ihm gegenüber macht sich geltend ein poetischer Sinn, der in der Kraft der Jugend wurzelt, der dem Verstande allerdings dankbar ist für die in der Befreiungssache geleistete Hülfe, keineswegs aber gesonnen, sich von ihm als einem neuen Des¬ poten unter ein neues Joch spannen zu lassen. Fürchtet auch nicht, daß diese üppige Jugend aus ihren felsigten Ufern hervortreten und die Blüthen des Geistes, die sie selbst hervorgerufen und be¬ fruchtet, überschwemme und zerstöre. Sie ist ja eben die Poesie und das Leben selber und alle edlen und großen Leidenschaften und die schöpfe¬ rische Kraft der Geschichte fließt aus ihrem Blut und Nervengeiste. Sie ist das bewegende Prin¬ zip und nimmt alle Keime der Bildung auf in ihrem Schooße, wie man's sieht an jenem Mit¬ telalter, an der Jugend unserer Nation, welche die schönen und herrlichen Erscheinungen des Chri¬ stenthums (wie wirkte dasselbe im greisen Orient?) erst möglich und wirklich machte.
Behauptung der Rechte des Verstandes und des sinnkräftigen Gemüths, darauf drängt der Geist der neuen Zeit. Ueber unserer Asche wird sich ein neues europäisches Griechenthum erheben, angemessen dem geistigen Fortschritt, den das Christenthum vorbereitet hat. Nur zweimal hat der Erdball die Erscheinung erlebt, daß Menschen
ihm gegenuͤber macht ſich geltend ein poetiſcher Sinn, der in der Kraft der Jugend wurzelt, der dem Verſtande allerdings dankbar iſt fuͤr die in der Befreiungsſache geleiſtete Huͤlfe, keineswegs aber geſonnen, ſich von ihm als einem neuen Des¬ poten unter ein neues Joch ſpannen zu laſſen. Fuͤrchtet auch nicht, daß dieſe uͤppige Jugend aus ihren felſigten Ufern hervortreten und die Bluͤthen des Geiſtes, die ſie ſelbſt hervorgerufen und be¬ fruchtet, uͤberſchwemme und zerſtoͤre. Sie iſt ja eben die Poeſie und das Leben ſelber und alle edlen und großen Leidenſchaften und die ſchoͤpfe¬ riſche Kraft der Geſchichte fließt aus ihrem Blut und Nervengeiſte. Sie iſt das bewegende Prin¬ zip und nimmt alle Keime der Bildung auf in ihrem Schooße, wie man's ſieht an jenem Mit¬ telalter, an der Jugend unſerer Nation, welche die ſchoͤnen und herrlichen Erſcheinungen des Chri¬ ſtenthums (wie wirkte daſſelbe im greiſen Orient?) erſt moͤglich und wirklich machte.
Behauptung der Rechte des Verſtandes und des ſinnkraͤftigen Gemuͤths, darauf draͤngt der Geiſt der neuen Zeit. Ueber unſerer Aſche wird ſich ein neues europaͤiſches Griechenthum erheben, angemeſſen dem geiſtigen Fortſchritt, den das Chriſtenthum vorbereitet hat. Nur zweimal hat der Erdball die Erſcheinung erlebt, daß Menſchen
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0139"n="125"/>
ihm gegenuͤber macht ſich geltend ein poetiſcher<lb/>
Sinn, der in der Kraft der Jugend wurzelt, der<lb/>
dem Verſtande allerdings dankbar iſt fuͤr die in<lb/>
der Befreiungsſache geleiſtete Huͤlfe, keineswegs<lb/>
aber geſonnen, ſich von ihm als einem neuen Des¬<lb/>
poten unter ein neues Joch ſpannen zu laſſen.<lb/>
Fuͤrchtet auch nicht, daß dieſe uͤppige Jugend aus<lb/>
ihren felſigten Ufern hervortreten und die Bluͤthen<lb/>
des Geiſtes, die ſie ſelbſt hervorgerufen und be¬<lb/>
fruchtet, uͤberſchwemme und zerſtoͤre. Sie iſt ja<lb/>
eben die Poeſie und das Leben ſelber und alle<lb/>
edlen und großen Leidenſchaften und die ſchoͤpfe¬<lb/>
riſche Kraft der Geſchichte fließt aus ihrem Blut<lb/>
und Nervengeiſte. Sie iſt das bewegende Prin¬<lb/>
zip und nimmt alle Keime der Bildung auf in<lb/>
ihrem Schooße, wie man's ſieht an jenem Mit¬<lb/>
telalter, an der Jugend unſerer Nation, welche<lb/>
die ſchoͤnen und herrlichen Erſcheinungen des Chri¬<lb/>ſtenthums (wie wirkte daſſelbe im greiſen Orient?)<lb/>
erſt moͤglich und wirklich machte.</p><lb/><p>Behauptung der Rechte des Verſtandes und<lb/>
des ſinnkraͤftigen Gemuͤths, darauf draͤngt der<lb/>
Geiſt der neuen Zeit. Ueber unſerer Aſche wird<lb/>ſich ein neues europaͤiſches Griechenthum erheben,<lb/>
angemeſſen dem geiſtigen Fortſchritt, den das<lb/>
Chriſtenthum vorbereitet hat. Nur zweimal hat<lb/>
der Erdball die Erſcheinung erlebt, daß Menſchen<lb/></p></div></body></text></TEI>
[125/0139]
ihm gegenuͤber macht ſich geltend ein poetiſcher
Sinn, der in der Kraft der Jugend wurzelt, der
dem Verſtande allerdings dankbar iſt fuͤr die in
der Befreiungsſache geleiſtete Huͤlfe, keineswegs
aber geſonnen, ſich von ihm als einem neuen Des¬
poten unter ein neues Joch ſpannen zu laſſen.
Fuͤrchtet auch nicht, daß dieſe uͤppige Jugend aus
ihren felſigten Ufern hervortreten und die Bluͤthen
des Geiſtes, die ſie ſelbſt hervorgerufen und be¬
fruchtet, uͤberſchwemme und zerſtoͤre. Sie iſt ja
eben die Poeſie und das Leben ſelber und alle
edlen und großen Leidenſchaften und die ſchoͤpfe¬
riſche Kraft der Geſchichte fließt aus ihrem Blut
und Nervengeiſte. Sie iſt das bewegende Prin¬
zip und nimmt alle Keime der Bildung auf in
ihrem Schooße, wie man's ſieht an jenem Mit¬
telalter, an der Jugend unſerer Nation, welche
die ſchoͤnen und herrlichen Erſcheinungen des Chri¬
ſtenthums (wie wirkte daſſelbe im greiſen Orient?)
erſt moͤglich und wirklich machte.
Behauptung der Rechte des Verſtandes und
des ſinnkraͤftigen Gemuͤths, darauf draͤngt der
Geiſt der neuen Zeit. Ueber unſerer Aſche wird
ſich ein neues europaͤiſches Griechenthum erheben,
angemeſſen dem geiſtigen Fortſchritt, den das
Chriſtenthum vorbereitet hat. Nur zweimal hat
der Erdball die Erſcheinung erlebt, daß Menſchen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Wienbarg, Ludolf: Aesthetische Feldzüge. Dem jungen Deutschland gewidmet. Hamburg, 1834, S. 125. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wienbarg_feldzuege_1834/139>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.