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Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1767.

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Neuntes Buch, fünftes Capitel.
barste Art von Republik vorstellt, welche jemals auf
dem Erdboden gesehen worden ist -- als daß wir die-
sen Auszug einer für den Ruhm der Freystaaten so
nachtheiligen Rede ohne Widerwillen sollten fortsezen kön-
nen. Es geschah aus diesem nemlichen Grunde, daß
wir, anstatt den Discurs des Agathon seinem ganzen
Umfange nach aus unsrer Urkunde abzuschreiben, uns
begnügt haben, einige Züge davon, als eine wiewol
sehr unvollkommene Probe des Ganzen anzuführen.
Ferne soll es allezeit von uns seyn, irgend einem Erden-
bewohner die Stellung worinn er sich befindet, unan-
genehmer zu machen, als sie ihm bereits seyn mag;
oder Anlas zu geben, daß die Gebrechen einiger längst
zerstörten Griechischen Republiken, aus denen Agathon
seine Gemählde hernahm, zur Verunglimpfung derjeni-
gen mißbraucht werden könnten, welche in neuern Zei-
ten als ehrwürdige Freystädte und Zufluchts-Pläze der
Tugend, der gesunden Denkungs-Art, der öffentlichen
Glükseligkeit und einer politischen Gleichheit, welche sich
der natürlichen möglichst nähert, angesehen werden kön-
nen. Unsrer übrigens ganz unmaßgeblichen Meynung
nach, gehört die Frage, über welche hier disputiert
wurde, unter die wichtigen Fragen -- ob Scaramuz,
ob Scapin besser tanze -- und so viele andre von diesem
Schlage, (wenn sie gleich ein ernsthafteres Ansehen ha-
ben) worüber bis auf unsre Tage so viel Zeit und
Mühe -- von Gänsespulen, Papier und Dinte nichts
zu sagen -- verlohren worden, ohne daß sich absehen
liesse, wie, worinn oder um wieviel die Welt jemals

durch
M 3

Neuntes Buch, fuͤnftes Capitel.
barſte Art von Republik vorſtellt, welche jemals auf
dem Erdboden geſehen worden iſt ‒‒ als daß wir die-
ſen Auszug einer fuͤr den Ruhm der Freyſtaaten ſo
nachtheiligen Rede ohne Widerwillen ſollten fortſezen koͤn-
nen. Es geſchah aus dieſem nemlichen Grunde, daß
wir, anſtatt den Diſcurs des Agathon ſeinem ganzen
Umfange nach aus unſrer Urkunde abzuſchreiben, uns
begnuͤgt haben, einige Zuͤge davon, als eine wiewol
ſehr unvollkommene Probe des Ganzen anzufuͤhren.
Ferne ſoll es allezeit von uns ſeyn, irgend einem Erden-
bewohner die Stellung worinn er ſich befindet, unan-
genehmer zu machen, als ſie ihm bereits ſeyn mag;
oder Anlas zu geben, daß die Gebrechen einiger laͤngſt
zerſtoͤrten Griechiſchen Republiken, aus denen Agathon
ſeine Gemaͤhlde hernahm, zur Verunglimpfung derjeni-
gen mißbraucht werden koͤnnten, welche in neuern Zei-
ten als ehrwuͤrdige Freyſtaͤdte und Zufluchts-Plaͤze der
Tugend, der geſunden Denkungs-Art, der oͤffentlichen
Gluͤkſeligkeit und einer politiſchen Gleichheit, welche ſich
der natuͤrlichen moͤglichſt naͤhert, angeſehen werden koͤn-
nen. Unſrer uͤbrigens ganz unmaßgeblichen Meynung
nach, gehoͤrt die Frage, uͤber welche hier diſputiert
wurde, unter die wichtigen Fragen ‒‒ ob Scaramuz,
ob Scapin beſſer tanze ‒‒ und ſo viele andre von dieſem
Schlage, (wenn ſie gleich ein ernſthafteres Anſehen ha-
ben) woruͤber bis auf unſre Tage ſo viel Zeit und
Muͤhe ‒‒ von Gaͤnſeſpulen, Papier und Dinte nichts
zu ſagen ‒‒ verlohren worden, ohne daß ſich abſehen
lieſſe, wie, worinn oder um wieviel die Welt jemals

durch
M 3
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[181/0183] Neuntes Buch, fuͤnftes Capitel. barſte Art von Republik vorſtellt, welche jemals auf dem Erdboden geſehen worden iſt ‒‒ als daß wir die- ſen Auszug einer fuͤr den Ruhm der Freyſtaaten ſo nachtheiligen Rede ohne Widerwillen ſollten fortſezen koͤn- nen. Es geſchah aus dieſem nemlichen Grunde, daß wir, anſtatt den Diſcurs des Agathon ſeinem ganzen Umfange nach aus unſrer Urkunde abzuſchreiben, uns begnuͤgt haben, einige Zuͤge davon, als eine wiewol ſehr unvollkommene Probe des Ganzen anzufuͤhren. Ferne ſoll es allezeit von uns ſeyn, irgend einem Erden- bewohner die Stellung worinn er ſich befindet, unan- genehmer zu machen, als ſie ihm bereits ſeyn mag; oder Anlas zu geben, daß die Gebrechen einiger laͤngſt zerſtoͤrten Griechiſchen Republiken, aus denen Agathon ſeine Gemaͤhlde hernahm, zur Verunglimpfung derjeni- gen mißbraucht werden koͤnnten, welche in neuern Zei- ten als ehrwuͤrdige Freyſtaͤdte und Zufluchts-Plaͤze der Tugend, der geſunden Denkungs-Art, der oͤffentlichen Gluͤkſeligkeit und einer politiſchen Gleichheit, welche ſich der natuͤrlichen moͤglichſt naͤhert, angeſehen werden koͤn- nen. Unſrer uͤbrigens ganz unmaßgeblichen Meynung nach, gehoͤrt die Frage, uͤber welche hier diſputiert wurde, unter die wichtigen Fragen ‒‒ ob Scaramuz, ob Scapin beſſer tanze ‒‒ und ſo viele andre von dieſem Schlage, (wenn ſie gleich ein ernſthafteres Anſehen ha- ben) woruͤber bis auf unſre Tage ſo viel Zeit und Muͤhe ‒‒ von Gaͤnſeſpulen, Papier und Dinte nichts zu ſagen ‒‒ verlohren worden, ohne daß ſich abſehen lieſſe, wie, worinn oder um wieviel die Welt jemals durch M 3

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Zitationshilfe: Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1767, S. 181. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_agathon02_1767/183>, abgerufen am 24.04.2024.