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Wild, Hermine [d. i. Adele Wesemael]: Eure Wege sind nicht meine Wege. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 22. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–210. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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so wahr ein Gott im Himmel lebt, werde ich Sie erschießen, wie ich Ihren Vater erschoß, wenn Sie mir nicht schwören, das jede Beziehung zwischen Ihnen und der Gräfin von diesem Augenblicke an für immer abgebrochen ist.

Die Gräfin ist frei, ich werde sie nicht mehr sehen, sagte Louis mit erstickter Stimme und abgewandtem Gesicht.

Leonie sank mit einem Seufzer auf ihren Sitz zurück.

Schwören Sie! befahl der Graf.

Ich schwöre -- bei meiner Mutter schwöre ich! spracht der Marquis mit tonloser Stimme.

Ich glaube Ihnen, sagte der Graf feierlich, denn Sie scheinen mir doch besser, als Ihr Vater zu sein. Die Zeit wird kommen, wo Sie diese Prüfung als ein Glück betrachten werden. -- Und nun werde ich Ihnen hinaus leuchten, Herr Marquis, setzte er nach einer Pause hinzu.

Er öffnete die Thüre. Mit einer raschen Bewegung wandte Louis sich nach Leonie und breitete unwillkürlich die Arme nach ihr aus. Aber sie schien ihn nicht zu sehen, und der Graf wartete auf ihn. Erst als die Thüre sich hinter ihm und ihrem Vater geschlossen hatte, sprang sie auf und wollte ihm nacheilen; sie rang die schönen Hände, sie sank in die Knie und schlug den Boden mit der Stirne.

O warum bin ich nicht gleich geflohen? jammerte sie laut. Doch plötzlich erhob sie sich, sie blickte düster vor sich nieder, ein kurzer Kampf glitt über ihre Züge und dann sammelten sie sich in einem eisernem Entschluß. -- Und er ist doch nicht mein Bruder, sagte sie dumpf. Was wissen wir Beide von dem, was unsere Eltern gethan? Louis, du kannst nicht von mir lassen -- o Louis! es wäre unser Beider Tod!

Sie warf ein Tuch um die Schultern und eilte hinaus. Sie hörte, wie ihr Vater das Thor verschloß, aber sie wußte, welcher Weg für Louis offen stand,

so wahr ein Gott im Himmel lebt, werde ich Sie erschießen, wie ich Ihren Vater erschoß, wenn Sie mir nicht schwören, das jede Beziehung zwischen Ihnen und der Gräfin von diesem Augenblicke an für immer abgebrochen ist.

Die Gräfin ist frei, ich werde sie nicht mehr sehen, sagte Louis mit erstickter Stimme und abgewandtem Gesicht.

Leonie sank mit einem Seufzer auf ihren Sitz zurück.

Schwören Sie! befahl der Graf.

Ich schwöre — bei meiner Mutter schwöre ich! spracht der Marquis mit tonloser Stimme.

Ich glaube Ihnen, sagte der Graf feierlich, denn Sie scheinen mir doch besser, als Ihr Vater zu sein. Die Zeit wird kommen, wo Sie diese Prüfung als ein Glück betrachten werden. — Und nun werde ich Ihnen hinaus leuchten, Herr Marquis, setzte er nach einer Pause hinzu.

Er öffnete die Thüre. Mit einer raschen Bewegung wandte Louis sich nach Leonie und breitete unwillkürlich die Arme nach ihr aus. Aber sie schien ihn nicht zu sehen, und der Graf wartete auf ihn. Erst als die Thüre sich hinter ihm und ihrem Vater geschlossen hatte, sprang sie auf und wollte ihm nacheilen; sie rang die schönen Hände, sie sank in die Knie und schlug den Boden mit der Stirne.

O warum bin ich nicht gleich geflohen? jammerte sie laut. Doch plötzlich erhob sie sich, sie blickte düster vor sich nieder, ein kurzer Kampf glitt über ihre Züge und dann sammelten sie sich in einem eisernem Entschluß. — Und er ist doch nicht mein Bruder, sagte sie dumpf. Was wissen wir Beide von dem, was unsere Eltern gethan? Louis, du kannst nicht von mir lassen — o Louis! es wäre unser Beider Tod!

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[0207] so wahr ein Gott im Himmel lebt, werde ich Sie erschießen, wie ich Ihren Vater erschoß, wenn Sie mir nicht schwören, das jede Beziehung zwischen Ihnen und der Gräfin von diesem Augenblicke an für immer abgebrochen ist. Die Gräfin ist frei, ich werde sie nicht mehr sehen, sagte Louis mit erstickter Stimme und abgewandtem Gesicht. Leonie sank mit einem Seufzer auf ihren Sitz zurück. Schwören Sie! befahl der Graf. Ich schwöre — bei meiner Mutter schwöre ich! spracht der Marquis mit tonloser Stimme. Ich glaube Ihnen, sagte der Graf feierlich, denn Sie scheinen mir doch besser, als Ihr Vater zu sein. Die Zeit wird kommen, wo Sie diese Prüfung als ein Glück betrachten werden. — Und nun werde ich Ihnen hinaus leuchten, Herr Marquis, setzte er nach einer Pause hinzu. Er öffnete die Thüre. Mit einer raschen Bewegung wandte Louis sich nach Leonie und breitete unwillkürlich die Arme nach ihr aus. Aber sie schien ihn nicht zu sehen, und der Graf wartete auf ihn. Erst als die Thüre sich hinter ihm und ihrem Vater geschlossen hatte, sprang sie auf und wollte ihm nacheilen; sie rang die schönen Hände, sie sank in die Knie und schlug den Boden mit der Stirne. O warum bin ich nicht gleich geflohen? jammerte sie laut. Doch plötzlich erhob sie sich, sie blickte düster vor sich nieder, ein kurzer Kampf glitt über ihre Züge und dann sammelten sie sich in einem eisernem Entschluß. — Und er ist doch nicht mein Bruder, sagte sie dumpf. Was wissen wir Beide von dem, was unsere Eltern gethan? Louis, du kannst nicht von mir lassen — o Louis! es wäre unser Beider Tod! Sie warf ein Tuch um die Schultern und eilte hinaus. Sie hörte, wie ihr Vater das Thor verschloß, aber sie wußte, welcher Weg für Louis offen stand,

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Zitationshilfe: Wild, Hermine [d. i. Adele Wesemael]: Eure Wege sind nicht meine Wege. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 22. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–210. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wild_wege_1910/207>, abgerufen am 23.11.2024.