Schönpflästerchen nannte, und die Damen ihre Hüften mit ungeheuern Reifbändern umgaben, wo das Volk sich in die Pfütze warf, wenn abge¬ schmackte goldene Karossen mit betreßten und be¬ zopften Hanswürsten hinterm Kutschenschlag vor¬ überrasselten, wo im ausbrechenden Kriege die Ge¬ nerale und Kondottieris mit einander Schach spiel¬ ten, moderne Helden, die durch Maitressen eben so oft ihre Stelle erhielten, als verloren und noch öfter die Feldzugspläne aus dem Schlafgemach des Königs ins Lager mitnahmen. Wie war zu die¬ ser Zeit eine schöne Natur möglich in Frankreich, oder gar in Deutschland, wo man sich der plum¬ pesten Nachahmung des französischen Unsinnes hin¬ gab. Wie war zu dieser Zeit ein Künstler, ein Dichter möglich und nun gar ein Aesthetiker, der doch der Schönheit, der Kunst, der Poesie, nicht gesetzgeberisch vorauf, sondern gesetzempfangend hintennach geht. Sie werden vom AbbeBat¬ teux gehört haben. Sein unique principe des belles lettres war einmal ein europäisch berühm¬ tes Werk der Aesthetik und Rammler hat es in vier deutsche Bände gebracht. Dieser Abbe nannte die Nachahmung der Natur und zwar der schönen Natur, das einzige große ästhetische Prinzip, das den Arbeiten des Geschmackes zu Grunde gelegt werden müsse. Lesen Sie das Werk eines sonst
Wienbarg, ästhet. Feldz. 6
Schoͤnpflaͤſterchen nannte, und die Damen ihre Huͤften mit ungeheuern Reifbaͤndern umgaben, wo das Volk ſich in die Pfuͤtze warf, wenn abge¬ ſchmackte goldene Karoſſen mit betreßten und be¬ zopften Hanswuͤrſten hinterm Kutſchenſchlag vor¬ uͤberraſſelten, wo im ausbrechenden Kriege die Ge¬ nerale und Kondottieris mit einander Schach ſpiel¬ ten, moderne Helden, die durch Maitreſſen eben ſo oft ihre Stelle erhielten, als verloren und noch oͤfter die Feldzugsplaͤne aus dem Schlafgemach des Koͤnigs ins Lager mitnahmen. Wie war zu die¬ ſer Zeit eine ſchoͤne Natur moͤglich in Frankreich, oder gar in Deutſchland, wo man ſich der plum¬ peſten Nachahmung des franzoͤſiſchen Unſinnes hin¬ gab. Wie war zu dieſer Zeit ein Kuͤnſtler, ein Dichter moͤglich und nun gar ein Aeſthetiker, der doch der Schoͤnheit, der Kunſt, der Poeſie, nicht geſetzgeberiſch vorauf, ſondern geſetzempfangend hintennach geht. Sie werden vom AbbéBat¬ teux gehoͤrt haben. Sein unique principe des belles lettres war einmal ein europaͤiſch beruͤhm¬ tes Werk der Aeſthetik und Rammler hat es in vier deutſche Baͤnde gebracht. Dieſer Abbé nannte die Nachahmung der Natur und zwar der ſchoͤnen Natur, das einzige große aͤſthetiſche Prinzip, das den Arbeiten des Geſchmackes zu Grunde gelegt werden muͤſſe. Leſen Sie das Werk eines ſonſt
Wienbarg, aͤſthet. Feldz. 6
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0095"n="81"/>
Schoͤnpflaͤſterchen nannte, und die Damen ihre<lb/>
Huͤften mit ungeheuern Reifbaͤndern umgaben, wo<lb/>
das Volk ſich in die Pfuͤtze warf, wenn abge¬<lb/>ſchmackte goldene Karoſſen mit betreßten und be¬<lb/>
zopften Hanswuͤrſten hinterm Kutſchenſchlag vor¬<lb/>
uͤberraſſelten, wo im ausbrechenden Kriege die Ge¬<lb/>
nerale und Kondottieris mit einander Schach ſpiel¬<lb/>
ten, moderne Helden, die durch Maitreſſen eben<lb/>ſo oft ihre Stelle erhielten, als verloren und noch<lb/>
oͤfter die Feldzugsplaͤne aus dem Schlafgemach des<lb/>
Koͤnigs ins Lager mitnahmen. Wie war zu die¬<lb/>ſer Zeit eine ſchoͤne Natur moͤglich in Frankreich,<lb/>
oder gar in Deutſchland, wo man ſich der plum¬<lb/>
peſten Nachahmung des franzoͤſiſchen Unſinnes hin¬<lb/>
gab. Wie war zu dieſer Zeit ein Kuͤnſtler, ein<lb/>
Dichter moͤglich und nun gar ein Aeſthetiker, der<lb/>
doch der Schoͤnheit, der Kunſt, der Poeſie, nicht<lb/>
geſetzgeberiſch <hirendition="#g">vorauf</hi>, ſondern geſetzempfangend<lb/>
hintennach geht. Sie werden vom Abb<hirendition="#aq">é</hi><hirendition="#g">Bat¬<lb/>
teux</hi> gehoͤrt haben. Sein <hirendition="#aq">unique principe des<lb/>
belles lettres</hi> war einmal ein europaͤiſch beruͤhm¬<lb/>
tes Werk der Aeſthetik und Rammler hat es in<lb/>
vier deutſche Baͤnde gebracht. Dieſer Abb<hirendition="#aq">é</hi> nannte<lb/>
die Nachahmung der Natur und zwar der ſchoͤnen<lb/>
Natur, das einzige große aͤſthetiſche Prinzip, das<lb/>
den Arbeiten des Geſchmackes zu Grunde gelegt<lb/>
werden muͤſſe. Leſen Sie das Werk eines ſonſt<lb/><fwplace="bottom"type="sig">Wienbarg, aͤſthet. Feldz. 6<lb/></fw></p></div></body></text></TEI>
[81/0095]
Schoͤnpflaͤſterchen nannte, und die Damen ihre
Huͤften mit ungeheuern Reifbaͤndern umgaben, wo
das Volk ſich in die Pfuͤtze warf, wenn abge¬
ſchmackte goldene Karoſſen mit betreßten und be¬
zopften Hanswuͤrſten hinterm Kutſchenſchlag vor¬
uͤberraſſelten, wo im ausbrechenden Kriege die Ge¬
nerale und Kondottieris mit einander Schach ſpiel¬
ten, moderne Helden, die durch Maitreſſen eben
ſo oft ihre Stelle erhielten, als verloren und noch
oͤfter die Feldzugsplaͤne aus dem Schlafgemach des
Koͤnigs ins Lager mitnahmen. Wie war zu die¬
ſer Zeit eine ſchoͤne Natur moͤglich in Frankreich,
oder gar in Deutſchland, wo man ſich der plum¬
peſten Nachahmung des franzoͤſiſchen Unſinnes hin¬
gab. Wie war zu dieſer Zeit ein Kuͤnſtler, ein
Dichter moͤglich und nun gar ein Aeſthetiker, der
doch der Schoͤnheit, der Kunſt, der Poeſie, nicht
geſetzgeberiſch vorauf, ſondern geſetzempfangend
hintennach geht. Sie werden vom Abbé Bat¬
teux gehoͤrt haben. Sein unique principe des
belles lettres war einmal ein europaͤiſch beruͤhm¬
tes Werk der Aeſthetik und Rammler hat es in
vier deutſche Baͤnde gebracht. Dieſer Abbé nannte
die Nachahmung der Natur und zwar der ſchoͤnen
Natur, das einzige große aͤſthetiſche Prinzip, das
den Arbeiten des Geſchmackes zu Grunde gelegt
werden muͤſſe. Leſen Sie das Werk eines ſonſt
Wienbarg, aͤſthet. Feldz. 6
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Wienbarg, Ludolf: Aesthetische Feldzüge. Dem jungen Deutschland gewidmet. Hamburg, 1834, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wienbarg_feldzuege_1834/95>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.