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Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1767.

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Agathon.
durch ihre Auflösung sollte gebessert werden können. Wir
könnten diese unsre Meynung rechtfertigen; aber es ist
unnöthig; ein jeder hat die Freyheit anders zu meynen
wenn er will, ohne daß wir ihn zur Rechenschaft zie-
hen werden; hanc veniam petimus, damusque vicissim;
denn in der That, ein Buch würde niemalen zu Ende
kommen, wenn der Autor schuldig wäre, alles zu be-
weisen, und sich über alles zu rechtfertigen. Wir über-
gehen also auch, aus einem andern Grunde, den wir
den Liebhabern der Räthsel und Logogryphen zu errathen
geben, die Lobrede, welche Agathon der monarchischen
Staats-Verfassung hielt. Die Beherrscher der Welt
scheinen (mit Recht, würde Philistus sagen, denn ich
machte es an ihrem Plaz auch so) ordentlicher Weise
sehr gleichgültig über die Meynung zu seyn, welche man
von ihrer Regierungs-Art hat -- Es giebt Fälle, wir
gestehen es, wo dieses eine Ausnahme leidet -- aber
diese Fälle begegnen selten, wenn man die Vorsichtig-
keit gebraucht, hundert und fünfzigtausend wolbewaf-
nete Leute bereit zu halten, mit deren Beystand man
sehr wahrscheinlich hoffen kan, sich über die Meynung
aller friedsamen Leute in der ganzen Welt hinwegsezen
zu konnen. Sind nicht eben diese hundert und fünfzig-
tausend -- oder wenn ihrer auch mehr sind; desto bes-
ser! -- ein lebendiger, augenscheinlicher, ja der beste
Beweis, der alle andre unnöthig macht, daß eine Na-
tion glüklich gemacht wird? -- Genug also (und die-
ser Umstand allein gehört wesentlich zu unsrer Geschichte)
daß diese Rede, worinn Agathon alle Gebrechen ver-

dorbener

Agathon.
durch ihre Aufloͤſung ſollte gebeſſert werden koͤnnen. Wir
koͤnnten dieſe unſre Meynung rechtfertigen; aber es iſt
unnoͤthig; ein jeder hat die Freyheit anders zu meynen
wenn er will, ohne daß wir ihn zur Rechenſchaft zie-
hen werden; hanc veniam petimus, damusque viciſſim;
denn in der That, ein Buch wuͤrde niemalen zu Ende
kommen, wenn der Autor ſchuldig waͤre, alles zu be-
weiſen, und ſich uͤber alles zu rechtfertigen. Wir uͤber-
gehen alſo auch, aus einem andern Grunde, den wir
den Liebhabern der Raͤthſel und Logogryphen zu errathen
geben, die Lobrede, welche Agathon der monarchiſchen
Staats-Verfaſſung hielt. Die Beherrſcher der Welt
ſcheinen (mit Recht, wuͤrde Philiſtus ſagen, denn ich
machte es an ihrem Plaz auch ſo) ordentlicher Weiſe
ſehr gleichguͤltig uͤber die Meynung zu ſeyn, welche man
von ihrer Regierungs-Art hat ‒‒ Es giebt Faͤlle, wir
geſtehen es, wo dieſes eine Ausnahme leidet ‒‒ aber
dieſe Faͤlle begegnen ſelten, wenn man die Vorſichtig-
keit gebraucht, hundert und fuͤnfzigtauſend wolbewaf-
nete Leute bereit zu halten, mit deren Beyſtand man
ſehr wahrſcheinlich hoffen kan, ſich uͤber die Meynung
aller friedſamen Leute in der ganzen Welt hinwegſezen
zu konnen. Sind nicht eben dieſe hundert und fuͤnfzig-
tauſend ‒‒ oder wenn ihrer auch mehr ſind; deſto beſ-
ſer! ‒‒ ein lebendiger, augenſcheinlicher, ja der beſte
Beweis, der alle andre unnoͤthig macht, daß eine Na-
tion gluͤklich gemacht wird? ‒‒ Genug alſo (und die-
ſer Umſtand allein gehoͤrt weſentlich zu unſrer Geſchichte)
daß dieſe Rede, worinn Agathon alle Gebrechen ver-

dorbener
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[182/0184] Agathon. durch ihre Aufloͤſung ſollte gebeſſert werden koͤnnen. Wir koͤnnten dieſe unſre Meynung rechtfertigen; aber es iſt unnoͤthig; ein jeder hat die Freyheit anders zu meynen wenn er will, ohne daß wir ihn zur Rechenſchaft zie- hen werden; hanc veniam petimus, damusque viciſſim; denn in der That, ein Buch wuͤrde niemalen zu Ende kommen, wenn der Autor ſchuldig waͤre, alles zu be- weiſen, und ſich uͤber alles zu rechtfertigen. Wir uͤber- gehen alſo auch, aus einem andern Grunde, den wir den Liebhabern der Raͤthſel und Logogryphen zu errathen geben, die Lobrede, welche Agathon der monarchiſchen Staats-Verfaſſung hielt. Die Beherrſcher der Welt ſcheinen (mit Recht, wuͤrde Philiſtus ſagen, denn ich machte es an ihrem Plaz auch ſo) ordentlicher Weiſe ſehr gleichguͤltig uͤber die Meynung zu ſeyn, welche man von ihrer Regierungs-Art hat ‒‒ Es giebt Faͤlle, wir geſtehen es, wo dieſes eine Ausnahme leidet ‒‒ aber dieſe Faͤlle begegnen ſelten, wenn man die Vorſichtig- keit gebraucht, hundert und fuͤnfzigtauſend wolbewaf- nete Leute bereit zu halten, mit deren Beyſtand man ſehr wahrſcheinlich hoffen kan, ſich uͤber die Meynung aller friedſamen Leute in der ganzen Welt hinwegſezen zu konnen. Sind nicht eben dieſe hundert und fuͤnfzig- tauſend ‒‒ oder wenn ihrer auch mehr ſind; deſto beſ- ſer! ‒‒ ein lebendiger, augenſcheinlicher, ja der beſte Beweis, der alle andre unnoͤthig macht, daß eine Na- tion gluͤklich gemacht wird? ‒‒ Genug alſo (und die- ſer Umſtand allein gehoͤrt weſentlich zu unſrer Geſchichte) daß dieſe Rede, worinn Agathon alle Gebrechen ver- dorbener

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Zitationshilfe: Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1767, S. 182. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_agathon02_1767/184>, abgerufen am 23.11.2024.