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Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Einleitung in die attische Tragödie (Euripides Herakles erklärt, Bd. 1). Berlin, 1889.

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Hellas vor der völkerwanderung.
immer auf grund von erwägungen anderer art über vorgeschichtliche urzeit
vermutet werden mag: für die geschichte sind die Hellenen autochthonen,
wie sie es selbst auch nicht anders gewusst haben.

An der asiatischen küste, vielleicht tief in das land hinein, sass ein
anderer complex ebemfalls arischer stämme, die es nicht dazu gebracht
haben sich zu einem volke zu concentriren, sondern sich teils selbst ver-
zehrt haben, teils vom den übergreifenden Asiaten, zuletzt mit vollster
macht von den Hellemen erdrückt sind. sie mögen nach dem vorgange
der Hellenen auch vom uns Karer genannt werden, weil so der bis tief
in die geschichtliche zeit bedeutendste ihrer stämme hiess 3). die Karer
hatten auch die inselm des aegeischen meeres besetzt; möglich dass sie
auch hie und da auf das hellenische land übergriffen: man darf nicht

sitzen sie im Peloponnes, dahin sind sie vom Parnass gekommen (dessen vordorische
bevölkerung er mit dem mythischen namen Druopes 'Eichenmänner' benennt, aus
den dorischen sagen), dorthin vom Pindos, wo sie mit den Makedonen noch vereint
sassen: so weit reicht die geschichtliche tradition. das mittelglied, vertreibung vom
Spercheios in die berge, erschliesst er, und als die vertreibenden setzt er Kadmeier
an, wie er glauben musste, probabel, da er diese für Phoenikier hält. für die ur-
bewohner, die also nie ausgewanderten, greift er den namen Pelasger auf, der an
einer thessalischen gegend, in dem auf autochthonie pochenden Athen und im Pelo-
ponnes, auch für die autochthonen, haftete. ausserdem nannten zu seiner zeit die
Hellenen barbarische bevölkerungen so, die in etlichen winkeln des thrakischen
küstenlandes und auf Lemnos sassen. da diese unverständlich redeten, nimmt er
eine barbarische pelasgische sprache an, die notwendig auch vor der dorisch-
hellenischen einwanderung in Griechenland geherrscht haben muss; z. b. die Athener
kann erst Ion, der enkel des Hellen, neffe des Doros, hellenisch gelehrt haben.
das ganze ist eine durchsichtige combination, die aber den pelasgischen unsinn
der modernen gezeugt hat, zumal der kategorische widerspruch der Athener die
Pelasger statt der Dorer-Hellenen planetas aiei nannte (Strab. 221 aus Apollodor).
es liegt auf der hand, dass zwar jedes einzelne volk, das den namen führt, eine
concrete realität ist, aber Pelasger nur im gegensatze zu den Hellenen heisst, wobei
allerdings ursprünglich ein volk diesen namen nicht bloss in relativer bedeutung
getragen haben wird, das moch zu suchen ist. das volk der Pelopes, die Pelopon-
nesier, hat Buttmann entdeckt; es dürfte, wie Druopes Ellopes, eine bezeichnung
sein, die die einwanderer aufbrachten. Pelopes sind pelioi: die pelasgoi sind
ihre verwandte, denn seit aogla aigla feststeht, ist pelapgoi gedeutet, asgos argos
d. i. 'weiss'. sie sind nicht störche, aber wie die störche sind sie 'die schwarzweissen'.
3) Dies volk zu erkenmen ist eine hauptaufgabe der urgeschichtlichen forschung,
und die monumentalen fundle werden es vielleicht ermöglichen. zur zeit brodelt es
noch, und die tastenden versuche werden nicht nur mit unvermeidlichen misgriffen
gemacht. z. b. dass die Lelleger keine realität sind, mit der man rechnen könnte,
und wenn sie es denn sein sollten, nur ein hellenischer stamm sein könnten, sollte
doch wissen, wer mit der hesiodischen völkertafel und den ältesten sonstigen zeug-
nissen umgeht.
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Hellas vor der völkerwanderung.
immer auf grund von erwägungen anderer art über vorgeschichtliche urzeit
vermutet werden mag: für die geschichte sind die Hellenen autochthonen,
wie sie es selbst auch nicht anders gewuſst haben.

An der asiatischen küste, vielleicht tief in das land hinein, saſs ein
anderer complex ebemfalls arischer stämme, die es nicht dazu gebracht
haben sich zu einem volke zu concentriren, sondern sich teils selbst ver-
zehrt haben, teils vom den übergreifenden Asiaten, zuletzt mit vollster
macht von den Hellemen erdrückt sind. sie mögen nach dem vorgange
der Hellenen auch vom uns Karer genannt werden, weil so der bis tief
in die geschichtliche zeit bedeutendste ihrer stämme hieſs 3). die Karer
hatten auch die inselm des aegeischen meeres besetzt; möglich daſs sie
auch hie und da auf das hellenische land übergriffen: man darf nicht

sitzen sie im Peloponnes, dahin sind sie vom Parnass gekommen (dessen vordorische
bevölkerung er mit dem mythischen namen Δρύοπες ‘Eichenmänner’ benennt, aus
den dorischen sagen), dorthin vom Pindos, wo sie mit den Makedonen noch vereint
saſsen: so weit reicht die geschichtliche tradition. das mittelglied, vertreibung vom
Spercheios in die berge, erschlieſst er, und als die vertreibenden setzt er Kadmeier
an, wie er glauben muſste, probabel, da er diese für Phoenikier hält. für die ur-
bewohner, die also nie ausgewanderten, greift er den namen Pelasger auf, der an
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ponnes, auch für die autochthonen, haftete. auſserdem nannten zu seiner zeit die
Hellenen barbarische bevölkerungen so, die in etlichen winkeln des thrakischen
küstenlandes und auf Lemnos saſsen. da diese unverständlich redeten, nimmt er
eine barbarische pelasgische sprache an, die notwendig auch vor der dorisch-
hellenischen einwanderung in Griechenland geherrscht haben muſs; z. b. die Athener
kann erst Ion, der enkel des Hellen, neffe des Doros, hellenisch gelehrt haben.
das ganze ist eine durchsichtige combination, die aber den pelasgischen unsinn
der modernen gezeugt hat, zumal der kategorische widerspruch der Athener die
Pelasger statt der Dorer-Hellenen πλάνητας αἰεἱ nannte (Strab. 221 aus Apollodor).
es liegt auf der hand, daſs zwar jedes einzelne volk, das den namen führt, eine
concrete realität ist, aber Pelasger nur im gegensatze zu den Hellenen heiſst, wobei
allerdings ursprünglich ein volk diesen namen nicht bloſs in relativer bedeutung
getragen haben wird, das moch zu suchen ist. das volk der Πέλοπες, die Pelopon-
nesier, hat Buttmann entdeckt; es dürfte, wie Δρύοπες Ἔλλοπες, eine bezeichnung
sein, die die einwanderer aufbrachten. Πέλοπες sind πελιοί: die πελασγοί sind
ihre verwandte, denn seit ἄωγλα αἴγλα feststeht, ist πελαπγοί gedeutet, ἀσγός ἀργός
d. i. ‘weiſs’. sie sind nicht störche, aber wie die störche sind sie ‘die schwarzweiſsen’.
3) Dies volk zu erkenmen ist eine hauptaufgabe der urgeschichtlichen forschung,
und die monumentalen fundle werden es vielleicht ermöglichen. zur zeit brodelt es
noch, und die tastenden versuche werden nicht nur mit unvermeidlichen misgriffen
gemacht. z. b. daſs die Lelleger keine realität sind, mit der man rechnen könnte,
und wenn sie es denn sein sollten, nur ein hellenischer stamm sein könnten, sollte
doch wissen, wer mit der hesiodischen völkertafel und den ältesten sonstigen zeug-
nissen umgeht.
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[259/0279] Hellas vor der völkerwanderung. immer auf grund von erwägungen anderer art über vorgeschichtliche urzeit vermutet werden mag: für die geschichte sind die Hellenen autochthonen, wie sie es selbst auch nicht anders gewuſst haben. An der asiatischen küste, vielleicht tief in das land hinein, saſs ein anderer complex ebemfalls arischer stämme, die es nicht dazu gebracht haben sich zu einem volke zu concentriren, sondern sich teils selbst ver- zehrt haben, teils vom den übergreifenden Asiaten, zuletzt mit vollster macht von den Hellemen erdrückt sind. sie mögen nach dem vorgange der Hellenen auch vom uns Karer genannt werden, weil so der bis tief in die geschichtliche zeit bedeutendste ihrer stämme hieſs 3). die Karer hatten auch die inselm des aegeischen meeres besetzt; möglich daſs sie auch hie und da auf das hellenische land übergriffen: man darf nicht 2) 3) Dies volk zu erkenmen ist eine hauptaufgabe der urgeschichtlichen forschung, und die monumentalen fundle werden es vielleicht ermöglichen. zur zeit brodelt es noch, und die tastenden versuche werden nicht nur mit unvermeidlichen misgriffen gemacht. z. b. daſs die Lelleger keine realität sind, mit der man rechnen könnte, und wenn sie es denn sein sollten, nur ein hellenischer stamm sein könnten, sollte doch wissen, wer mit der hesiodischen völkertafel und den ältesten sonstigen zeug- nissen umgeht. 2) sitzen sie im Peloponnes, dahin sind sie vom Parnass gekommen (dessen vordorische bevölkerung er mit dem mythischen namen Δρύοπες ‘Eichenmänner’ benennt, aus den dorischen sagen), dorthin vom Pindos, wo sie mit den Makedonen noch vereint saſsen: so weit reicht die geschichtliche tradition. das mittelglied, vertreibung vom Spercheios in die berge, erschlieſst er, und als die vertreibenden setzt er Kadmeier an, wie er glauben muſste, probabel, da er diese für Phoenikier hält. für die ur- bewohner, die also nie ausgewanderten, greift er den namen Pelasger auf, der an einer thessalischen gegend, in dem auf autochthonie pochenden Athen und im Pelo- ponnes, auch für die autochthonen, haftete. auſserdem nannten zu seiner zeit die Hellenen barbarische bevölkerungen so, die in etlichen winkeln des thrakischen küstenlandes und auf Lemnos saſsen. da diese unverständlich redeten, nimmt er eine barbarische pelasgische sprache an, die notwendig auch vor der dorisch- hellenischen einwanderung in Griechenland geherrscht haben muſs; z. b. die Athener kann erst Ion, der enkel des Hellen, neffe des Doros, hellenisch gelehrt haben. das ganze ist eine durchsichtige combination, die aber den pelasgischen unsinn der modernen gezeugt hat, zumal der kategorische widerspruch der Athener die Pelasger statt der Dorer-Hellenen πλάνητας αἰεἱ nannte (Strab. 221 aus Apollodor). es liegt auf der hand, daſs zwar jedes einzelne volk, das den namen führt, eine concrete realität ist, aber Pelasger nur im gegensatze zu den Hellenen heiſst, wobei allerdings ursprünglich ein volk diesen namen nicht bloſs in relativer bedeutung getragen haben wird, das moch zu suchen ist. das volk der Πέλοπες, die Pelopon- nesier, hat Buttmann entdeckt; es dürfte, wie Δρύοπες Ἔλλοπες, eine bezeichnung sein, die die einwanderer aufbrachten. Πέλοπες sind πελιοί: die πελασγοί sind ihre verwandte, denn seit ἄωγλα αἴγλα feststeht, ist πελαπγοί gedeutet, ἀσγός ἀργός d. i. ‘weiſs’. sie sind nicht störche, aber wie die störche sind sie ‘die schwarzweiſsen’. 17*

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Zitationshilfe: Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Einleitung in die attische Tragödie (Euripides Herakles erklärt, Bd. 1). Berlin, 1889, S. 259. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wilamowitz_tragoedie_1889/279>, abgerufen am 30.11.2024.