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Winckelmann, Johann Joachim: Geschichte der Kunst des Alterthums. Bd. 1. Dresden, 1764.

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I Theil. Drittes Capitel.
der größeren zeiget sich in Büchern, wo dieselben in Kupfer gestochen sind.
Der Gebrauch derselben war verschieden. Bey Opfern, und sonderlich 1)
der Vesta, blieben irrdene Gefäße beybehalten: einige dieneten zur Bewah-
rung der Asche der Todten, wie denn die mehresten in verschütteten Grab-
mälern, sonderlich bey der Stadt Nola, nicht weit von Neapel, gefunden
worden. Es zeiget dieses auch ein schönes Gefäß in dem Museo Herrn
Mengs, welches im alten Capua, in ein anderes Gefäß gesetzt, verwah-
ret gewesen: das Gefäß ist in eben der Form auf demselben gemalet, und
stehet wie auf einem kleinen Hügel, welcher vermuthlich ein Grab vorstel-
len soll, so wie die Gräber 2) der ältesten Zeiten waren. Man merke hier-
bey die Gelegenheit, daß neben den Toden ein Gefäß mit Oel gesetzet wur-
de, und daß solche Gefäße auch auf Grabmälern 3) gemalet wurden.
Auf der einen und auf der andern Seite des gemalten Gefäßes stehet eine junge
Männliche Figur, welche, außer einem auf der Schulter hängenden Ge-
wande, und einem Degen unter dem Arme hinauf, nach Art heroischer
Figuren, (welches alsdenn upolenios 4) heißt) nackend ist. Es sind die
Gesichter derselben nicht Idealisch, sondern scheinen bestimmte Personen
vorzustellen: sie unterreden sich mit einander voller Betrübniß. Wir wis-
sen auch, daß in den ersten Zeiten der Griechen 5) ein bloßes Gefäß der
Preiß des Sieges in ihren Spielen war, und dieses zeiget ein Gefäß auf
Münzen der Stadt Tralles 6) an, und auf vielen geschnittenen Steinen 7).
Der Preiß in den Panathenaischen Spielen zu Athen waren gemalte Ge-
fäße von gebrannter Erde, mit Oel angefüllet, und hierauf deuten die Ge-
fäße 8) an dem Gipfel eines Tempels zu Athen. Viele Gefäße aber

waren
1) Brodaei Miscel. L. 5. c. 19.
2) Paus. L. 6. p. 507. l. 38. L. 8. p. 624. l. 33. &c.
3) Schol. Aristoph. Eccles. v. 988.
4) Schol. Pind. Olymp. 2. v. 149.
5) Hom. Il. ps'. v. 259. Athen. Deipn. L. 11. p. 468. C.
6) Spanh. de praest. Num. T. 1. p. 134.
7) Descr. des Pier. gr. du Cab. de Stosch, p. 460.
8) Callimach. Fragm. 122. p. 366.

I Theil. Drittes Capitel.
der groͤßeren zeiget ſich in Buͤchern, wo dieſelben in Kupfer geſtochen ſind.
Der Gebrauch derſelben war verſchieden. Bey Opfern, und ſonderlich 1)
der Veſta, blieben irrdene Gefaͤße beybehalten: einige dieneten zur Bewah-
rung der Aſche der Todten, wie denn die mehreſten in verſchuͤtteten Grab-
maͤlern, ſonderlich bey der Stadt Nola, nicht weit von Neapel, gefunden
worden. Es zeiget dieſes auch ein ſchoͤnes Gefaͤß in dem Muſeo Herrn
Mengs, welches im alten Capua, in ein anderes Gefaͤß geſetzt, verwah-
ret geweſen: das Gefaͤß iſt in eben der Form auf demſelben gemalet, und
ſtehet wie auf einem kleinen Huͤgel, welcher vermuthlich ein Grab vorſtel-
len ſoll, ſo wie die Graͤber 2) der aͤlteſten Zeiten waren. Man merke hier-
bey die Gelegenheit, daß neben den Toden ein Gefaͤß mit Oel geſetzet wur-
de, und daß ſolche Gefaͤße auch auf Grabmaͤlern 3) gemalet wurden.
Auf der einen und auf der andern Seite des gemalten Gefaͤßes ſtehet eine junge
Maͤnnliche Figur, welche, außer einem auf der Schulter haͤngenden Ge-
wande, und einem Degen unter dem Arme hinauf, nach Art heroiſcher
Figuren, (welches alsdenn ὑπωλένιος 4) heißt) nackend iſt. Es ſind die
Geſichter derſelben nicht Idealiſch, ſondern ſcheinen beſtimmte Perſonen
vorzuſtellen: ſie unterreden ſich mit einander voller Betruͤbniß. Wir wiſ-
ſen auch, daß in den erſten Zeiten der Griechen 5) ein bloßes Gefaͤß der
Preiß des Sieges in ihren Spielen war, und dieſes zeiget ein Gefaͤß auf
Muͤnzen der Stadt Tralles 6) an, und auf vielen geſchnittenen Steinen 7).
Der Preiß in den Panathenaiſchen Spielen zu Athen waren gemalte Ge-
faͤße von gebrannter Erde, mit Oel angefuͤllet, und hierauf deuten die Ge-
faͤße 8) an dem Gipfel eines Tempels zu Athen. Viele Gefaͤße aber

waren
1) Brodaei Miſcel. L. 5. c. 19.
2) Pauſ. L. 6. p. 507. l. 38. L. 8. p. 624. l. 33. &c.
3) Schol. Ariſtoph. Eccleſ. v. 988.
4) Schol. Pind. Olymp. 2. v. 149.
5) Hom. Il. ψ᾽. v. 259. Athen. Deipn. L. 11. p. 468. C.
6) Spanh. de praeſt. Num. T. 1. p. 134.
7) Deſcr. des Pier. gr. du Cab. de Stoſch, p. 460.
8) Callimach. Fragm. 122. p. 366.
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[120/0170] I Theil. Drittes Capitel. der groͤßeren zeiget ſich in Buͤchern, wo dieſelben in Kupfer geſtochen ſind. Der Gebrauch derſelben war verſchieden. Bey Opfern, und ſonderlich 1) der Veſta, blieben irrdene Gefaͤße beybehalten: einige dieneten zur Bewah- rung der Aſche der Todten, wie denn die mehreſten in verſchuͤtteten Grab- maͤlern, ſonderlich bey der Stadt Nola, nicht weit von Neapel, gefunden worden. Es zeiget dieſes auch ein ſchoͤnes Gefaͤß in dem Muſeo Herrn Mengs, welches im alten Capua, in ein anderes Gefaͤß geſetzt, verwah- ret geweſen: das Gefaͤß iſt in eben der Form auf demſelben gemalet, und ſtehet wie auf einem kleinen Huͤgel, welcher vermuthlich ein Grab vorſtel- len ſoll, ſo wie die Graͤber 2) der aͤlteſten Zeiten waren. Man merke hier- bey die Gelegenheit, daß neben den Toden ein Gefaͤß mit Oel geſetzet wur- de, und daß ſolche Gefaͤße auch auf Grabmaͤlern 3) gemalet wurden. Auf der einen und auf der andern Seite des gemalten Gefaͤßes ſtehet eine junge Maͤnnliche Figur, welche, außer einem auf der Schulter haͤngenden Ge- wande, und einem Degen unter dem Arme hinauf, nach Art heroiſcher Figuren, (welches alsdenn ὑπωλένιος 4) heißt) nackend iſt. Es ſind die Geſichter derſelben nicht Idealiſch, ſondern ſcheinen beſtimmte Perſonen vorzuſtellen: ſie unterreden ſich mit einander voller Betruͤbniß. Wir wiſ- ſen auch, daß in den erſten Zeiten der Griechen 5) ein bloßes Gefaͤß der Preiß des Sieges in ihren Spielen war, und dieſes zeiget ein Gefaͤß auf Muͤnzen der Stadt Tralles 6) an, und auf vielen geſchnittenen Steinen 7). Der Preiß in den Panathenaiſchen Spielen zu Athen waren gemalte Ge- faͤße von gebrannter Erde, mit Oel angefuͤllet, und hierauf deuten die Ge- faͤße 8) an dem Gipfel eines Tempels zu Athen. Viele Gefaͤße aber waren 1) Brodaei Miſcel. L. 5. c. 19. 2) Pauſ. L. 6. p. 507. l. 38. L. 8. p. 624. l. 33. &c. 3) Schol. Ariſtoph. Eccleſ. v. 988. 4) Schol. Pind. Olymp. 2. v. 149. 5) Hom. Il. ψ᾽. v. 259. Athen. Deipn. L. 11. p. 468. C. 6) Spanh. de praeſt. Num. T. 1. p. 134. 7) Deſcr. des Pier. gr. du Cab. de Stoſch, p. 460. 8) Callimach. Fragm. 122. p. 366.

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Zitationshilfe: Winckelmann, Johann Joachim: Geschichte der Kunst des Alterthums. Bd. 1. Dresden, 1764, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/winckelmann_kunstgeschichte01_1764/170>, abgerufen am 24.11.2024.