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Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 1. Berlin, 1893.

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I. 7. Die verfassung.
das sind alles allgemeine wendungen, während in der Politie die tech-
nisch attischen stehn; aber die philosophische behandlung bestrebt sich
allgemein zu fassen, was einer solchen behörde ihrem wesen nach zu-
fällt: hier werden ein par besonders interessante einzelheiten heraus-
gegriffen, das allgemeine aber bleibt fort, weil das ein Hellene mit dem
worte astunomoi bereits hört. im attischen gesetze stand es natürlich:
Aristoteles kürzt.

Mit den marktwächtern steht es ebenso. sie hatten bekanntlich
die marktpolizei im weitesten umfange61); aber Aristoteles verzeichnet
davon nur, was etwa unserem nahrungsmittelgesetze entspricht, denn
ihre sorge für 'reine und unverfälschte waare' geht zumeist die nahrungs-
mittel an. übrigens hat er hier eine sicherlich anerkennenswerte leistung
der demokratie hervorgehoben. denn dass im interesse der consumenten
die polizei von amtswegen den betrügereien entgegentritt, also auch die
händler controlliren darf, ist wirklich volksfreundlich, verstösst aber
gegen die allgemeine rechtsanschauung, die genug getan zu haben meint,
wenn der geschädigte sich recht suchen kann.

selbstverständig jedesmal als specialcommission, in Athen und sonst nicht selten
vor. aber das öffentliche land und das der privaten occupation frei gegebene (das
ist nemein) waren, wie die erhaltenen grenzsteine lehren (z. b. CIA IV p. 121), durch
oristai einmal geschieden; es bestanden auch acten, in denen die grenzsteine loca-
lisirt waren (z. b. Istros im schol. Soph. OK 1060, verbessert Kydath. 111), und
eine controlle war nötig. das ist also in der stadt und dem hafen, wo besonders
viel land der ersten classe war, sache der astynomen, auf dem lande sache der
demarchen. daraus folgt, dass die grenzstreitigkeiten vor die astynomen gehören,
wenn es sich um städtische grundstücke handelt; Antiphons rede peri oron, die
den Kerameikos angieng, war eine probe.
61) Die Politik gibt ihnen die epimeleia tan anagkaion peri ten agoran,
das ist nur die deutung ihres namens, und speciell die aufsicht peri ta sumbolaia
kai ten eukosmian, wozu Theophrast das apseudein en te agora fügt (Harp. s. v.).
tatsächlich hatten sie viel zu tun, den unberechtigten den zutritt zum bazar wehren,
das standgeld der dazu verpflichteten einziehn, die accise der pflichtigen waaren
erheben und die ordnung in jeder beziehung halten. Lipsius Att. Proc. 101. nur
dass sie den hetären ihre taxe vorgeschrieben hätten, ist eine torheit, die man der
späten glosse diagramma bei Suidas (erste glosse, die zweite ist Harp. epitom. und
mit ihr und diagrammata hängen BA 236, 241 zusammen) nicht hätte glauben
dürfen. wenn sie überhaupt attische agoranomen angehn soll, so ist es schliesslich
eine verwechselung mit den astynomen; aber die glosse ist unbekannter herkunft
und geht wol irgendwelche aedilen an. denn in römischer zeit ist die besteuerung
der hetaeren auf grund der eigenen taxe gewöhnlich (z. b. Dessau Herm. 19, 517).
diagramma im sinne von tarif ist schwerlich attisch; das würde timema sein.
diagramma ist 'specificirte aufstellung oder rechnung'.

I. 7. Die verfassung.
das sind alles allgemeine wendungen, während in der Politie die tech-
nisch attischen stehn; aber die philosophische behandlung bestrebt sich
allgemein zu fassen, was einer solchen behörde ihrem wesen nach zu-
fällt: hier werden ein par besonders interessante einzelheiten heraus-
gegriffen, das allgemeine aber bleibt fort, weil das ein Hellene mit dem
worte ἀστυνόμοι bereits hört. im attischen gesetze stand es natürlich:
Aristoteles kürzt.

Mit den marktwächtern steht es ebenso. sie hatten bekanntlich
die marktpolizei im weitesten umfange61); aber Aristoteles verzeichnet
davon nur, was etwa unserem nahrungsmittelgesetze entspricht, denn
ihre sorge für ‘reine und unverfälschte waare’ geht zumeist die nahrungs-
mittel an. übrigens hat er hier eine sicherlich anerkennenswerte leistung
der demokratie hervorgehoben. denn daſs im interesse der consumenten
die polizei von amtswegen den betrügereien entgegentritt, also auch die
händler controlliren darf, ist wirklich volksfreundlich, verstöſst aber
gegen die allgemeine rechtsanschauung, die genug getan zu haben meint,
wenn der geschädigte sich recht suchen kann.

selbstverständig jedesmal als specialcommission, in Athen und sonst nicht selten
vor. aber das öffentliche land und das der privaten occupation frei gegebene (das
ist νέμειν) waren, wie die erhaltenen grenzsteine lehren (z. b. CIA IV p. 121), durch
ὁϱισταί einmal geschieden; es bestanden auch acten, in denen die grenzsteine loca-
lisirt waren (z. b. Istros im schol. Soph. OK 1060, verbessert Kydath. 111), und
eine controlle war nötig. das ist also in der stadt und dem hafen, wo besonders
viel land der ersten classe war, sache der astynomen, auf dem lande sache der
demarchen. daraus folgt, daſs die grenzstreitigkeiten vor die astynomen gehören,
wenn es sich um städtische grundstücke handelt; Antiphons rede πεϱὶ ὅϱων, die
den Kerameikos angieng, war eine probe.
61) Die Politik gibt ihnen die ἐπιμέλεια τᾶν ἀναγκαίων πεϱὶ τὴν ἀγοϱάν,
das ist nur die deutung ihres namens, und speciell die aufsicht πεϱὶ τὰ συμβόλαια
καὶ τὴν εὐκοσμίαν, wozu Theophrast das ἀψευδεῖν ἐν τῇ ἀγοϱᾷ fügt (Harp. s. v.).
tatsächlich hatten sie viel zu tun, den unberechtigten den zutritt zum bazar wehren,
das standgeld der dazu verpflichteten einziehn, die accise der pflichtigen waaren
erheben und die ordnung in jeder beziehung halten. Lipsius Att. Proc. 101. nur
daſs sie den hetären ihre taxe vorgeschrieben hätten, ist eine torheit, die man der
späten glosse διάγϱαμμα bei Suidas (erste glosse, die zweite ist Harp. epitom. und
mit ihr und διαγϱάμματα hängen BA 236, 241 zusammen) nicht hätte glauben
dürfen. wenn sie überhaupt attische agoranomen angehn soll, so ist es schlieſslich
eine verwechselung mit den astynomen; aber die glosse ist unbekannter herkunft
und geht wol irgendwelche aedilen an. denn in römischer zeit ist die besteuerung
der hetaeren auf grund der eigenen taxe gewöhnlich (z. b. Dessau Herm. 19, 517).
διάγϱαμμα im sinne von tarif ist schwerlich attisch; das würde τίμημα sein.
διάγϱαμμα ist ‘specificirte aufstellung oder rechnung’.
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[218/0232] I. 7. Die verfassung. das sind alles allgemeine wendungen, während in der Politie die tech- nisch attischen stehn; aber die philosophische behandlung bestrebt sich allgemein zu fassen, was einer solchen behörde ihrem wesen nach zu- fällt: hier werden ein par besonders interessante einzelheiten heraus- gegriffen, das allgemeine aber bleibt fort, weil das ein Hellene mit dem worte ἀστυνόμοι bereits hört. im attischen gesetze stand es natürlich: Aristoteles kürzt. Mit den marktwächtern steht es ebenso. sie hatten bekanntlich die marktpolizei im weitesten umfange 61); aber Aristoteles verzeichnet davon nur, was etwa unserem nahrungsmittelgesetze entspricht, denn ihre sorge für ‘reine und unverfälschte waare’ geht zumeist die nahrungs- mittel an. übrigens hat er hier eine sicherlich anerkennenswerte leistung der demokratie hervorgehoben. denn daſs im interesse der consumenten die polizei von amtswegen den betrügereien entgegentritt, also auch die händler controlliren darf, ist wirklich volksfreundlich, verstöſst aber gegen die allgemeine rechtsanschauung, die genug getan zu haben meint, wenn der geschädigte sich recht suchen kann. 60) 61) Die Politik gibt ihnen die ἐπιμέλεια τᾶν ἀναγκαίων πεϱὶ τὴν ἀγοϱάν, das ist nur die deutung ihres namens, und speciell die aufsicht πεϱὶ τὰ συμβόλαια καὶ τὴν εὐκοσμίαν, wozu Theophrast das ἀψευδεῖν ἐν τῇ ἀγοϱᾷ fügt (Harp. s. v.). tatsächlich hatten sie viel zu tun, den unberechtigten den zutritt zum bazar wehren, das standgeld der dazu verpflichteten einziehn, die accise der pflichtigen waaren erheben und die ordnung in jeder beziehung halten. Lipsius Att. Proc. 101. nur daſs sie den hetären ihre taxe vorgeschrieben hätten, ist eine torheit, die man der späten glosse διάγϱαμμα bei Suidas (erste glosse, die zweite ist Harp. epitom. und mit ihr und διαγϱάμματα hängen BA 236, 241 zusammen) nicht hätte glauben dürfen. wenn sie überhaupt attische agoranomen angehn soll, so ist es schlieſslich eine verwechselung mit den astynomen; aber die glosse ist unbekannter herkunft und geht wol irgendwelche aedilen an. denn in römischer zeit ist die besteuerung der hetaeren auf grund der eigenen taxe gewöhnlich (z. b. Dessau Herm. 19, 517). διάγϱαμμα im sinne von tarif ist schwerlich attisch; das würde τίμημα sein. διάγϱαμμα ist ‘specificirte aufstellung oder rechnung’. 60) selbstverständig jedesmal als specialcommission, in Athen und sonst nicht selten vor. aber das öffentliche land und das der privaten occupation frei gegebene (das ist νέμειν) waren, wie die erhaltenen grenzsteine lehren (z. b. CIA IV p. 121), durch ὁϱισταί einmal geschieden; es bestanden auch acten, in denen die grenzsteine loca- lisirt waren (z. b. Istros im schol. Soph. OK 1060, verbessert Kydath. 111), und eine controlle war nötig. das ist also in der stadt und dem hafen, wo besonders viel land der ersten classe war, sache der astynomen, auf dem lande sache der demarchen. daraus folgt, daſs die grenzstreitigkeiten vor die astynomen gehören, wenn es sich um städtische grundstücke handelt; Antiphons rede πεϱὶ ὅϱων, die den Kerameikos angieng, war eine probe.

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Zitationshilfe: Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 1. Berlin, 1893, S. 218. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wilamowitz_aristoteles01_1893/232>, abgerufen am 21.11.2024.