als die Donner der Juli-Kanonen Deutſchland aus ſeinem
Schlummer erweckten, damals, als die heiligen Schaaren der verbann-
ten Polen durch Deutſchland zogen und die fremde Erde ſich beeiferte, den
blutigen Staub von den Edlen zu küſſen, deren Unglück unſer Vater-
land als mitſchuldig ſchwer anklagte, damals ſchon hat die Gottheit
laut zur That und Einheit uns gemahnt, doch wir blieben träge, konn-
ten nicht zur Thatkraft, nicht zur Einheit uns entſchließen.
Uns genügte, den gepreßten Buſen durch Verwünſchungen, durch
Worte des Abſcheues gegen den Henker ſo vieler edlen Männer, Frauen
und Kinder erleichtert zu haben, ohne die Mittel zu ſuchen, dieſer
Mordluſt des Tyrannen ein Ziel zu ſetzen, ohne die erforderlichen Kräfte
zu ſammeln, gleiches Unglück von dem Vaterlande abzuwehren.
Es genügte uns, unthätig, mit trügeriſchen Hoffnungen uns zu wie-
gen, während der günſtige Augenblick zur That vorüberging, nicht
ahnend, die Gefahr, das Unglück, das Elend, das über uns her im
Anzuge iſt. Während Tyrannei und Despotismus mit ihrer treuen
Verwandtin, der Ariſtokratie, alle Triebfedern raſtlos und unverdroſſen
in Bewegung ſetzen, bleiben wir gemüthlich am heimathlichen Heerde,
und berechnen die Hilfe, welche beim Einbruch des Unglücks von einer
fremden Macht uns werden könnte.
Du weinſt Vaterland! weinſt blutige Thränen über die traurige
Wahrheit, aber deine Thränen trocknen wieder, ohne zu muthiger Ent-
ſchloſſenheit, Einheit und kühner Manneskraft dich zu ermuthigen, gilt
es dem Kampf gegen Tyrannei und Despotismus, gilt es dem herr-
lichen Sieg der Freiheit und der Menſchenwürde.
So weit iſt es gekommen, daß die meiſten deiner Kinder es nicht
einmal wagen, ihre Noth zu klagen, ihr Unglück zu ſchildern, die Mit-
tel und Wege vorzuſchlagen, wie vielleicht noch zu helfen wäre. So
weit iſt es gekommen, daß ſich deine Söhne durch ein elendes Wört-
chen (ein Geſpenſt für Kinder) von dem Wege für Tugend, Freiheit
und Recht feig zurückſchrecken laſſen, ohne zu bedenken, daß der Popanz
„von Gottes Gnaden“ kühn erfaßt und an das Licht gehalten in ſein
Nichts verſinken muß.
Es kann, es darf dies nicht ſo bleiben; es kann, es darf des
Menſchen angeborne Würde, ſein höchſtes Gut, nicht ferner ein Spott
der Großen ſeyn; es ſoll nicht ferner der friedliche Bürger ſeine ge-
rechte Klage an dem Throne tauber Fürſten erfolglos wimmern. Statt
um das zerriſſene Vaterland zu würfeln, ſollen und müſſen die Despo-
ten, die es zu entweihen ſich erkühnen, die ganze Macht ſeiner Größe
erkennen, und vor ſeiner ſtrafenden Rechte erzittern; ein zweiter
Varus ſoll der fremde Despote durch den tapfern Arm eines Herr-
mann dahin geſtreckt werden!
Damit aber jene ſchönere Tage der Manneskraft im Innern und
nach Außen, die Tage der Freiheit, des Rechts, des Wohlſtands, in
unſerm Vaterland heimiſch werden, müſſen wir uns feſt verbinden;
jeder Einzelne muß für ſich und Alle gegen Despotismus und Willkühr
kühn in die Schranken treten, muß Blut und Habe in den Kampf für
Menſchenwürde gegen die Finſterniß freudig tragen, und lieber ehren-
voll auf dem Kampfplatze untergehen, als feig in ſchmählicher Knecht-
ſchaft leben wollen!
Eine große, vielleicht die letzte Warnung, läßt Gott an uns erge-
hen, um uns aus dem allzu langen Schlummer zur Entſchloſſenheit,
zu treuem Zuſammenhalten, zur Einheit, zu erwecken. Eine ernſte
Mahnung zur Thatkraft ergeht an dich, Vaterland! und du ſtehſt wehr-
los da, ohne Führer, ohne Waffen, eine Beute jedem Fremden, dem
es nach deinem Beſitze gelüſtet. Du ſelbſt biſt getheilt, gewaltſam aus-
einander geriſſen, und verſtümmelt, und Ariſtokratie und Despotismus
ſuchen in den verſtümmelten Theilchen die Freunde der Freiheit dem Pa-
nier der guten Sache, der Liebe zum Vaterlande zu entziehen. Wahr-
lich baldige Hülfe, baldige Rettung aus dieſem nichtigen Zuſtande thut
Noth; Zeit, hohe Zeit iſt es, daß wir kühn uns zuſammenſtellen, zum
Schutze der gemeinſchaftlichen Mutter.
Wie aber, fragen wir, wie ſoll das hohe Ziel mit Glück erſtrebt
werden, wie ſollen wir es anfangen, bei dem ſo unnatürlich getheilten
Vaterlande, bei ſo widerſprechenden Verhältniſſen und Umſtänden, Ein-
heit und Nationalität dauernd zu begründen? — Wie anders als auf
dem Wege geſetzlicher Reform?
Statt dafür Sorge zu tragen, daß in allen Gauen Deutſchlands
konſtitutionelle Verfaſſung herrſche, ſuchen die Fürſten, ſucht der Bund
zu Frankfurt das Heil des Vaterlandes auf abſolute Gewalt zu bauen.
Soll das wirklich Gute, was ſo viele Millionen für gut erkannt haben,
eine Wahrheit werden, ſo müßen die Hinderniſſe, die dieſer Wahr-
heit entgegenſtehen, vor allem beſeitigt ſeyn.
Weg daher mit dieſen Hinderniſſen! Weg mit dem willigen Werk-
zeuge des Despotismus! Weg mit der ſchmauſenden Repräſentation fürſt-
licher Gevatter- und Schwägerſchaften! Weg damit auf dem Wege der
Reform, der geſetzlichen durch die öffentliche Meinung des Volkes her-
beigeführten, Reform. An die Stelle trete eine Verſammlung nicht aus
fürſtlichen knechtiſchen Schranzen, ſondern aus freien Männern des Vol-
kes gewählt, die auch im Stande, ein freies Volk zu vertreten. —
Sollte dieſe Idee der Reform bei den deutſchen Männern An-
klang gefunden haben, ſo fordere ich die Anweſenden auf, eine Kor-
poration zu ernennen, welche über die Art der Ausführung auf geſetzlichem
Wege berathe; ich fordere ſie auf im Namen des bedrängten Vater-
landes, Blut und Habe an die Einheit und Freiheit Deutſchlands zu
ſetzen. Ich fordere ſie auf im Namen Gottes muthig zu ringen, damit
dereinſt der freudige Ruf erſchalle: es lebe die freie deutſche Nation,
der Schrecken des nordiſchen Siegers, die Furcht jedes fremden Des-
poten, geachtet aber von allen civiliſirten Nationen. —
Nach der Beendigung vorſtehender Rede wurde noch folgende, von
Marburg eingelaufene Adreſſe vorgetragen:
»Verehrte Freunde und Brüder!
Mit einer eben ſo gerechten, als lebhaften Freude haben wir in wei-
ter Ferne die Kunde von dem Feſte brüderlicher Eintracht, das Sie den
27ten dieſes Monats feiern wollen, vernommen, und bedauern nichts
mehr, als daß die nun zu kurz anberaumte Zeit, uns die perſönliche
Theilnahme — wodurch wir uns, auch unaufgefordert, an den dortigen
Verein deutſcher Brüder freudig angeſchloſſen haben würden — unmög-
lich macht. Rechnen Sie aber darauf, daß wir in Gedanken in Ihrer
frohen Mitte ſeyn, und in ächt conſtitutionellem Geiſte dieſen feſtlichen
Tag mit Ihnen hier feiern werden; denn unſere Intereſſen ſind ja die
Ihrigen, und Ihre Beſtrebungen, Wünſche und Hoffnungen die unſri-
gen. — So mächtig hat — Dank ſey es der Vorſehung! — der Geiſt
der Zeit gewirkt, ſo herrlich ſich entwickelt, daß das wahrhaft Beſſere
überall gleichen Anklang findet, und daß hiermit endlich die gehäſſige
Scheidewand fallen muß, welche Jahrhunderte hindurch deutſche Brü-
dervölker in ſchmachvoller Abſonderung hielt, ſie ſich gegenſeitig entfrem-
dete, ihre gemeinſchaftlichen heiligſten Intereſſen theilte und ihre einſt
im Rathe der Völker ſo hohe Stellung zu einer ſo niedrigen und ihrer
ehemaligen Größe ſo völlig unwürdigen Stufe herabwürdigte. Darum
muß die Gegenwart tilgen, was die nächſt verfloſſenen Jahrhunderte
über uns gebracht und ſich die eben ſo ſchöne, als wahre und große Auf-
gabe ſtellen: daß fortan das Band der Liebe und Eintracht deutſche Völ-
ker enger umſchlinge und dem despotiſchen Einfluß endlich ein ſicherer
Damm geſetzt werde, und ſo die deutſchen Völker die ſo lang entbehrte
Selbſtſtändigkeit wieder erringen und im erneuten ſo erhebenden Selbſt-
gefühle ihrer Kraft das ſicherſte Palladium ihrer Unabhängigkeit auf-
ſtellen! —
Deutſche Brüder! ſtreben wir, von einem ächt conſtitutionellen
Geiſte beſeelt und geleitet, mit vereinten Kräften nach dieſem ſchönen
Ziele, ſo werden wir es auch erreichen — denn keine Macht der Erde
wird ſich mit Erfolg erdreiſten, die Erreichung deſſelben uns ſtreitig zu
machen — und alsdann in dem ſo erhebenden Selbſtbewußtſeyn — ein
conſtitutionelles Deuſchland begründet zu haben — die würdigſte Ent-
ſchädigung für jedes auch noch ſo ſchwere Opfer, finden. — — —
Darum ſeyen uns heilig die wahren Intereſſen unſers gemeinſchaft-
lichen Vaterlandes, und es werden nicht fehlen die beſſeren Tage des
deutſchen Volkes. —
Da Sie, Verehrte Freunde! nach dieſen Verſicherungen uns im
Geiſte in Ihrer Verſammlung finden werden; ſo dürfen wir uns auch
der gerechten Hoffnung hingeben, daß Sie uns jede Berathung von all-
gemeinerem Intereſſe bald thunlichſt mit deutſchem Zutrauen mitthei-
len und dabei auf Heſſiſche Treue, Biederkeit und Theilnahme unbedingt
rechnen werden. —
In ihrem und im Namen der zahlreichen conſtitutionellen Bürger
Marburgs und der Provinz Oberheſſen ſenden Ihnen: Deutſchen Gruß
und Handſchlag — zu.«
Marburg am 25ten May 1832.
(Folgen die Unterſchriften.)
(Die Fortſetzung der Feſtbeſchreibung folgt im zweiten Hefte.)