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Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 1. Frankfurt (Main) u. a., 1766.

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Agathon,
und die schöne Danae legte sich selbst die Pflicht
auf, eine Treue gegen ihn zu beobachten, die er nicht
zu erwiedern nöthig fand. Da die Liebe zur Verän-
derung eine stärkere Leidenschaft bey ihm war, als die
Liebe die ihm irgend ein Frauenzimmer einflössen
konnte, so mußte auch Danae, nachdem sie sich eine
geraume Zeit in dem ersten Plaz bey ihm erhalten hat-
te, einer andern weichen, die keinen Vorzug vor ihr
hatte, als daß sie ihm neu war. So schwach Danae
von einer gewissen Seite seyn mochte, so edel war ihr
Herz in andern Stüken. Sie liebte den Alcibiades,
weil sie von seiner Person und von seinen Eigenschaften
bezaubert war, und dachte wenig daran, von seinen
Reichthümern Vortheil zu ziehen. Sie würde also
nichts von ihm übrig behalten haben, als das Anden-
ken von dem liebenswürdigsten Mann ihrer Zeit geliebt
worden zu seyn; wenn er nicht eben so stolz und frey-
gebig gewesen wäre, als sie, wider die Gewohnheit ih-
rer Gespielen, uneigennüzig war. Jch verlasse dich
Danae, sagte er zu ihr, allein ich werde nicht zugeben,
daß diejenige, die einst dem Alcibiades zugehörte, je-
mals genöthiget seyn soll, dem Reichsten zu überlassen,
was nur dem Liebenswürdigsten gehört. Mit diesen
Worten drang er ihr eine Summe auf, die mehr
als zulänglich war, sie von dieser Seite ausser aller
Gefahr zu sezen. Der Tod der Aspasia und die Verän-
derungen, die er nach sich zog, bewogen sie, wenige
Jahre darauf Athen zu verlassen, und nach etlichen
Begebenheiten, an denen ihr Herz keinen geringen An-

theil

Agathon,
und die ſchoͤne Danae legte ſich ſelbſt die Pflicht
auf, eine Treue gegen ihn zu beobachten, die er nicht
zu erwiedern noͤthig fand. Da die Liebe zur Veraͤn-
derung eine ſtaͤrkere Leidenſchaft bey ihm war, als die
Liebe die ihm irgend ein Frauenzimmer einfloͤſſen
konnte, ſo mußte auch Danae, nachdem ſie ſich eine
geraume Zeit in dem erſten Plaz bey ihm erhalten hat-
te, einer andern weichen, die keinen Vorzug vor ihr
hatte, als daß ſie ihm neu war. So ſchwach Danae
von einer gewiſſen Seite ſeyn mochte, ſo edel war ihr
Herz in andern Stuͤken. Sie liebte den Alcibiades,
weil ſie von ſeiner Perſon und von ſeinen Eigenſchaften
bezaubert war, und dachte wenig daran, von ſeinen
Reichthuͤmern Vortheil zu ziehen. Sie wuͤrde alſo
nichts von ihm uͤbrig behalten haben, als das Anden-
ken von dem liebenswuͤrdigſten Mann ihrer Zeit geliebt
worden zu ſeyn; wenn er nicht eben ſo ſtolz und frey-
gebig geweſen waͤre, als ſie, wider die Gewohnheit ih-
rer Geſpielen, uneigennuͤzig war. Jch verlaſſe dich
Danae, ſagte er zu ihr, allein ich werde nicht zugeben,
daß diejenige, die einſt dem Alcibiades zugehoͤrte, je-
mals genoͤthiget ſeyn ſoll, dem Reichſten zu uͤberlaſſen,
was nur dem Liebenswuͤrdigſten gehoͤrt. Mit dieſen
Worten drang er ihr eine Summe auf, die mehr
als zulaͤnglich war, ſie von dieſer Seite auſſer aller
Gefahr zu ſezen. Der Tod der Aſpaſia und die Veraͤn-
derungen, die er nach ſich zog, bewogen ſie, wenige
Jahre darauf Athen zu verlaſſen, und nach etlichen
Begebenheiten, an denen ihr Herz keinen geringen An-

theil
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[148/0170] Agathon, und die ſchoͤne Danae legte ſich ſelbſt die Pflicht auf, eine Treue gegen ihn zu beobachten, die er nicht zu erwiedern noͤthig fand. Da die Liebe zur Veraͤn- derung eine ſtaͤrkere Leidenſchaft bey ihm war, als die Liebe die ihm irgend ein Frauenzimmer einfloͤſſen konnte, ſo mußte auch Danae, nachdem ſie ſich eine geraume Zeit in dem erſten Plaz bey ihm erhalten hat- te, einer andern weichen, die keinen Vorzug vor ihr hatte, als daß ſie ihm neu war. So ſchwach Danae von einer gewiſſen Seite ſeyn mochte, ſo edel war ihr Herz in andern Stuͤken. Sie liebte den Alcibiades, weil ſie von ſeiner Perſon und von ſeinen Eigenſchaften bezaubert war, und dachte wenig daran, von ſeinen Reichthuͤmern Vortheil zu ziehen. Sie wuͤrde alſo nichts von ihm uͤbrig behalten haben, als das Anden- ken von dem liebenswuͤrdigſten Mann ihrer Zeit geliebt worden zu ſeyn; wenn er nicht eben ſo ſtolz und frey- gebig geweſen waͤre, als ſie, wider die Gewohnheit ih- rer Geſpielen, uneigennuͤzig war. Jch verlaſſe dich Danae, ſagte er zu ihr, allein ich werde nicht zugeben, daß diejenige, die einſt dem Alcibiades zugehoͤrte, je- mals genoͤthiget ſeyn ſoll, dem Reichſten zu uͤberlaſſen, was nur dem Liebenswuͤrdigſten gehoͤrt. Mit dieſen Worten drang er ihr eine Summe auf, die mehr als zulaͤnglich war, ſie von dieſer Seite auſſer aller Gefahr zu ſezen. Der Tod der Aſpaſia und die Veraͤn- derungen, die er nach ſich zog, bewogen ſie, wenige Jahre darauf Athen zu verlaſſen, und nach etlichen Begebenheiten, an denen ihr Herz keinen geringen An- theil

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Zitationshilfe: Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 1. Frankfurt (Main) u. a., 1766, S. 148. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_agathon01_1766/170>, abgerufen am 26.04.2024.