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Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1767.

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Zehentes Buch, erstes Capitel.
Hans Wurst -- oder, welches noch ein wenig ärger ist,
durch Hans Wurst -- aufführen gesehen? Wie oft haben
die grössesten Männer, dazu gebohren, die schüzenden
Genii eines Throns, die Wolthäter ganzer Völker und
Zeitalter zu seyn, alle ihre Weisheit und Tapferkeit
durch einen kleinen schnakischen Streich von Hans Wurst,
oder solchen Leuten vereitelt sehen müssen, welche ohne
eben sein Wamms und seine gelben Hosen zu tragen,
doch gewiß seinen ganzen Character an sich trugen? Wie
oft entsteht in beyden Arten der Tragi-Comödien die
Verwiklung selbst lediglich daher, daß Hans Wurst
durch irgend ein dummes oder schelmisches Stükchen
von seiner Arbeit den gescheidten Leuten, eh sie sich's
versehen können, ihr Spiel verderbt? -- Manum de
tabula!
-- Aber wenn diese Vergleichung, wie wir be-
sorgen, ihren Grund hat; so mögen wir wol den Wei-
sen und Rechtschaffenen Mann bedauren, den sein Schik-
sal dazu verurtheilt hat, unter einem schlimmen, oder --
welches ist ärger? -- unter einem schwachen Fürsten,
in die Verwaltung der öffentlichen Angelegenheiten ver-
wikelt zu seyn? Was wird es ihm helfen, Einsichten
und Muth zu haben, nach den besten Grundsäzen und
nach dem richtigsten Plan zu handeln; wenn das ver-
ächtlichste Ungeziefer, wenn ein Sclave, ein Kuppler,
eine Bacchidion, oder etwas noch schlimmers, irgend
ein Parasite, dessen ganzes Verdienst in Geschmeidig-
keit, Verstellung und Schalkheit besteht, es in ihrer
Gewalt haben, seine Maßregeln zu verrüken, aufzu-
halten, oder gar zu hintertreiben? Jndessen bleibt ihm,

wenn
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Zehentes Buch, erſtes Capitel.
Hans Wurſt ‒‒ oder, welches noch ein wenig aͤrger iſt,
durch Hans Wurſt ‒‒ auffuͤhren geſehen? Wie oft haben
die groͤſſeſten Maͤnner, dazu gebohren, die ſchuͤzenden
Genii eines Throns, die Wolthaͤter ganzer Voͤlker und
Zeitalter zu ſeyn, alle ihre Weisheit und Tapferkeit
durch einen kleinen ſchnakiſchen Streich von Hans Wurſt,
oder ſolchen Leuten vereitelt ſehen muͤſſen, welche ohne
eben ſein Wamms und ſeine gelben Hoſen zu tragen,
doch gewiß ſeinen ganzen Character an ſich trugen? Wie
oft entſteht in beyden Arten der Tragi-Comoͤdien die
Verwiklung ſelbſt lediglich daher, daß Hans Wurſt
durch irgend ein dummes oder ſchelmiſches Stuͤkchen
von ſeiner Arbeit den geſcheidten Leuten, eh ſie ſich’s
verſehen koͤnnen, ihr Spiel verderbt? ‒‒ Manum de
tabula!
‒‒ Aber wenn dieſe Vergleichung, wie wir be-
ſorgen, ihren Grund hat; ſo moͤgen wir wol den Wei-
ſen und Rechtſchaffenen Mann bedauren, den ſein Schik-
ſal dazu verurtheilt hat, unter einem ſchlimmen, oder ‒‒
welches iſt aͤrger? ‒‒ unter einem ſchwachen Fuͤrſten,
in die Verwaltung der oͤffentlichen Angelegenheiten ver-
wikelt zu ſeyn? Was wird es ihm helfen, Einſichten
und Muth zu haben, nach den beſten Grundſaͤzen und
nach dem richtigſten Plan zu handeln; wenn das ver-
aͤchtlichſte Ungeziefer, wenn ein Sclave, ein Kuppler,
eine Bacchidion, oder etwas noch ſchlimmers, irgend
ein Paraſite, deſſen ganzes Verdienſt in Geſchmeidig-
keit, Verſtellung und Schalkheit beſteht, es in ihrer
Gewalt haben, ſeine Maßregeln zu verruͤken, aufzu-
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[195/0197] Zehentes Buch, erſtes Capitel. Hans Wurſt ‒‒ oder, welches noch ein wenig aͤrger iſt, durch Hans Wurſt ‒‒ auffuͤhren geſehen? Wie oft haben die groͤſſeſten Maͤnner, dazu gebohren, die ſchuͤzenden Genii eines Throns, die Wolthaͤter ganzer Voͤlker und Zeitalter zu ſeyn, alle ihre Weisheit und Tapferkeit durch einen kleinen ſchnakiſchen Streich von Hans Wurſt, oder ſolchen Leuten vereitelt ſehen muͤſſen, welche ohne eben ſein Wamms und ſeine gelben Hoſen zu tragen, doch gewiß ſeinen ganzen Character an ſich trugen? Wie oft entſteht in beyden Arten der Tragi-Comoͤdien die Verwiklung ſelbſt lediglich daher, daß Hans Wurſt durch irgend ein dummes oder ſchelmiſches Stuͤkchen von ſeiner Arbeit den geſcheidten Leuten, eh ſie ſich’s verſehen koͤnnen, ihr Spiel verderbt? ‒‒ Manum de tabula! ‒‒ Aber wenn dieſe Vergleichung, wie wir be- ſorgen, ihren Grund hat; ſo moͤgen wir wol den Wei- ſen und Rechtſchaffenen Mann bedauren, den ſein Schik- ſal dazu verurtheilt hat, unter einem ſchlimmen, oder ‒‒ welches iſt aͤrger? ‒‒ unter einem ſchwachen Fuͤrſten, in die Verwaltung der oͤffentlichen Angelegenheiten ver- wikelt zu ſeyn? Was wird es ihm helfen, Einſichten und Muth zu haben, nach den beſten Grundſaͤzen und nach dem richtigſten Plan zu handeln; wenn das ver- aͤchtlichſte Ungeziefer, wenn ein Sclave, ein Kuppler, eine Bacchidion, oder etwas noch ſchlimmers, irgend ein Paraſite, deſſen ganzes Verdienſt in Geſchmeidig- keit, Verſtellung und Schalkheit beſteht, es in ihrer Gewalt haben, ſeine Maßregeln zu verruͤken, aufzu- halten, oder gar zu hintertreiben? Jndeſſen bleibt ihm, wenn N 2

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Zitationshilfe: Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1767, S. 195. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_agathon02_1767/197>, abgerufen am 22.11.2024.