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Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 1. Frankfurt (Main) u. a., 1766.

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Agathon.
ren hatte. Mit diesen Gedanken hatte sie sich in den
Stunden der gewöhnlichen Mittagsruhe beschäftiget,
und war noch nicht recht mit sich selbst einig, wie weit
sie sich dem Sophisten vertrauen wolle; als er in ihr
Zimmer trat, und mit der vertraulichen Freymüthig-
keit eines alten Freundes ihr entdekte, daß es die Neu-
gier über den Fortgang ihres geheimen Anschlags sey,
was ihn so bald nach seiner Wiederkunft zu ihr gezogen
habe. Die Glükseligkeit des Callias (sezte er hinzu)
schimmert zu lebhaft aus seinen Augen und aus seinem
ganzen Vetragen hervor, schöne Danae, als daß ich
durch überflüßige Fragstüke das reizende Jncarnat die-
ser liebenswürdigen Wangen zu erhöhen suchen sollte.
Und findest du ihn also der Mühe würdig, die du auf
seine Bekehrung ohne Zweifel verwenden mußtest? Der
Mühe? sagte Danae lächelnd; ich schwöre dir, daß
mir in meinem Leben keine Mühe so leicht geworden
ist, als mich von dem liebenswürdigsten Sterblichen,
den ich jemals gekannt habe, lieben zu lassen. Denn
das war doch alle Mühe -- Nicht ganz und gar,
(unterbrach sie Hippias) wenn du so aufrichtig seyn
will, als es unsrer Freundschaft gemäß ist. Jch bin
gewiß, daß er an keine Verstellung dachte, da er noch
in meinem Hause war; und die Veränderung, die ich
an ihm wahrnehme ist so groß, verbreitet sich so sehr
über seine ganze Person, hat ihn so unkenntlich gemacht,
daß Danae selbst, auf deren Lippen die Ueberredung
wohnt, mich nicht überreden soll, daß eine solche See-
lenwandlung im Schlafe vorgehen könne. Keine Zu-

rükhal-

Agathon.
ren hatte. Mit dieſen Gedanken hatte ſie ſich in den
Stunden der gewoͤhnlichen Mittagsruhe beſchaͤftiget,
und war noch nicht recht mit ſich ſelbſt einig, wie weit
ſie ſich dem Sophiſten vertrauen wolle; als er in ihr
Zimmer trat, und mit der vertraulichen Freymuͤthig-
keit eines alten Freundes ihr entdekte, daß es die Neu-
gier uͤber den Fortgang ihres geheimen Anſchlags ſey,
was ihn ſo bald nach ſeiner Wiederkunft zu ihr gezogen
habe. Die Gluͤkſeligkeit des Callias (ſezte er hinzu)
ſchimmert zu lebhaft aus ſeinen Augen und aus ſeinem
ganzen Vetragen hervor, ſchoͤne Danae, als daß ich
durch uͤberfluͤßige Fragſtuͤke das reizende Jncarnat die-
ſer liebenswuͤrdigen Wangen zu erhoͤhen ſuchen ſollte.
Und findeſt du ihn alſo der Muͤhe wuͤrdig, die du auf
ſeine Bekehrung ohne Zweifel verwenden mußteſt? Der
Muͤhe? ſagte Danae laͤchelnd; ich ſchwoͤre dir, daß
mir in meinem Leben keine Muͤhe ſo leicht geworden
iſt, als mich von dem liebenswuͤrdigſten Sterblichen,
den ich jemals gekannt habe, lieben zu laſſen. Denn
das war doch alle Muͤhe — Nicht ganz und gar,
(unterbrach ſie Hippias) wenn du ſo aufrichtig ſeyn
will, als es unſrer Freundſchaft gemaͤß iſt. Jch bin
gewiß, daß er an keine Verſtellung dachte, da er noch
in meinem Hauſe war; und die Veraͤnderung, die ich
an ihm wahrnehme iſt ſo groß, verbreitet ſich ſo ſehr
uͤber ſeine ganze Perſon, hat ihn ſo unkenntlich gemacht,
daß Danae ſelbſt, auf deren Lippen die Ueberredung
wohnt, mich nicht uͤberreden ſoll, daß eine ſolche See-
lenwandlung im Schlafe vorgehen koͤnne. Keine Zu-

ruͤkhal-
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[224/0246] Agathon. ren hatte. Mit dieſen Gedanken hatte ſie ſich in den Stunden der gewoͤhnlichen Mittagsruhe beſchaͤftiget, und war noch nicht recht mit ſich ſelbſt einig, wie weit ſie ſich dem Sophiſten vertrauen wolle; als er in ihr Zimmer trat, und mit der vertraulichen Freymuͤthig- keit eines alten Freundes ihr entdekte, daß es die Neu- gier uͤber den Fortgang ihres geheimen Anſchlags ſey, was ihn ſo bald nach ſeiner Wiederkunft zu ihr gezogen habe. Die Gluͤkſeligkeit des Callias (ſezte er hinzu) ſchimmert zu lebhaft aus ſeinen Augen und aus ſeinem ganzen Vetragen hervor, ſchoͤne Danae, als daß ich durch uͤberfluͤßige Fragſtuͤke das reizende Jncarnat die- ſer liebenswuͤrdigen Wangen zu erhoͤhen ſuchen ſollte. Und findeſt du ihn alſo der Muͤhe wuͤrdig, die du auf ſeine Bekehrung ohne Zweifel verwenden mußteſt? Der Muͤhe? ſagte Danae laͤchelnd; ich ſchwoͤre dir, daß mir in meinem Leben keine Muͤhe ſo leicht geworden iſt, als mich von dem liebenswuͤrdigſten Sterblichen, den ich jemals gekannt habe, lieben zu laſſen. Denn das war doch alle Muͤhe — Nicht ganz und gar, (unterbrach ſie Hippias) wenn du ſo aufrichtig ſeyn will, als es unſrer Freundſchaft gemaͤß iſt. Jch bin gewiß, daß er an keine Verſtellung dachte, da er noch in meinem Hauſe war; und die Veraͤnderung, die ich an ihm wahrnehme iſt ſo groß, verbreitet ſich ſo ſehr uͤber ſeine ganze Perſon, hat ihn ſo unkenntlich gemacht, daß Danae ſelbſt, auf deren Lippen die Ueberredung wohnt, mich nicht uͤberreden ſoll, daß eine ſolche See- lenwandlung im Schlafe vorgehen koͤnne. Keine Zu- ruͤkhal-

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Zitationshilfe: Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 1. Frankfurt (Main) u. a., 1766, S. 224. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_agathon01_1766/246>, abgerufen am 24.11.2024.