Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1767.

Bild:
<< vorherige Seite

Agathon.
seze, seinem Herrn und Freunde in so delicaten Um-
ständen einen sichern Rath zu geben; und Philistus, des-
sen Treue dem Prinzen längst bekannt sey, würde durch
seine Erfahrenheit in Staats-Geschäften unendlichmal
geschikter seyn, einer Sache von dieser Art auf den
Grund zu sehen.

Dionysius hatte so wenig Lust sich einer Gewalt zu
begeben, deren Werth er nach Proportion, daß seine
Fibern wieder elastischer wurden, von Tag zu Tag wie-
der stärker zu empfinden begann; daß die Einstreuun-
gen seines Günstlings ihre ganze Würkung thaten. Er
gab ihm auf, mit aller nöthigen Vorsichtigkeit, da-
mit niemand nichts davon gewahr werden könnte, den
Philisius noch in dieser Nacht in sein Cabinet zu führen,
um sich über diese Dinge besprechen, und die Gedanken
desselben vernehmen zu können. Es geschah; Philistus
vollendete was Timocrat angefangen hatte. Er entdekte
dem Prinzen alles was er beobachtet zu haben vorgab,
und sagte gerade so viel, als nöthig war, um ihn in
den Gedanken zu bestärken, daß ein geheimes Complot
zu einer Staats-Veränderung im Werke sey, welches
zwar vermuthlich noch nicht zu seiner Reiffe gekommen,
aber doch so beschaffen sey, daß es Aufmerksamkeit ver-
diene. Und wer kan der Urheber und das Haupt ei-
nes solchen Complots seyn, fragte Dionys? -- Hier
stellte sich Philistus verlegen -- er hoffe nicht, daß es
schon soweit gekommen sey -- Dion bezeuge so gute Ge-
sinnungen für den Prinzen -- Rede aufrichtig, wie du

denkst,

Agathon.
ſeze, ſeinem Herrn und Freunde in ſo delicaten Um-
ſtaͤnden einen ſichern Rath zu geben; und Philiſtus, deſ-
ſen Treue dem Prinzen laͤngſt bekannt ſey, wuͤrde durch
ſeine Erfahrenheit in Staats-Geſchaͤften unendlichmal
geſchikter ſeyn, einer Sache von dieſer Art auf den
Grund zu ſehen.

Dionyſius hatte ſo wenig Luſt ſich einer Gewalt zu
begeben, deren Werth er nach Proportion, daß ſeine
Fibern wieder elaſtiſcher wurden, von Tag zu Tag wie-
der ſtaͤrker zu empfinden begann; daß die Einſtreuun-
gen ſeines Guͤnſtlings ihre ganze Wuͤrkung thaten. Er
gab ihm auf, mit aller noͤthigen Vorſichtigkeit, da-
mit niemand nichts davon gewahr werden koͤnnte, den
Philiſius noch in dieſer Nacht in ſein Cabinet zu fuͤhren,
um ſich uͤber dieſe Dinge beſprechen, und die Gedanken
deſſelben vernehmen zu koͤnnen. Es geſchah; Philiſtus
vollendete was Timocrat angefangen hatte. Er entdekte
dem Prinzen alles was er beobachtet zu haben vorgab,
und ſagte gerade ſo viel, als noͤthig war, um ihn in
den Gedanken zu beſtaͤrken, daß ein geheimes Complot
zu einer Staats-Veraͤnderung im Werke ſey, welches
zwar vermuthlich noch nicht zu ſeiner Reiffe gekommen,
aber doch ſo beſchaffen ſey, daß es Aufmerkſamkeit ver-
diene. Und wer kan der Urheber und das Haupt ei-
nes ſolchen Complots ſeyn, fragte Dionys? ‒‒ Hier
ſtellte ſich Philiſtus verlegen ‒‒ er hoffe nicht, daß es
ſchon ſoweit gekommen ſey ‒‒ Dion bezeuge ſo gute Ge-
ſinnungen fuͤr den Prinzen ‒‒ Rede aufrichtig, wie du

denkſt,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0126" n="124"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Agathon.</hi></hi></fw><lb/>
&#x017F;eze, &#x017F;einem Herrn und Freunde in &#x017F;o delicaten Um-<lb/>
&#x017F;ta&#x0364;nden einen &#x017F;ichern Rath zu geben; und Phili&#x017F;tus, de&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en Treue dem Prinzen la&#x0364;ng&#x017F;t bekannt &#x017F;ey, wu&#x0364;rde durch<lb/>
&#x017F;eine Erfahrenheit in Staats-Ge&#x017F;cha&#x0364;ften unendlichmal<lb/>
ge&#x017F;chikter &#x017F;eyn, einer Sache von die&#x017F;er Art auf den<lb/>
Grund zu &#x017F;ehen.</p><lb/>
            <p>Diony&#x017F;ius hatte &#x017F;o wenig Lu&#x017F;t &#x017F;ich einer Gewalt zu<lb/>
begeben, deren Werth er nach Proportion, daß &#x017F;eine<lb/>
Fibern wieder ela&#x017F;ti&#x017F;cher wurden, von Tag zu Tag wie-<lb/>
der &#x017F;ta&#x0364;rker zu empfinden begann; daß die Ein&#x017F;treuun-<lb/>
gen &#x017F;eines Gu&#x0364;n&#x017F;tlings ihre ganze Wu&#x0364;rkung thaten. Er<lb/>
gab ihm auf, mit aller no&#x0364;thigen Vor&#x017F;ichtigkeit, da-<lb/>
mit niemand nichts davon gewahr werden ko&#x0364;nnte, den<lb/>
Phili&#x017F;ius noch in die&#x017F;er Nacht in &#x017F;ein Cabinet zu fu&#x0364;hren,<lb/>
um &#x017F;ich u&#x0364;ber die&#x017F;e Dinge be&#x017F;prechen, und die Gedanken<lb/>
de&#x017F;&#x017F;elben vernehmen zu ko&#x0364;nnen. Es ge&#x017F;chah; Phili&#x017F;tus<lb/>
vollendete was Timocrat angefangen hatte. Er entdekte<lb/>
dem Prinzen alles was er beobachtet zu haben vorgab,<lb/>
und &#x017F;agte gerade &#x017F;o viel, als no&#x0364;thig war, um ihn in<lb/>
den Gedanken zu be&#x017F;ta&#x0364;rken, daß ein geheimes Complot<lb/>
zu einer Staats-Vera&#x0364;nderung im Werke &#x017F;ey, welches<lb/>
zwar vermuthlich noch nicht zu &#x017F;einer Reiffe gekommen,<lb/>
aber doch &#x017F;o be&#x017F;chaffen &#x017F;ey, daß es Aufmerk&#x017F;amkeit ver-<lb/>
diene. Und wer kan der Urheber und das Haupt ei-<lb/>
nes &#x017F;olchen Complots &#x017F;eyn, fragte Dionys? &#x2012;&#x2012; Hier<lb/>
&#x017F;tellte &#x017F;ich Phili&#x017F;tus verlegen &#x2012;&#x2012; er hoffe nicht, daß es<lb/>
&#x017F;chon &#x017F;oweit gekommen &#x017F;ey &#x2012;&#x2012; Dion bezeuge &#x017F;o gute Ge-<lb/>
&#x017F;innungen fu&#x0364;r den Prinzen &#x2012;&#x2012; Rede aufrichtig, wie du<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">denk&#x017F;t,</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[124/0126] Agathon. ſeze, ſeinem Herrn und Freunde in ſo delicaten Um- ſtaͤnden einen ſichern Rath zu geben; und Philiſtus, deſ- ſen Treue dem Prinzen laͤngſt bekannt ſey, wuͤrde durch ſeine Erfahrenheit in Staats-Geſchaͤften unendlichmal geſchikter ſeyn, einer Sache von dieſer Art auf den Grund zu ſehen. Dionyſius hatte ſo wenig Luſt ſich einer Gewalt zu begeben, deren Werth er nach Proportion, daß ſeine Fibern wieder elaſtiſcher wurden, von Tag zu Tag wie- der ſtaͤrker zu empfinden begann; daß die Einſtreuun- gen ſeines Guͤnſtlings ihre ganze Wuͤrkung thaten. Er gab ihm auf, mit aller noͤthigen Vorſichtigkeit, da- mit niemand nichts davon gewahr werden koͤnnte, den Philiſius noch in dieſer Nacht in ſein Cabinet zu fuͤhren, um ſich uͤber dieſe Dinge beſprechen, und die Gedanken deſſelben vernehmen zu koͤnnen. Es geſchah; Philiſtus vollendete was Timocrat angefangen hatte. Er entdekte dem Prinzen alles was er beobachtet zu haben vorgab, und ſagte gerade ſo viel, als noͤthig war, um ihn in den Gedanken zu beſtaͤrken, daß ein geheimes Complot zu einer Staats-Veraͤnderung im Werke ſey, welches zwar vermuthlich noch nicht zu ſeiner Reiffe gekommen, aber doch ſo beſchaffen ſey, daß es Aufmerkſamkeit ver- diene. Und wer kan der Urheber und das Haupt ei- nes ſolchen Complots ſeyn, fragte Dionys? ‒‒ Hier ſtellte ſich Philiſtus verlegen ‒‒ er hoffe nicht, daß es ſchon ſoweit gekommen ſey ‒‒ Dion bezeuge ſo gute Ge- ſinnungen fuͤr den Prinzen ‒‒ Rede aufrichtig, wie du denkſt,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_agathon02_1767
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_agathon02_1767/126
Zitationshilfe: Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1767, S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_agathon02_1767/126>, abgerufen am 25.11.2024.