neuen Republik nach dem Model derjenigen, die er uns in seinen Schriften hinterlassen hat, werden zu können.
Plato erschien also am Hofe zu Syracus mit aller Majestät eines Weisen, dem die Grösse seines Geistes ein Recht giebt, die Grossen der Welt für etwas weni- ger als seines gleichen anzusehen. Denn ob es gleich damals noch keine Stoiker gab, so pflegten doch die Philosophen von Profession bereits sehr bescheidentlich zu verstehen zu geben, daß sie in ihren eigenen Augen, eine höhern Classe von Wesen ausmachten, als die übri- gen Erdenbewohner. Diesesmal hatte die Philosophie das Glük eine Figur zu machen, deren Glanz dieser hohen Einbildung ihrer Günstlinge gemäß war. Plato wurde wie ein Gott aufgenommen, und würkte durch seine blosse Gegenwart eine Veränderung, welche, in den Augen der erstaunten Syracusaner, nur ein Gott zu würken mächtig genug schien. Jn der That gliech das Schauspiel welches sich demjenigen, der diesen Hof vor wenigen Wochen gesehen hatte, nunmehro darstellte, einem Werke der Zauberey --- Aber --- o! coecas ho- minum mentes! Wie natürlich geht auch das ausser- ordentlichste zu, sobald wir die wahren Triebräder da- von kennen!
Der erste Schritt, welchen der göttliche Plato in den Palast des Dionysius that, wurde durch ein feyr- liches Opfer, und die erste Stunde, worinn sie sich mit
einander
Agathon.
neuen Republik nach dem Model derjenigen, die er uns in ſeinen Schriften hinterlaſſen hat, werden zu koͤnnen.
Plato erſchien alſo am Hofe zu Syracus mit aller Majeſtaͤt eines Weiſen, dem die Groͤſſe ſeines Geiſtes ein Recht giebt, die Groſſen der Welt fuͤr etwas weni- ger als ſeines gleichen anzuſehen. Denn ob es gleich damals noch keine Stoiker gab, ſo pflegten doch die Philoſophen von Profeſſion bereits ſehr beſcheidentlich zu verſtehen zu geben, daß ſie in ihren eigenen Augen, eine hoͤhern Claſſe von Weſen ausmachten, als die uͤbri- gen Erdenbewohner. Dieſesmal hatte die Philoſophie das Gluͤk eine Figur zu machen, deren Glanz dieſer hohen Einbildung ihrer Guͤnſtlinge gemaͤß war. Plato wurde wie ein Gott aufgenommen, und wuͤrkte durch ſeine bloſſe Gegenwart eine Veraͤnderung, welche, in den Augen der erſtaunten Syracuſaner, nur ein Gott zu wuͤrken maͤchtig genug ſchien. Jn der That gliech das Schauſpiel welches ſich demjenigen, der dieſen Hof vor wenigen Wochen geſehen hatte, nunmehro darſtellte, einem Werke der Zauberey ‒‒‒ Aber ‒‒‒ ô! cœcas ho- minum mentes! Wie natuͤrlich geht auch das auſſer- ordentlichſte zu, ſobald wir die wahren Triebraͤder da- von kennen!
Der erſte Schritt, welchen der goͤttliche Plato in den Palaſt des Dionyſius that, wurde durch ein feyr- liches Opfer, und die erſte Stunde, worinn ſie ſich mit
einander
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Agathon.
neuen Republik nach dem Model derjenigen, die er
uns in ſeinen Schriften hinterlaſſen hat, werden zu
koͤnnen.
Plato erſchien alſo am Hofe zu Syracus mit aller
Majeſtaͤt eines Weiſen, dem die Groͤſſe ſeines Geiſtes
ein Recht giebt, die Groſſen der Welt fuͤr etwas weni-
ger als ſeines gleichen anzuſehen. Denn ob es gleich
damals noch keine Stoiker gab, ſo pflegten doch die
Philoſophen von Profeſſion bereits ſehr beſcheidentlich
zu verſtehen zu geben, daß ſie in ihren eigenen Augen,
eine hoͤhern Claſſe von Weſen ausmachten, als die uͤbri-
gen Erdenbewohner. Dieſesmal hatte die Philoſophie
das Gluͤk eine Figur zu machen, deren Glanz dieſer
hohen Einbildung ihrer Guͤnſtlinge gemaͤß war. Plato
wurde wie ein Gott aufgenommen, und wuͤrkte durch
ſeine bloſſe Gegenwart eine Veraͤnderung, welche, in
den Augen der erſtaunten Syracuſaner, nur ein Gott zu
wuͤrken maͤchtig genug ſchien. Jn der That gliech das
Schauſpiel welches ſich demjenigen, der dieſen Hof vor
wenigen Wochen geſehen hatte, nunmehro darſtellte,
einem Werke der Zauberey ‒‒‒ Aber ‒‒‒ ô! cœcas ho-
minum mentes! Wie natuͤrlich geht auch das auſſer-
ordentlichſte zu, ſobald wir die wahren Triebraͤder da-
von kennen!
Der erſte Schritt, welchen der goͤttliche Plato in
den Palaſt des Dionyſius that, wurde durch ein feyr-
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Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1767, S. 108. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_agathon02_1767/110>, abgerufen am 16.02.2025.
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