Blätter aus Jean Pauls eigenem Ehrenkranz zu¬ sichert. Von Ersterem hier und da in seinen Schriften und namentlich an zwei Stellen, den¬ selben, die ich ihrer naiven Offenheit und Wahr¬ heit wegen anzuführen mich veranlaßt fühle.
In einer Kritik des berühmten Menzel¬ schen Werkes über die neuere deutsche Literatur, befindlich in den Cottaischen Annalen, deren Her¬ ausgeber Heine eine Zeitlang war, wirft er Men¬ zel die unanständige Geringschätzung vor, mit wel¬ cher dieser über den König der Schriftsteller, Goe¬ the, aburtheilt und ihm nur, statt des Genies, lächerlicherweise ein Talent zur Schriftstellerei ein¬ räumt, bei welcher Gelegenheit Heine so witzig als beiläufig ausruft: Menzel muß wenigstens ein¬ gestehen, daß Goethe mitunter das Talent hat, ein Genie zu sein. Allein bei der Rechtfertigung Goethe's unterläßt er selbst nicht, diesem einen Vorwurf darüber zu machen, daß er in seinen alten Tagen ganz und gar die Titanenflegeljahre seiner Jugend, den rauhen Götz, den schwülen Werther, die stachlichten Xenien vergesse, die jun¬ gen Schriftsteller von Talent nicht anerkennen wolle, und dagegen die liebe geistige Mittelmäßig¬ keit seiner Nachbeter und Schüler mit vornehmer Protektion beehre. Der Goethe käme ihm vor, wie ein Räuberhauptmann, der sich vom Hand¬
Blaͤtter aus Jean Pauls eigenem Ehrenkranz zu¬ ſichert. Von Erſterem hier und da in ſeinen Schriften und namentlich an zwei Stellen, den¬ ſelben, die ich ihrer naiven Offenheit und Wahr¬ heit wegen anzufuͤhren mich veranlaßt fuͤhle.
In einer Kritik des beruͤhmten Menzel¬ ſchen Werkes uͤber die neuere deutſche Literatur, befindlich in den Cottaiſchen Annalen, deren Her¬ ausgeber Heine eine Zeitlang war, wirft er Men¬ zel die unanſtaͤndige Geringſchaͤtzung vor, mit wel¬ cher dieſer uͤber den Koͤnig der Schriftſteller, Goe¬ the, aburtheilt und ihm nur, ſtatt des Genies, laͤcherlicherweiſe ein Talent zur Schriftſtellerei ein¬ raͤumt, bei welcher Gelegenheit Heine ſo witzig als beilaͤufig ausruft: Menzel muß wenigſtens ein¬ geſtehen, daß Goethe mitunter das Talent hat, ein Genie zu ſein. Allein bei der Rechtfertigung Goethe's unterlaͤßt er ſelbſt nicht, dieſem einen Vorwurf daruͤber zu machen, daß er in ſeinen alten Tagen ganz und gar die Titanenflegeljahre ſeiner Jugend, den rauhen Goͤtz, den ſchwuͤlen Werther, die ſtachlichten Xenien vergeſſe, die jun¬ gen Schriftſteller von Talent nicht anerkennen wolle, und dagegen die liebe geiſtige Mittelmaͤßig¬ keit ſeiner Nachbeter und Schuͤler mit vornehmer Protektion beehre. Der Goethe kaͤme ihm vor, wie ein Raͤuberhauptmann, der ſich vom Hand¬
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Blaͤtter aus Jean Pauls eigenem Ehrenkranz zu¬
ſichert. Von Erſterem hier und da in ſeinen
Schriften und namentlich an zwei Stellen, den¬
ſelben, die ich ihrer naiven Offenheit und Wahr¬
heit wegen anzufuͤhren mich veranlaßt fuͤhle.
In einer Kritik des beruͤhmten Menzel¬
ſchen Werkes uͤber die neuere deutſche Literatur,
befindlich in den Cottaiſchen Annalen, deren Her¬
ausgeber Heine eine Zeitlang war, wirft er Men¬
zel die unanſtaͤndige Geringſchaͤtzung vor, mit wel¬
cher dieſer uͤber den Koͤnig der Schriftſteller, Goe¬
the, aburtheilt und ihm nur, ſtatt des Genies,
laͤcherlicherweiſe ein Talent zur Schriftſtellerei ein¬
raͤumt, bei welcher Gelegenheit Heine ſo witzig
als beilaͤufig ausruft: Menzel muß wenigſtens ein¬
geſtehen, daß Goethe mitunter das Talent hat,
ein Genie zu ſein. Allein bei der Rechtfertigung
Goethe's unterlaͤßt er ſelbſt nicht, dieſem einen
Vorwurf daruͤber zu machen, daß er in ſeinen
alten Tagen ganz und gar die Titanenflegeljahre
ſeiner Jugend, den rauhen Goͤtz, den ſchwuͤlen
Werther, die ſtachlichten Xenien vergeſſe, die jun¬
gen Schriftſteller von Talent nicht anerkennen
wolle, und dagegen die liebe geiſtige Mittelmaͤßig¬
keit ſeiner Nachbeter und Schuͤler mit vornehmer
Protektion beehre. Der Goethe kaͤme ihm vor,
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Wienbarg, Ludolf: Aesthetische Feldzüge. Dem jungen Deutschland gewidmet. Hamburg, 1834, S. 296. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wienbarg_feldzuege_1834/310>, abgerufen am 24.11.2024.
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