des Fleisches als einen Abfall von Gott, als ein Bündniß mit dem Teufel.
Jener brennende Glaube, jene Kasteiung des Fleisches, jener heroische Sinn, der sich selbst und sein Liebstes opfert, um der Liebe Gottes willen, war die Seele des Mittelalters. Glaube ist aber der kindlich unschuldige Sinn, die einfältige Hin¬ gebung an die äußere Auktorität.
Nie wird die Liebe aus der Welt gehen, wie der Heroismus, wie der Glaube, daß in Gott alle Dinge leben, weben und sind. Aber eben darum, und weil noch immer in der zertrüm¬ merten Welt Heroismus, Glaube und Liebe die Wache halten, gibt es eine neue Geschichte, gibt es Märtyrer der Freiheit und des Glaubens, gibt es Enthusiasten und Opfer, gibt es Hochgefühle in unserer Brust, die erhabener und reiner sind als die, welche der verwitterte Glaube und die erkaltete Liebe der Vorzeit zu erregen im Stande sind.
Fürchtet nicht, daß der Verstand der neuen Zeit alles Heilige zum Gespötte, alle Ahnung zum Kindertraum, alles Schöne zum Bedürftigen herabwürdigen wird. Wohl ist der Verstand ein Handelsherr, Maschinenmeister, Konstitutionsschmie¬ der, und an sich mehr Feind als Freund des Ge¬ müths und des poetisch sinnlichen Lebens. Aber
des Fleiſches als einen Abfall von Gott, als ein Buͤndniß mit dem Teufel.
Jener brennende Glaube, jene Kaſteiung des Fleiſches, jener heroiſche Sinn, der ſich ſelbſt und ſein Liebſtes opfert, um der Liebe Gottes willen, war die Seele des Mittelalters. Glaube iſt aber der kindlich unſchuldige Sinn, die einfaͤltige Hin¬ gebung an die aͤußere Auktoritaͤt.
Nie wird die Liebe aus der Welt gehen, wie der Heroismus, wie der Glaube, daß in Gott alle Dinge leben, weben und ſind. Aber eben darum, und weil noch immer in der zertruͤm¬ merten Welt Heroismus, Glaube und Liebe die Wache halten, gibt es eine neue Geſchichte, gibt es Maͤrtyrer der Freiheit und des Glaubens, gibt es Enthuſiaſten und Opfer, gibt es Hochgefuͤhle in unſerer Bruſt, die erhabener und reiner ſind als die, welche der verwitterte Glaube und die erkaltete Liebe der Vorzeit zu erregen im Stande ſind.
Fuͤrchtet nicht, daß der Verſtand der neuen Zeit alles Heilige zum Geſpoͤtte, alle Ahnung zum Kindertraum, alles Schoͤne zum Beduͤrftigen herabwuͤrdigen wird. Wohl iſt der Verſtand ein Handelsherr, Maſchinenmeiſter, Konſtitutionsſchmie¬ der, und an ſich mehr Feind als Freund des Ge¬ muͤths und des poetiſch ſinnlichen Lebens. Aber
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des Fleiſches als einen Abfall von Gott, als ein
Buͤndniß mit dem Teufel.
Jener brennende Glaube, jene Kaſteiung des
Fleiſches, jener heroiſche Sinn, der ſich ſelbſt und
ſein Liebſtes opfert, um der Liebe Gottes willen,
war die Seele des Mittelalters. Glaube iſt aber
der kindlich unſchuldige Sinn, die einfaͤltige Hin¬
gebung an die aͤußere Auktoritaͤt.
Nie wird die Liebe aus der Welt gehen, wie
der Heroismus, wie der Glaube, daß in Gott
alle Dinge leben, weben und ſind. Aber eben
darum, und weil noch immer in der zertruͤm¬
merten Welt Heroismus, Glaube und Liebe die
Wache halten, gibt es eine neue Geſchichte, gibt
es Maͤrtyrer der Freiheit und des Glaubens, gibt
es Enthuſiaſten und Opfer, gibt es Hochgefuͤhle
in unſerer Bruſt, die erhabener und reiner ſind
als die, welche der verwitterte Glaube und die
erkaltete Liebe der Vorzeit zu erregen im Stande
ſind.
Fuͤrchtet nicht, daß der Verſtand der neuen
Zeit alles Heilige zum Geſpoͤtte, alle Ahnung
zum Kindertraum, alles Schoͤne zum Beduͤrftigen
herabwuͤrdigen wird. Wohl iſt der Verſtand ein
Handelsherr, Maſchinenmeiſter, Konſtitutionsſchmie¬
der, und an ſich mehr Feind als Freund des Ge¬
muͤths und des poetiſch ſinnlichen Lebens. Aber
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Wienbarg, Ludolf: Aesthetische Feldzüge. Dem jungen Deutschland gewidmet. Hamburg, 1834, S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wienbarg_feldzuege_1834/138>, abgerufen am 24.11.2024.
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