Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wieland, Christoph Martin: Oberon. Weimar, 1780.

Bild:
<< vorherige Seite
27.
Nun giengs dem Ritter just wie euch.
Er hatte sich, nach Angulassers namen,
Ein unthier vorgestellt aus Titans rohem saamen,
Den wilden Erdensöhnen gleich,
Die einst, den Göttersitz zu stürmen,
Den hohen Pelion mit sammt den wurzeln aus
Der erde rissen, um ihn dem Ossa aufzuthürmen:
Nun wurd' ein mann von sieben fuß daraus.
28.
Habt ihr das Götterwerk von Glykon je gesehen,
Den großen sohn der langen wundernacht,
Im urbild, oder auch in gipse nachgemacht,
So denkt, ihr seht den mann leibhaftig vor euch stehen,
Den mann, der in der mondscheinsnacht
Das arme kind so ins gedräng gebracht.
So wie er lag, hätt' ihn von unsern neuern Alten
Der schlauste für ein bild vom Herkules gehalten.
29.
Für einen Herkules in ruh,
Als er dem Augias den marmorstall gemistet;
So breitgeschultert, hochgebrüstet
Lag Angulaffer da; auch traf die kleidung zu.
Der Ritter stuzt: denn in den alterthümern
Lag seine stärke nicht; und so, vorm keuschen blick
Des tages, im gewand der rohen natur zu schimmern,
Däucht ihm ein wahres Heidenstück.
30. Nun,
27.
Nun giengs dem Ritter juſt wie euch.
Er hatte ſich, nach Angulaſſers namen,
Ein unthier vorgeſtellt aus Titans rohem ſaamen,
Den wilden Erdenſoͤhnen gleich,
Die einſt, den Goͤtterſitz zu ſtuͤrmen,
Den hohen Pelion mit ſammt den wurzeln aus
Der erde riſſen, um ihn dem Oſſa aufzuthuͤrmen:
Nun wurd' ein mann von ſieben fuß daraus.
28.
Habt ihr das Goͤtterwerk von Glykon je geſehen,
Den großen ſohn der langen wundernacht,
Im urbild, oder auch in gipſe nachgemacht,
So denkt, ihr ſeht den mann leibhaftig vor euch ſtehen,
Den mann, der in der mondſcheinsnacht
Das arme kind ſo ins gedraͤng gebracht.
So wie er lag, haͤtt' ihn von unſern neuern Alten
Der ſchlauſte fuͤr ein bild vom Herkules gehalten.
29.
Fuͤr einen Herkules in ruh,
Als er dem Augias den marmorſtall gemiſtet;
So breitgeſchultert, hochgebruͤſtet
Lag Angulaffer da; auch traf die kleidung zu.
Der Ritter ſtuzt: denn in den alterthuͤmern
Lag ſeine ſtaͤrke nicht; und ſo, vorm keuſchen blick
Des tages, im gewand der rohen natur zu ſchimmern,
Daͤucht ihm ein wahres Heidenſtuͤck.
30. Nun,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <pb facs="#f0062"/>
            <lg n="27">
              <head> <hi rendition="#c">27.</hi> </head><lb/>
              <l><hi rendition="#in">N</hi>un giengs dem Ritter ju&#x017F;t wie euch.</l><lb/>
              <l>Er hatte &#x017F;ich, nach Angula&#x017F;&#x017F;ers namen,</l><lb/>
              <l>Ein unthier vorge&#x017F;tellt aus Titans rohem &#x017F;aamen,</l><lb/>
              <l>Den wilden Erden&#x017F;o&#x0364;hnen gleich,</l><lb/>
              <l>Die ein&#x017F;t, den Go&#x0364;tter&#x017F;itz zu &#x017F;tu&#x0364;rmen,</l><lb/>
              <l>Den hohen Pelion mit &#x017F;ammt den wurzeln aus</l><lb/>
              <l>Der erde ri&#x017F;&#x017F;en, um ihn dem O&#x017F;&#x017F;a aufzuthu&#x0364;rmen:</l><lb/>
              <l>Nun wurd' ein mann von &#x017F;ieben fuß daraus.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="28">
              <head> <hi rendition="#c">28.</hi> </head><lb/>
              <l><hi rendition="#in">H</hi>abt ihr das Go&#x0364;tterwerk von <hi rendition="#g">Glykon</hi> je ge&#x017F;ehen,</l><lb/>
              <l>Den großen &#x017F;ohn der langen wundernacht,</l><lb/>
              <l>Im urbild, oder auch in gip&#x017F;e nachgemacht,</l><lb/>
              <l>So denkt, ihr &#x017F;eht den mann leibhaftig vor euch &#x017F;tehen,</l><lb/>
              <l>Den mann, der in der mond&#x017F;cheinsnacht</l><lb/>
              <l>Das arme kind &#x017F;o ins gedra&#x0364;ng gebracht.</l><lb/>
              <l>So wie er lag, ha&#x0364;tt' ihn von un&#x017F;ern neuern Alten</l><lb/>
              <l>Der &#x017F;chlau&#x017F;te fu&#x0364;r ein bild vom Herkules gehalten.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="29">
              <head> <hi rendition="#c">29.</hi> </head><lb/>
              <l><hi rendition="#in">F</hi>u&#x0364;r einen Herkules in ruh,</l><lb/>
              <l>Als er dem Augias den marmor&#x017F;tall gemi&#x017F;tet;</l><lb/>
              <l>So breitge&#x017F;chultert, hochgebru&#x0364;&#x017F;tet</l><lb/>
              <l>Lag Angulaffer da; auch traf die kleidung zu.</l><lb/>
              <l>Der Ritter &#x017F;tuzt: denn in den alterthu&#x0364;mern</l><lb/>
              <l>Lag &#x017F;eine &#x017F;ta&#x0364;rke nicht; und &#x017F;o, vorm keu&#x017F;chen blick</l><lb/>
              <l>Des tages, im gewand der rohen natur zu &#x017F;chimmern,</l><lb/>
              <l>Da&#x0364;ucht ihm ein wahres Heiden&#x017F;tu&#x0364;ck.</l>
            </lg><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch">30. Nun,</fw><lb/>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0062] 27. Nun giengs dem Ritter juſt wie euch. Er hatte ſich, nach Angulaſſers namen, Ein unthier vorgeſtellt aus Titans rohem ſaamen, Den wilden Erdenſoͤhnen gleich, Die einſt, den Goͤtterſitz zu ſtuͤrmen, Den hohen Pelion mit ſammt den wurzeln aus Der erde riſſen, um ihn dem Oſſa aufzuthuͤrmen: Nun wurd' ein mann von ſieben fuß daraus. 28. Habt ihr das Goͤtterwerk von Glykon je geſehen, Den großen ſohn der langen wundernacht, Im urbild, oder auch in gipſe nachgemacht, So denkt, ihr ſeht den mann leibhaftig vor euch ſtehen, Den mann, der in der mondſcheinsnacht Das arme kind ſo ins gedraͤng gebracht. So wie er lag, haͤtt' ihn von unſern neuern Alten Der ſchlauſte fuͤr ein bild vom Herkules gehalten. 29. Fuͤr einen Herkules in ruh, Als er dem Augias den marmorſtall gemiſtet; So breitgeſchultert, hochgebruͤſtet Lag Angulaffer da; auch traf die kleidung zu. Der Ritter ſtuzt: denn in den alterthuͤmern Lag ſeine ſtaͤrke nicht; und ſo, vorm keuſchen blick Des tages, im gewand der rohen natur zu ſchimmern, Daͤucht ihm ein wahres Heidenſtuͤck. 30. Nun,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_oberon_1780
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_oberon_1780/62
Zitationshilfe: Wieland, Christoph Martin: Oberon. Weimar, 1780, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_oberon_1780/62>, abgerufen am 21.11.2024.