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Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1767.

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Neuntes Buch, drittes Capitel.
einander besprachen, durch eine Reforme, welche sich
sogleich über den ganzen Hof ausbreitete, bezeichnet.
Jn wenigen Tagen glaubte Plato selbst in seiner Aca-
demie zu Athen zu seyn, so bescheiden und eingezogen
sah alles in dem Hause des Prinzen aus. Die Asiati-
sche Verschwendung machte auf einmal der philosophi-
schen Einfalt Plaz. Die Vorzimmer, welche vorher
von schimmernden Geken, und allen Arten lustigma-
chender Personen gewimmelt hatten, stellten izt acade-
mische Säle vor, wo man nichts als langbärtige Weise
sah, welche einzeln oder paarweise, mit gesenktem Haupt
und gerunzelter Stirne, in sich selbst und in ihre Män-
tel eingehüllt auf und ab schritten, bald alle zugleich,
bald gar nichts, bald nur mit sich selbst sprachen, und
wenn sie vielleicht am wenigsten dachten, eine so wich-
tige Mine machten, als ob der geringste unter ihnen
mit nichts kleinerm umgienge, als die beste Gesezgebung
zu erfinden, oder den Gestirnen einen regelmässigern
Lauf anzuweisen. Die üppigen Bankette, bey denen
Comus und Bacchus mit tyrannischem Scepter die ganze
Nacht durch geherrschet hatten, verwandelten sich in
Pythagorische Mahlzeiten, wo man sich bey einem Bra-
ten und Salat mit sinnreichen Gesprächen über die
erhabensten Gegenstände des menschlichen Verstandes, er-
lustigte; Statt frecher Pantomimen und wollüstiger Flö-
ten liessen sich Hymnen zum Lob der Götter und der
Tugend hören; und den Gaum zum Reden anzufeuch-
ten, trank man aus kleinen Socratischen Bechern Was-
ser mit Wein vermischt.

Dionys

Neuntes Buch, drittes Capitel.
einander beſprachen, durch eine Reforme, welche ſich
ſogleich uͤber den ganzen Hof ausbreitete, bezeichnet.
Jn wenigen Tagen glaubte Plato ſelbſt in ſeiner Aca-
demie zu Athen zu ſeyn, ſo beſcheiden und eingezogen
ſah alles in dem Hauſe des Prinzen aus. Die Aſiati-
ſche Verſchwendung machte auf einmal der philoſophi-
ſchen Einfalt Plaz. Die Vorzimmer, welche vorher
von ſchimmernden Geken, und allen Arten luſtigma-
chender Perſonen gewimmelt hatten, ſtellten izt acade-
miſche Saͤle vor, wo man nichts als langbaͤrtige Weiſe
ſah, welche einzeln oder paarweiſe, mit geſenktem Haupt
und gerunzelter Stirne, in ſich ſelbſt und in ihre Maͤn-
tel eingehuͤllt auf und ab ſchritten, bald alle zugleich,
bald gar nichts, bald nur mit ſich ſelbſt ſprachen, und
wenn ſie vielleicht am wenigſten dachten, eine ſo wich-
tige Mine machten, als ob der geringſte unter ihnen
mit nichts kleinerm umgienge, als die beſte Geſezgebung
zu erfinden, oder den Geſtirnen einen regelmaͤſſigern
Lauf anzuweiſen. Die uͤppigen Bankette, bey denen
Comus und Bacchus mit tyranniſchem Scepter die ganze
Nacht durch geherrſchet hatten, verwandelten ſich in
Pythagoriſche Mahlzeiten, wo man ſich bey einem Bra-
ten und Salat mit ſinnreichen Geſpraͤchen uͤber die
erhabenſten Gegenſtaͤnde des menſchlichen Verſtandes, er-
luſtigte; Statt frecher Pantomimen und wolluͤſtiger Floͤ-
ten lieſſen ſich Hymnen zum Lob der Goͤtter und der
Tugend hoͤren; und den Gaum zum Reden anzufeuch-
ten, trank man aus kleinen Socratiſchen Bechern Waſ-
ſer mit Wein vermiſcht.

Dionys
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[109/0111] Neuntes Buch, drittes Capitel. einander beſprachen, durch eine Reforme, welche ſich ſogleich uͤber den ganzen Hof ausbreitete, bezeichnet. Jn wenigen Tagen glaubte Plato ſelbſt in ſeiner Aca- demie zu Athen zu ſeyn, ſo beſcheiden und eingezogen ſah alles in dem Hauſe des Prinzen aus. Die Aſiati- ſche Verſchwendung machte auf einmal der philoſophi- ſchen Einfalt Plaz. Die Vorzimmer, welche vorher von ſchimmernden Geken, und allen Arten luſtigma- chender Perſonen gewimmelt hatten, ſtellten izt acade- miſche Saͤle vor, wo man nichts als langbaͤrtige Weiſe ſah, welche einzeln oder paarweiſe, mit geſenktem Haupt und gerunzelter Stirne, in ſich ſelbſt und in ihre Maͤn- tel eingehuͤllt auf und ab ſchritten, bald alle zugleich, bald gar nichts, bald nur mit ſich ſelbſt ſprachen, und wenn ſie vielleicht am wenigſten dachten, eine ſo wich- tige Mine machten, als ob der geringſte unter ihnen mit nichts kleinerm umgienge, als die beſte Geſezgebung zu erfinden, oder den Geſtirnen einen regelmaͤſſigern Lauf anzuweiſen. Die uͤppigen Bankette, bey denen Comus und Bacchus mit tyranniſchem Scepter die ganze Nacht durch geherrſchet hatten, verwandelten ſich in Pythagoriſche Mahlzeiten, wo man ſich bey einem Bra- ten und Salat mit ſinnreichen Geſpraͤchen uͤber die erhabenſten Gegenſtaͤnde des menſchlichen Verſtandes, er- luſtigte; Statt frecher Pantomimen und wolluͤſtiger Floͤ- ten lieſſen ſich Hymnen zum Lob der Goͤtter und der Tugend hoͤren; und den Gaum zum Reden anzufeuch- ten, trank man aus kleinen Socratiſchen Bechern Waſ- ſer mit Wein vermiſcht. Dionys

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Zitationshilfe: Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1767, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_agathon02_1767/111>, abgerufen am 22.11.2024.