Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Einleitung in die attische Tragödie (Euripides Herakles erklärt, Bd. 1). Berlin, 1889.5. DER HERAKLES DER SAGE. Hellas vor der völker- wanderung. Die geschichte unseres weltteils beginnt in Hellas. sie beginnt viele 1) Selloi sind die verehrer des Zeus und der Dione im eichenhain von Dodona: das sind die ältesten Europaeer die wir kennen; sie waschen den staub nicht von ihren füssen und schlafen auf dem nakten waldboden, und der älteste gott Europas redet zu ihnen im rauschen der eiche, deren früchte sie nährt, und durch die stimme der wilden taube. Ellenes (eigentlich Ellenes) sitzen am unteren Spercheios, Achilleus ist ihr held: aber dass sie dorthin gedrängt sind, ist schon eine folge der völkerwanderung. Ellopes, eine regelmässig gebildete nebenform, haben auch in Thessalien, auf Euboia, in Aetolien spuren hinterlassen. psellizo sellizo ellos ellops bieten eine lautlich unanfechtbare etymologie: und es liegt nichts vor, was den namen unglaublich erscheinen liesse, den andere stämme, z. b. die einwanderer, auf- gebracht haben können. aber merkwürdig ist es freilich, dass die Hellenen selbst sich mit einem worte bezeichnet haben, das dem sinne nach sich mit barbaros deckt, und mit niemiec, wie die Slaven ihre germanischen nachbarn nennen. 2) Seit dem 8. jahrhundert gilt der Hellenenname als allumfassender sowol
bei den asiatischen epikern wie im Peloponnes, und von göttern führt ihn nur Zeus und vereinzelt Athena. es mag aber erlaubt sein, ihn als collectivnamen der autochthonen Hellenen im gegensatze zu den einwanderern zu verwenden. damit treten wir freilich in gegensatz zu Herodot. er hat sich (I 56--58) die sache so zurecht gelegt. Deukalion, sein sohn Hellen, sein sohn Doros lebten in Phthiotis, in Hellas (dies nimmt er aus Hesiods Katalogen): also die Dorer sind 'Hellenen'. jetzt 5. DER HERAKLES DER SAGE. Hellas vor der völker- wanderung. Die geschichte unseres weltteils beginnt in Hellas. sie beginnt viele 1) Σελλοί sind die verehrer des Zeus und der Dione im eichenhain von Dodona: das sind die ältesten Europaeer die wir kennen; sie waschen den staub nicht von ihren füſsen und schlafen auf dem nakten waldboden, und der älteste gott Europas redet zu ihnen im rauschen der eiche, deren früchte sie nährt, und durch die stimme der wilden taube. Ἕλληνες (eigentlich Ἑλλῆνες) sitzen am unteren Spercheios, Achilleus ist ihr held: aber daſs sie dorthin gedrängt sind, ist schon eine folge der völkerwanderung. Ἕλλοπες, eine regelmäſsig gebildete nebenform, haben auch in Thessalien, auf Euboia, in Aetolien spuren hinterlassen. ψελλίζω σελλίζω ἐλλός ἔλλοψ bieten eine lautlich unanfechtbare etymologie: und es liegt nichts vor, was den namen unglaublich erscheinen lieſse, den andere stämme, z. b. die einwanderer, auf- gebracht haben können. aber merkwürdig ist es freilich, daſs die Hellenen selbst sich mit einem worte bezeichnet haben, das dem sinne nach sich mit βάρβαρος deckt, und mit niemiec, wie die Slaven ihre germanischen nachbarn nennen. 2) Seit dem 8. jahrhundert gilt der Hellenenname als allumfassender sowol
bei den asiatischen epikern wie im Peloponnes, und von göttern führt ihn nur Zeus und vereinzelt Athena. es mag aber erlaubt sein, ihn als collectivnamen der autochthonen Hellenen im gegensatze zu den einwanderern zu verwenden. damit treten wir freilich in gegensatz zu Herodot. er hat sich (I 56—58) die sache so zurecht gelegt. Deukalion, sein sohn Hellen, sein sohn Doros lebten in Phthiotis, in Hellas (dies nimmt er aus Hesiods Katalogen): also die Dorer sind ‘Hellenen’. jetzt <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0278" n="[258]"/> <div n="1"> <head> <hi rendition="#b">5.<lb/> DER HERAKLES DER SAGE.</hi> </head><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <note place="left">Hellas vor<lb/> der völker-<lb/> wanderung.</note> <p>Die geschichte unseres weltteils beginnt in Hellas. sie beginnt viele<lb/> jahrhunderte früher, als den Hellenen auch nur eine ahnung davon auf-<lb/> steigt, daſs sie als volk in herkunft sprache glaube recht eine einheit<lb/> bildeten oder je gebildet hätten; ist doch vielmehr die entwickelung aus<lb/> der zersplitterung zur einheit der inhalt ihrer geschichte. aber sie beginnt<lb/> doch erst in einer zeit, wo das land das jetzt wieder Hellas heiſst von<lb/> menschen arischen stammes besetzt war, die gespalten in eine unzahl<lb/> von stämmen und ihrer verwandtschaft unbewuſst gleichwol alle unter<lb/> dem namen der Hellenen, welcher eigentlich nur einem jener kleinen<lb/> stämme zukam <note place="foot" n="1)">Σελλοί sind die verehrer des Zeus und der Dione im eichenhain von Dodona:<lb/> das sind die ältesten Europaeer die wir kennen; sie waschen den staub nicht von<lb/> ihren füſsen und schlafen auf dem nakten waldboden, und der älteste gott Europas<lb/> redet zu ihnen im rauschen der eiche, deren früchte sie nährt, und durch die stimme<lb/> der wilden taube. Ἕλληνες (eigentlich Ἑλλῆνες) sitzen am unteren Spercheios,<lb/> Achilleus ist ihr held: aber daſs sie dorthin gedrängt sind, ist schon eine folge der<lb/> völkerwanderung. Ἕλλοπες, eine regelmäſsig gebildete nebenform, haben auch in<lb/> Thessalien, auf Euboia, in Aetolien spuren hinterlassen. ψελλίζω σελλίζω ἐλλός ἔλλοψ<lb/> bieten eine lautlich unanfechtbare etymologie: und es liegt nichts vor, was den<lb/> namen unglaublich erscheinen lieſse, den andere stämme, z. b. die einwanderer, auf-<lb/> gebracht haben können. aber merkwürdig ist es freilich, daſs die Hellenen selbst<lb/> sich mit einem worte bezeichnet haben, das dem sinne nach sich mit βάρβαρος deckt,<lb/> und mit <hi rendition="#i">niemiec</hi>, wie die Slaven ihre germanischen nachbarn nennen.</note>, von uns begriffen werden können und müssen <note xml:id="note-0278" next="#note-0279" place="foot" n="2)">Seit dem 8. jahrhundert gilt der Hellenenname als allumfassender sowol<lb/> bei den asiatischen epikern wie im Peloponnes, und von göttern führt ihn nur<lb/> Zeus und vereinzelt Athena. es mag aber erlaubt sein, ihn als collectivnamen der<lb/> autochthonen Hellenen im gegensatze zu den einwanderern zu verwenden. damit<lb/> treten wir freilich in gegensatz zu Herodot. er hat sich (I 56—58) die sache so<lb/> zurecht gelegt. Deukalion, sein sohn Hellen, sein sohn Doros lebten in Phthiotis,<lb/> in Hellas (dies nimmt er aus Hesiods Katalogen): also die Dorer sind ‘Hellenen’. jetzt</note>. was<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [[258]/0278]
5.
DER HERAKLES DER SAGE.
Die geschichte unseres weltteils beginnt in Hellas. sie beginnt viele
jahrhunderte früher, als den Hellenen auch nur eine ahnung davon auf-
steigt, daſs sie als volk in herkunft sprache glaube recht eine einheit
bildeten oder je gebildet hätten; ist doch vielmehr die entwickelung aus
der zersplitterung zur einheit der inhalt ihrer geschichte. aber sie beginnt
doch erst in einer zeit, wo das land das jetzt wieder Hellas heiſst von
menschen arischen stammes besetzt war, die gespalten in eine unzahl
von stämmen und ihrer verwandtschaft unbewuſst gleichwol alle unter
dem namen der Hellenen, welcher eigentlich nur einem jener kleinen
stämme zukam 1), von uns begriffen werden können und müssen 2). was
1) Σελλοί sind die verehrer des Zeus und der Dione im eichenhain von Dodona:
das sind die ältesten Europaeer die wir kennen; sie waschen den staub nicht von
ihren füſsen und schlafen auf dem nakten waldboden, und der älteste gott Europas
redet zu ihnen im rauschen der eiche, deren früchte sie nährt, und durch die stimme
der wilden taube. Ἕλληνες (eigentlich Ἑλλῆνες) sitzen am unteren Spercheios,
Achilleus ist ihr held: aber daſs sie dorthin gedrängt sind, ist schon eine folge der
völkerwanderung. Ἕλλοπες, eine regelmäſsig gebildete nebenform, haben auch in
Thessalien, auf Euboia, in Aetolien spuren hinterlassen. ψελλίζω σελλίζω ἐλλός ἔλλοψ
bieten eine lautlich unanfechtbare etymologie: und es liegt nichts vor, was den
namen unglaublich erscheinen lieſse, den andere stämme, z. b. die einwanderer, auf-
gebracht haben können. aber merkwürdig ist es freilich, daſs die Hellenen selbst
sich mit einem worte bezeichnet haben, das dem sinne nach sich mit βάρβαρος deckt,
und mit niemiec, wie die Slaven ihre germanischen nachbarn nennen.
2) Seit dem 8. jahrhundert gilt der Hellenenname als allumfassender sowol
bei den asiatischen epikern wie im Peloponnes, und von göttern führt ihn nur
Zeus und vereinzelt Athena. es mag aber erlaubt sein, ihn als collectivnamen der
autochthonen Hellenen im gegensatze zu den einwanderern zu verwenden. damit
treten wir freilich in gegensatz zu Herodot. er hat sich (I 56—58) die sache so
zurecht gelegt. Deukalion, sein sohn Hellen, sein sohn Doros lebten in Phthiotis,
in Hellas (dies nimmt er aus Hesiods Katalogen): also die Dorer sind ‘Hellenen’. jetzt
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