Wieland, Christoph Martin: Oberon. Weimar, 1780.2. Doch Hüon, eh sie ihn erreichen, reißt in eileDer männer einem rasch die stange aus der hand, Schlägt um sich her damit als wie mit einer keule, Und zieht, stets fechtend, sich allmählich an die wand. Ein großer goldner napf, vom schenktisch weggenommen, Dient ihm zugleich als schild und als gewehr; Schon zappeln viel am boden um ihn her, Die seinem grimm zu nah gekommen. 3. Der gute Scherasmin, der an der thüre fernZum schutz der Schönen steht, glaubt seinen ersten Herrn Im schlachtgedräng zu sehn, und überläßt voll freude Sich einen augenblik der süßen augenweide; Doch bald zerstreut den angenehmen wahn Des Fräuleins angstgeschrey; er sieht der Heiden Rasen, Sieht seines Herr'n gefahr, sezt flugs das hifthorn an Und bläßt, als läg' ihm ob die todten aufzublasen. 4. Die ganze Burg erschallt davon und kracht,Und straks verschlingt den tag die fürchterlichste nacht, Gespenster lassen sich wie schnelle blitze sehen, Und unter stetem donnern schwankt Des schlosses felsengrund. Der Heiden herz erkrankt; Sie taumeln trunknen gleich, gehör, gesicht vergehen, Der schlaffen hand entglitschen schwert und speer, Und gruppenweis liegt alles starr umher. 5. Der
2. Doch Huͤon, eh ſie ihn erreichen, reißt in eileDer maͤnner einem raſch die ſtange aus der hand, Schlaͤgt um ſich her damit als wie mit einer keule, Und zieht, ſtets fechtend, ſich allmaͤhlich an die wand. Ein großer goldner napf, vom ſchenktiſch weggenommen, Dient ihm zugleich als ſchild und als gewehr; Schon zappeln viel am boden um ihn her, Die ſeinem grimm zu nah gekommen. 3. Der gute Scherasmin, der an der thuͤre fernZum ſchutz der Schoͤnen ſteht, glaubt ſeinen erſten Herrn Im ſchlachtgedraͤng zu ſehn, und uͤberlaͤßt voll freude Sich einen augenblik der ſuͤßen augenweide; Doch bald zerſtreut den angenehmen wahn Des Fraͤuleins angſtgeſchrey; er ſieht der Heiden Raſen, Sieht ſeines Herr'n gefahr, ſezt flugs das hifthorn an Und blaͤßt, als laͤg' ihm ob die todten aufzublaſen. 4. Die ganze Burg erſchallt davon und kracht,Und ſtraks verſchlingt den tag die fuͤrchterlichſte nacht, Geſpenſter laſſen ſich wie ſchnelle blitze ſehen, Und unter ſtetem donnern ſchwankt Des ſchloſſes felſengrund. Der Heiden herz erkrankt; Sie taumeln trunknen gleich, gehoͤr, geſicht vergehen, Der ſchlaffen hand entglitſchen ſchwert und ſpeer, Und gruppenweis liegt alles ſtarr umher. 5. Der
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0120"/> <lg n="2"> <head> <hi rendition="#c">2.</hi> </head><lb/> <l><hi rendition="#in">D</hi>och Huͤon, eh ſie ihn erreichen, reißt in eile</l><lb/> <l>Der maͤnner einem raſch die ſtange aus der hand,</l><lb/> <l>Schlaͤgt um ſich her damit als wie mit einer keule,</l><lb/> <l>Und zieht, ſtets fechtend, ſich allmaͤhlich an die wand.</l><lb/> <l>Ein großer goldner napf, vom ſchenktiſch weggenommen,</l><lb/> <l>Dient ihm zugleich als ſchild und als gewehr;</l><lb/> <l>Schon zappeln viel am boden um ihn her,</l><lb/> <l>Die ſeinem grimm zu nah gekommen.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <head> <hi rendition="#c">3.</hi> </head><lb/> <l><hi rendition="#in">D</hi>er gute Scherasmin, der an der thuͤre fern</l><lb/> <l>Zum ſchutz der Schoͤnen ſteht, glaubt ſeinen erſten Herrn</l><lb/> <l>Im ſchlachtgedraͤng zu ſehn, und uͤberlaͤßt voll freude</l><lb/> <l>Sich einen augenblik der ſuͤßen augenweide;</l><lb/> <l>Doch bald zerſtreut den angenehmen wahn</l><lb/> <l>Des Fraͤuleins angſtgeſchrey; er ſieht der Heiden Raſen,</l><lb/> <l>Sieht ſeines Herr'n gefahr, ſezt flugs das hifthorn an</l><lb/> <l>Und blaͤßt, als laͤg' ihm ob die todten aufzublaſen.</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <head> <hi rendition="#c">4.</hi> </head><lb/> <l><hi rendition="#in">D</hi>ie ganze Burg erſchallt davon und kracht,</l><lb/> <l>Und ſtraks verſchlingt den tag die fuͤrchterlichſte nacht,</l><lb/> <l>Geſpenſter laſſen ſich wie ſchnelle blitze ſehen,</l><lb/> <l>Und unter ſtetem donnern ſchwankt</l><lb/> <l>Des ſchloſſes felſengrund. Der Heiden herz erkrankt;</l><lb/> <l>Sie taumeln trunknen gleich, gehoͤr, geſicht vergehen,</l><lb/> <l>Der ſchlaffen hand entglitſchen ſchwert und ſpeer,</l><lb/> <l>Und gruppenweis liegt alles ſtarr umher.</l> </lg><lb/> <fw place="bottom" type="catch">5. Der</fw><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0120]
2.
Doch Huͤon, eh ſie ihn erreichen, reißt in eile
Der maͤnner einem raſch die ſtange aus der hand,
Schlaͤgt um ſich her damit als wie mit einer keule,
Und zieht, ſtets fechtend, ſich allmaͤhlich an die wand.
Ein großer goldner napf, vom ſchenktiſch weggenommen,
Dient ihm zugleich als ſchild und als gewehr;
Schon zappeln viel am boden um ihn her,
Die ſeinem grimm zu nah gekommen.
3.
Der gute Scherasmin, der an der thuͤre fern
Zum ſchutz der Schoͤnen ſteht, glaubt ſeinen erſten Herrn
Im ſchlachtgedraͤng zu ſehn, und uͤberlaͤßt voll freude
Sich einen augenblik der ſuͤßen augenweide;
Doch bald zerſtreut den angenehmen wahn
Des Fraͤuleins angſtgeſchrey; er ſieht der Heiden Raſen,
Sieht ſeines Herr'n gefahr, ſezt flugs das hifthorn an
Und blaͤßt, als laͤg' ihm ob die todten aufzublaſen.
4.
Die ganze Burg erſchallt davon und kracht,
Und ſtraks verſchlingt den tag die fuͤrchterlichſte nacht,
Geſpenſter laſſen ſich wie ſchnelle blitze ſehen,
Und unter ſtetem donnern ſchwankt
Des ſchloſſes felſengrund. Der Heiden herz erkrankt;
Sie taumeln trunknen gleich, gehoͤr, geſicht vergehen,
Der ſchlaffen hand entglitſchen ſchwert und ſpeer,
Und gruppenweis liegt alles ſtarr umher.
5. Der
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_oberon_1780 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_oberon_1780/120 |
Zitationshilfe: | Wieland, Christoph Martin: Oberon. Weimar, 1780, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_oberon_1780/120>, abgerufen am 16.02.2025. |