Wildermuth, Ottilie: Streit in der Liebe und Liebe im Streit. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 23. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 175–210. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Ein andermal kamen drei alte Weiber aus dem Armenhaus und bedankten sich gar schön bei ihr für Speck und Fleisch, das sie ihnen geschickt hatte. Liesbeth wußte nicht, wie ihr geschah, sie führte als einzige Tochter den Haushalt des verwitweten Vaters und hatte die bestandsgestattete Rauchkammer ins Dorf. Man behauptete aber, sie lasse den Vater, wenn er Kraut esse, nur riechen am Speck, und habe so den ganzen Winter an einer Speckseite; wie würde sie nun Bettelweibern Speck und Fleisch schicken! Töricht erschrocken sah sie in der Rauchkammer nach -- da war freilich eine bedeutende Lücke; -- das hatte kein andrer Mensch, als der Georg gethan! nehmen konnte sie den Weibern das Fleisch nicht wieder, und so mußte sie mit sauersüßem Gesicht den Dank für ihre unfreiwillige Großmuth hinnehmen. Der Georg aber sollte es büßen, und als er nach einer Weile mit pfiffigem Lachen über den Zaun herüberblickte, da sagte sie ihm in geläufigem und lichtvollem Vortrag die Wahrheit umsonst über sein faules und nichtsnutziges Leben und verhieß ihm ganz und gar keine lockende Zukunft. Sonntag drauf wollte Georg auch trotzen, er schloß sich an des Adlerwirths Sohn an und zog an der Liesbeth Haus vorüber, andern Mädchen nach. Liesbeth war nicht vor dem Halt nicht am Fenster zu sehen, daheim aber fuhr sie herum wie unsinnig, und als Georg spät am Abend nach Hause kam, da Ein andermal kamen drei alte Weiber aus dem Armenhaus und bedankten sich gar schön bei ihr für Speck und Fleisch, das sie ihnen geschickt hatte. Liesbeth wußte nicht, wie ihr geschah, sie führte als einzige Tochter den Haushalt des verwitweten Vaters und hatte die bestandsgestattete Rauchkammer ins Dorf. Man behauptete aber, sie lasse den Vater, wenn er Kraut esse, nur riechen am Speck, und habe so den ganzen Winter an einer Speckseite; wie würde sie nun Bettelweibern Speck und Fleisch schicken! Töricht erschrocken sah sie in der Rauchkammer nach — da war freilich eine bedeutende Lücke; — das hatte kein andrer Mensch, als der Georg gethan! nehmen konnte sie den Weibern das Fleisch nicht wieder, und so mußte sie mit sauersüßem Gesicht den Dank für ihre unfreiwillige Großmuth hinnehmen. Der Georg aber sollte es büßen, und als er nach einer Weile mit pfiffigem Lachen über den Zaun herüberblickte, da sagte sie ihm in geläufigem und lichtvollem Vortrag die Wahrheit umsonst über sein faules und nichtsnutziges Leben und verhieß ihm ganz und gar keine lockende Zukunft. Sonntag drauf wollte Georg auch trotzen, er schloß sich an des Adlerwirths Sohn an und zog an der Liesbeth Haus vorüber, andern Mädchen nach. Liesbeth war nicht vor dem Halt nicht am Fenster zu sehen, daheim aber fuhr sie herum wie unsinnig, und als Georg spät am Abend nach Hause kam, da <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="2"> <pb facs="#f0015"/> <p>Ein andermal kamen drei alte Weiber aus dem Armenhaus und bedankten sich gar schön bei ihr für Speck und Fleisch, das sie ihnen geschickt hatte. Liesbeth wußte nicht, wie ihr geschah, sie führte als einzige Tochter den Haushalt des verwitweten Vaters und hatte die bestandsgestattete Rauchkammer ins Dorf. Man behauptete aber, sie lasse den Vater, wenn er Kraut esse, nur riechen am Speck, und habe so den ganzen Winter an einer Speckseite; wie würde sie nun Bettelweibern Speck und Fleisch schicken! Töricht erschrocken sah sie in der Rauchkammer nach — da war freilich eine bedeutende Lücke; — das hatte kein andrer Mensch, als der Georg gethan! nehmen konnte sie den Weibern das Fleisch nicht wieder, und so mußte sie mit sauersüßem Gesicht den Dank für ihre unfreiwillige Großmuth hinnehmen.</p><lb/> <p>Der Georg aber sollte es büßen, und als er nach einer Weile mit pfiffigem Lachen über den Zaun herüberblickte, da sagte sie ihm in geläufigem und lichtvollem Vortrag die Wahrheit umsonst über sein faules und nichtsnutziges Leben und verhieß ihm ganz und gar keine lockende Zukunft.</p><lb/> <p>Sonntag drauf wollte Georg auch trotzen, er schloß sich an des Adlerwirths Sohn an und zog an der Liesbeth Haus vorüber, andern Mädchen nach. Liesbeth war nicht vor dem Halt nicht am Fenster zu sehen, daheim aber fuhr sie herum wie unsinnig, und als Georg spät am Abend nach Hause kam, da<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0015]
Ein andermal kamen drei alte Weiber aus dem Armenhaus und bedankten sich gar schön bei ihr für Speck und Fleisch, das sie ihnen geschickt hatte. Liesbeth wußte nicht, wie ihr geschah, sie führte als einzige Tochter den Haushalt des verwitweten Vaters und hatte die bestandsgestattete Rauchkammer ins Dorf. Man behauptete aber, sie lasse den Vater, wenn er Kraut esse, nur riechen am Speck, und habe so den ganzen Winter an einer Speckseite; wie würde sie nun Bettelweibern Speck und Fleisch schicken! Töricht erschrocken sah sie in der Rauchkammer nach — da war freilich eine bedeutende Lücke; — das hatte kein andrer Mensch, als der Georg gethan! nehmen konnte sie den Weibern das Fleisch nicht wieder, und so mußte sie mit sauersüßem Gesicht den Dank für ihre unfreiwillige Großmuth hinnehmen.
Der Georg aber sollte es büßen, und als er nach einer Weile mit pfiffigem Lachen über den Zaun herüberblickte, da sagte sie ihm in geläufigem und lichtvollem Vortrag die Wahrheit umsonst über sein faules und nichtsnutziges Leben und verhieß ihm ganz und gar keine lockende Zukunft.
Sonntag drauf wollte Georg auch trotzen, er schloß sich an des Adlerwirths Sohn an und zog an der Liesbeth Haus vorüber, andern Mädchen nach. Liesbeth war nicht vor dem Halt nicht am Fenster zu sehen, daheim aber fuhr sie herum wie unsinnig, und als Georg spät am Abend nach Hause kam, da
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Zitationshilfe: | Wildermuth, Ottilie: Streit in der Liebe und Liebe im Streit. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 23. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 175–210. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wildermuth_streit_1910/15>, abgerufen am 16.02.2025. |