Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1767.Zehentes Buch, drittes Capitel. alles mit guter Art thun zu wollen, verlangte, daß erin Gegenwart seines ganzen Hofes Abschied von ihm nehmen sollte. Er überhäufte ihn, bey dieser Gelegen- heit, mit Lobsprüchen und Liebkosungen, und glaubte, einen sehr feinen Staatsmann zu machen, indem er sich stellte, als ob er ungern in seine Entlassung einwillige, und als ob sie als die besten Freunde von einander schie- den. Agathon hatte die Gefälligkeit, diesen lezten Auf- tritt der Comödie mitspielen zu helfen; und so entfernte er sich, in Gesellschaft der Gesandten von Tarent, von jedermann beurtheilt, von vielen getadelt, und von den wenigsten, selbst unter denen, welche günstig von ihm dachten, gekannt, aber von allen Rechtschaffenen ver- mißt und oft zurükgeseufzt, aus einer Stadt und aus einem Lande, worinn er das Vergnügen hatte, viele Denkmäler seiner ruhmwürdigen Administration zu hin- terlassen; und aus welchem er nichts mit sich hinaus- nahm, als eine Reihe von Erfahrungen, welche ihn in dem Entschluß bestärkten -- keine andre von dieser Art mehr zu machen. Viertes Capitel. Nachricht an den Leser. Dank sey (so ruft hier der Autor des griechischen unsern R 5
Zehentes Buch, drittes Capitel. alles mit guter Art thun zu wollen, verlangte, daß erin Gegenwart ſeines ganzen Hofes Abſchied von ihm nehmen ſollte. Er uͤberhaͤufte ihn, bey dieſer Gelegen- heit, mit Lobſpruͤchen und Liebkoſungen, und glaubte, einen ſehr feinen Staatsmann zu machen, indem er ſich ſtellte, als ob er ungern in ſeine Entlaſſung einwillige, und als ob ſie als die beſten Freunde von einander ſchie- den. Agathon hatte die Gefaͤlligkeit, dieſen lezten Auf- tritt der Comoͤdie mitſpielen zu helfen; und ſo entfernte er ſich, in Geſellſchaft der Geſandten von Tarent, von jedermann beurtheilt, von vielen getadelt, und von den wenigſten, ſelbſt unter denen, welche guͤnſtig von ihm dachten, gekannt, aber von allen Rechtſchaffenen ver- mißt und oft zuruͤkgeſeufzt, aus einer Stadt und aus einem Lande, worinn er das Vergnuͤgen hatte, viele Denkmaͤler ſeiner ruhmwuͤrdigen Adminiſtration zu hin- terlaſſen; und aus welchem er nichts mit ſich hinaus- nahm, als eine Reihe von Erfahrungen, welche ihn in dem Entſchluß beſtaͤrkten ‒‒ keine andre von dieſer Art mehr zu machen. Viertes Capitel. Nachricht an den Leſer. Dank ſey (ſo ruft hier der Autor des griechiſchen unſern R 5
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Zehentes Buch, drittes Capitel.
alles mit guter Art thun zu wollen, verlangte, daß er
in Gegenwart ſeines ganzen Hofes Abſchied von ihm
nehmen ſollte. Er uͤberhaͤufte ihn, bey dieſer Gelegen-
heit, mit Lobſpruͤchen und Liebkoſungen, und glaubte,
einen ſehr feinen Staatsmann zu machen, indem er ſich
ſtellte, als ob er ungern in ſeine Entlaſſung einwillige,
und als ob ſie als die beſten Freunde von einander ſchie-
den. Agathon hatte die Gefaͤlligkeit, dieſen lezten Auf-
tritt der Comoͤdie mitſpielen zu helfen; und ſo entfernte
er ſich, in Geſellſchaft der Geſandten von Tarent, von
jedermann beurtheilt, von vielen getadelt, und von den
wenigſten, ſelbſt unter denen, welche guͤnſtig von ihm
dachten, gekannt, aber von allen Rechtſchaffenen ver-
mißt und oft zuruͤkgeſeufzt, aus einer Stadt und aus
einem Lande, worinn er das Vergnuͤgen hatte, viele
Denkmaͤler ſeiner ruhmwuͤrdigen Adminiſtration zu hin-
terlaſſen; und aus welchem er nichts mit ſich hinaus-
nahm, als eine Reihe von Erfahrungen, welche ihn in
dem Entſchluß beſtaͤrkten ‒‒ keine andre von dieſer Art
mehr zu machen.
Viertes Capitel.
Nachricht an den Leſer.
Dank ſey (ſo ruft hier der Autor des griechiſchen
Manuſcripts, als einer, dem es auf einmal ums Herz
leichter wird, aus) Dank ſey den Goͤttern, daß wir
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