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Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1767.

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Agathon.
unsern Helden aus dem gefährlichsten aller schlimmen
Orte, wohin ein ehrlicher Mann verirren kan, unver-
sehrt, und was beynahe unglaublich ist, mit seiner gan-
zen Tugend davon gebracht haben! Er hat allerdings
von Glük zu sagen, fährt das Manuscript fort; aber --
beym Hund (dem grossen Schwur des weisen Socra-
tes) was hatte er auch an einem Hofe zu thun? Er,
der sich weder zu einem Sclaven, noch zu einem
Schmeichler, noch zu einem Narren gebohren fühlte,
was wollte er am Hofe eines Dionysius machen? --
Was für ein Einfall -- und wenn ist jemals ein solcher
Einfall in das Gehirn eines klugen Menschen gekom-
men? -- einen lasterhaften Prinzen tugendhaft zu ma-
chen! -- Oder welcher rechtschaffene Mann, der einen
Fond von gesunder Vernunft und gutem Willen in sich
gefühlt, ist jemals damit an einen Hof gegangen, wenn
er im Sinne hatte, von dem einen oder dem andern
Gebrauch zu machen? -- Man muß gestehen, es ist
eine ganz hübsche Sache um den Enthusiasmus -- eines
Lycurgus, der aus einem Monarchen ein Bürger wird,
um sein Vaterland glüklicher zu machen -- oder eines
Leonidas, der mit dreyhundert eben so entschlossenen
Männern als er selbst, sich dem Tode weiht, um eben
so vielen Myriaden von Barbaren den Muth, mit
Griechen zu fechten, zu benehmen. Doch so groß, so
schön diese Thaten sind; so sind sie durch die Kräfte
der Natur möglich, und diejenige, welche sie unter-
nahmen, konnten sich versprechen, daß sie ihre Absich-
ten erreichen würden. Aber wenn hat man jemals ge-

hört,

Agathon.
unſern Helden aus dem gefaͤhrlichſten aller ſchlimmen
Orte, wohin ein ehrlicher Mann verirren kan, unver-
ſehrt, und was beynahe unglaublich iſt, mit ſeiner gan-
zen Tugend davon gebracht haben! Er hat allerdings
von Gluͤk zu ſagen, faͤhrt das Manuſcript fort; aber ‒‒
beym Hund (dem groſſen Schwur des weiſen Socra-
tes) was hatte er auch an einem Hofe zu thun? Er,
der ſich weder zu einem Sclaven, noch zu einem
Schmeichler, noch zu einem Narren gebohren fuͤhlte,
was wollte er am Hofe eines Dionyſius machen? ‒‒
Was fuͤr ein Einfall ‒‒ und wenn iſt jemals ein ſolcher
Einfall in das Gehirn eines klugen Menſchen gekom-
men? ‒‒ einen laſterhaften Prinzen tugendhaft zu ma-
chen! ‒‒ Oder welcher rechtſchaffene Mann, der einen
Fond von geſunder Vernunft und gutem Willen in ſich
gefuͤhlt, iſt jemals damit an einen Hof gegangen, wenn
er im Sinne hatte, von dem einen oder dem andern
Gebrauch zu machen? ‒‒ Man muß geſtehen, es iſt
eine ganz huͤbſche Sache um den Enthuſiasmus ‒‒ eines
Lycurgus, der aus einem Monarchen ein Buͤrger wird,
um ſein Vaterland gluͤklicher zu machen ‒‒ oder eines
Leonidas, der mit dreyhundert eben ſo entſchloſſenen
Maͤnnern als er ſelbſt, ſich dem Tode weiht, um eben
ſo vielen Myriaden von Barbaren den Muth, mit
Griechen zu fechten, zu benehmen. Doch ſo groß, ſo
ſchoͤn dieſe Thaten ſind; ſo ſind ſie durch die Kraͤfte
der Natur moͤglich, und diejenige, welche ſie unter-
nahmen, konnten ſich verſprechen, daß ſie ihre Abſich-
ten erreichen wuͤrden. Aber wenn hat man jemals ge-

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[266/0268] Agathon. unſern Helden aus dem gefaͤhrlichſten aller ſchlimmen Orte, wohin ein ehrlicher Mann verirren kan, unver- ſehrt, und was beynahe unglaublich iſt, mit ſeiner gan- zen Tugend davon gebracht haben! Er hat allerdings von Gluͤk zu ſagen, faͤhrt das Manuſcript fort; aber ‒‒ beym Hund (dem groſſen Schwur des weiſen Socra- tes) was hatte er auch an einem Hofe zu thun? Er, der ſich weder zu einem Sclaven, noch zu einem Schmeichler, noch zu einem Narren gebohren fuͤhlte, was wollte er am Hofe eines Dionyſius machen? ‒‒ Was fuͤr ein Einfall ‒‒ und wenn iſt jemals ein ſolcher Einfall in das Gehirn eines klugen Menſchen gekom- men? ‒‒ einen laſterhaften Prinzen tugendhaft zu ma- chen! ‒‒ Oder welcher rechtſchaffene Mann, der einen Fond von geſunder Vernunft und gutem Willen in ſich gefuͤhlt, iſt jemals damit an einen Hof gegangen, wenn er im Sinne hatte, von dem einen oder dem andern Gebrauch zu machen? ‒‒ Man muß geſtehen, es iſt eine ganz huͤbſche Sache um den Enthuſiasmus ‒‒ eines Lycurgus, der aus einem Monarchen ein Buͤrger wird, um ſein Vaterland gluͤklicher zu machen ‒‒ oder eines Leonidas, der mit dreyhundert eben ſo entſchloſſenen Maͤnnern als er ſelbſt, ſich dem Tode weiht, um eben ſo vielen Myriaden von Barbaren den Muth, mit Griechen zu fechten, zu benehmen. Doch ſo groß, ſo ſchoͤn dieſe Thaten ſind; ſo ſind ſie durch die Kraͤfte der Natur moͤglich, und diejenige, welche ſie unter- nahmen, konnten ſich verſprechen, daß ſie ihre Abſich- ten erreichen wuͤrden. Aber wenn hat man jemals ge- hoͤrt,

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Zitationshilfe: Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1767, S. 266. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_agathon02_1767/268>, abgerufen am 29.11.2024.